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Der britische Regierungschef David Cameron.

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Update

Krisendiplomatie in Frankreich: Cameron redet Putin ins Gewissen

Am Vorabend der Gedenkfeiern zum Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie kommt die Diplomatie-Maschinerie in Paris auf Touren. Bei einem Treffen auf dem Flughafen Charles de Gaulle mahnt der britische Premier David Cameron den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem Einlenken in der Ukraine-Krise.

Frankreichs Präsident François Hollande hat beim G-7-Gipfel in Brüssel keine Gelegenheit ausgelassen, sich und seine diplomatische Meisterleistung zu feiern. „Ich habe genau gewusst, was ich damit erreichen kann“, sagte Frankreichs Staatschef zu seiner Einladungspolitik für die D-Day-Feierlichkeiten in der Normandie an diesem Freitag. Hollande ist nach der Europawahl schwer angeschlagen, und da schadet ein Hinweis nicht, dass er es war, der den russischen Staatschef Wladimir Putin zu den Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandie einlud.

Auf der Gästeliste steht neben Putin, US-Präsident Barack Obama, Kanzlerin Angela Merkel und dem britischen Regierungschef David Cameron auch der eben gewählte ukrainische Staatschef Pjotr Poroschenko. Erstmals also seit Ausbruch der Ukraine-Krise werden sich die Hauptakteure Auge in Auge gegenüberstehen. „Wir gedenken nicht nur der Toten von einst“, hob Hollande pathetisch an, „sondern wollen auch einen Krieg in der Gegenwart und der Zukunft verhindern.“

Die diplomatische Maschinerie kam bereits am Donnerstagabend in Paris in Gang. In einem Privatbereich auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle traf der britische Premier David Cameron als erster führender westlicher Politiker in der Ukraine-Krise mit Putin zusammen. Cameron habe dem russischen Staatschef „einige sehr klare und sehr deutliche Botschaften“ übermittelt, sagte eine Sprecherin der Downing Street in London nach dem Treffen. Die Begegnung in Paris habe rund eine Stunde gedauert. Cameron habe Putin mitgeteilt, dass es aus seiner Sicht „die Chance für eine erfolgreiche, friedliche und stabile Ukraine“ gebe. Besonders jetzt, da es eine Präsidentschaftswahl gegeben habe. „Aber der Status Quo, die Situation, wie sie heute ist, ist nicht akzeptabel und muss geändert werden“, sagte der britische Premier nach Angaben seiner Sprecherin. Laut der russischen Nachrichtenagentur Interfax gab es zwischen den beiden Staatsmännern keinen Händedruck zu Beginn des Treffens. Anschließend nahm Putin mit Hollande im Elysée-Palast ein Nachtessen – ein „souper“ – ein. Zu diesem Zeitpunkt weilte auch Obama bereits in der französischen Hauptstadt, der dort dem russischen Präsidenten aus dem Weg ging. Das führte dazu, dass Hollande den US-Präsidenten zum Abendessen – dem „diner“ – in einem Pariser Restaurant traf.

Angesichts der verschiedenen Begegnungen Putins am Donnerstagabend zeichnete sich bereits ab, dass das Gedenken an die Landung der Alliierten an diesem Freitag zu einer Art G-8-Gipfel wird, der eigentlich im Olympiaort Sotschi hätte stattfinden sollen. Aus Protest gegen das russische Vorgehen auf der Krim war das Treffen aber boykottiert und ohne Putin kurzerhand im G-7-Format in das gipfelerprobte Brüssel verlegt worden. Und doch drehte sich dort fast alles um die fehlende Nummer acht – die übrigen Staats- und Regierungschefs legten ihre Linie für ihre Gespräche mit dem Kremlchef fest.

Merkel: Russland muss die Lage stabilisieren

„Es ist wichtig“, fasste Angela Merkel die gemeinsame Botschaft zusammen, „dass Russland seinen Beitrag leistet, um die Situation zu stabilisieren.“ Denn vor allem in den ostukrainischen Regionen Donezk und Lugansk hat die Kanzlerin „eine sehr große Destabilisierung“ ausgemacht – was nach einem Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs von Anfang März eigentlich der Auslöser für umfassende Wirtschaftssanktionen sein sollte. Nun aber sollen die Gespräche mit Putin und das, was aus ihnen folgt, abgewartet werden. Beim EU-Gipfel Ende des Monats werde man dann, so die Kanzlerin, „ein Resümee ziehen, wo wir stehen“.

Auch US-Präsident Barack Obama sagte, es sei seine „Hoffnung, dass wir diese Art von Sanktionen nicht brauchen“. Gleichzeitig appellierte er an die Europäer, die davon deutlich stärker betroffen wären als die Amerikaner, „für ihre Werte einzustehen, selbst wenn es ökonomische Unannehmlichkeiten mit sich bringt“. In diesem Zusammenhang kritisierte Obama auch Hollande dafür, die umstrittene Lieferung eines Hubschrauberträgers nach Russland nicht gestoppt zu haben: „Ich hätte es in dieser Zeit lieber gesehen, er hätte den Pausenknopf gedrückt.“ Frankreichs Staatschef sagte dies indirekt für den Fall zu, dass tatsächlich Wirtschaftssanktionen beschlossen würden.

Als zynisch bewertet es seinerseits der Westen, wie Russland die Frage der Gaslieferungen als politisches Instrument nutzt. Die G-7-Staaten wollen daher nun stärker im Energiebereich zusammenarbeiten, um vor allem die EU aus der russischen Abhängigkeit zu befreien – mehr Speicher, mehr Pipelines, vor allem aber mehr Flüssiggas-Importe aus den USA auf dem Seeweg sind geplant.

François Hollande wiederum berichtete, er habe Putin und Poroschenko auf der Ehrentribüne in Deauville nebeneinander platziert: „Wir haben jetzt die Möglichkeit, die Krise in der Ukraine zu beenden.“

Spott und Häme in Moskau über den Umgang mit Putin

Die Tatsache, dass Putin am G-7-Treffen nicht teilnahm, dann aber zu den Gedenkfeiern in die Normandie kommt, rief selbst bei kritischen Medien in Moskau Spott und Häme hervor. Man könne mit Russland nicht umspringen wie mit Domestiken, die man nach Belieben fortschicken und dann wieder rufen könne, hieß es. Putin selbst ging in einem Interview, das er französischen Medien vor seinem Abflug nach Frankreich gab, schnurstracks zum Angriff über. Dabei setzte er sich vor allem kritisch mit Äußerungen des US-Präsidenten Barack Obama in Warschau auseinander. Dort hatte die Nato – entgegen den Abmachungen, die 1990 bei den Verhandlungen zur Wiederherstellung der deutschen Einheit getroffen wurden – die Verstärkung der militärischen Präsenz in Osteuropa beschlossen.

Erstmals gab der Kremlchef in dem Interview zu, dass bei der Annexion der Krim durch Russland auch eine mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine eine Rolle gespielt habe. Weiter sagte Putin, dass der frisch gewählte ukrainische Präsident Poroschenko die einmalige Chance habe, den „direkten Dialog mit seinen Mitbürgern“ im Südosten aufzunehmen und in der Region den Frieden wiederherzustellen, weil seine Hände noch nicht mit Blut beschmiert seien.

Der Chef der Kreml-Administration, Sergei Iwanow, erklärte, dass die Verstärkung der Nato-Präsenz in Osteuropa destabilisierend wirke. Zudem gebe es keine realen Sicherheitsprobleme in der Region. Die Sicherheitsrisiken lägen vielmehr außerhalb Europas. Außenminister Sergei Lawrow rügte ebenfalls, dass der Westen mit der mehrfachen Nato-Osterweiterung darauf hingearbeitet habe, „den von ihm kontrollierten geopolitischen Raum bis an die russischen Grenzen auszudehnen“. Den Vorwurf der Nato, Moskau trage erneut „geopolitische Rivalitäten in die internationalen Beziehungen“, wies er zurück. Wohl aber sei Russland „aktiver Wortführer eines unabhängigen Standpunktes in der modernen Welt, der eine unabhängige Politik als sein natürliches Recht betrachtet“.

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