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Der libanesische Premier Saad Hariri traf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

© REUTERS

Kritik an Außenminister Sigmar Gabriel: Die Libanon-Krise erreicht Berlin

Saudi-Arabien zieht seinen Botschafter aus Deutschland ab, der libanesische Premier Saad Hariri nennt Außenminister Sigmar Gabriel einen Lügner.

Noch vor wenigen Monaten wäre der Besuch eines libanesischen Regierungschefs in Paris kaum eine Schlagzeile wert gewesen. Die beiden Länder haben traditionell ein enges Verhältnis, Frankreich gilt sogar als eine Art Schutzmacht des kleinen arabischen Staates. Doch als Saad Hariri am Samstag in der französischen Hauptstadt aus dem Flugzeug stieg und sogleich zu Staatspräsident Emmanuel Macron in den Elyséepalast fuhr, erregte das weltweit Aufsehen. Auch das Auswärtige Amt in Berlin war dies eine Presseerklärung wert. Denn die Reise ist ein weiteres Kapitel in einem politischen Krimi, in dem der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), obgleich nur noch geschäftsführend im Amt, inzwischen eine bemerkenswerte Rolle spielt.

Saudi-Arabien zog am Samstag sogar seinen Botschafter aus Berlin ab – aus Protest gegen saudikritische Äußerungen Gabriels beim Besuch seines libanesischen Amtskollegen Dschibran Bassil am Donnerstag in Berlin. Der libanesische Ministerpräsident Hariri hielt sich zu dieser Zeit bereits seit zwei Wochen in der saudischen Hauptstadt Riad auf und hatte von dort aus überraschend seinen Rücktritt erklärt. Nicht nur in Berlin wurde spekuliert, Saudi-Arabien habe den Rückzug womöglich erzwungen und halte Hariri fest, um im Libanon Spannungen zu schüren. Konkret wurde vermutet, Riad wolle die im Libanon einflussreiche und vom Iran unterstützte Schiitenmiliz Hisbollah provozieren, zu der Hariri angesichts der komplizierten Kräfteverhältnisse zwischen den verschiedenen Religionen und Volksgruppen in seinem Land ein neutrales Verhältnis zu wahren suchte.

Offen aussprechen würde ein Regierungsvertreter solche Vermutungen normalerweise nicht. Gabriel jedoch wurde mit Blick auf die Gemengelage in der Region am Donnerstag deutlich. Aus Europa müsse ein Signal kommen, „dass wir das Abenteurertum, was sich in den letzten Monaten dort breitgemacht hat, nicht mehr einfach sprachlos hinnehmen“, sagte er. Nach der humanitären Krise durch den Krieg im Jemen und dem Konflikt mit dem Golfemirat Katar sei mit der Art und Weise, „wie mit dem Libanon umgegangen wird“, nun die Spitze erreicht. Das war eindeutig auf Saudi-Arabien gemünzt, denn Riad führt nicht nur Krieg im Jemen, es versucht auch Katar durch eine politische und wirtschaftliche Blockade zur Unterordnung zu zwingen.

Saad Hariri bezichtigte Gabriel via Twitter der Lüge

Die amtliche saudische Nachrichtenagentur SPA zitierte nun einen Sprecher des Außenministeriums in Riad, der Gabriels Äußerungen als „unangemessen und ungerechtfertigt“ kritisierte. Dem deutschen Botschafter in Saudi-Arabien solle eine Protestnote überreicht werden. Die „gefährlichen Erklärungen“ des deutschen Außenministers nannte er als Grund für den Rückruf des Botschafters aus Berlin. Saad Hariri bezichtigte Gabriel via Twitter zudem ganz unverblümt der Lüge. Der Ministerpräsident, der sonst nur auf Arabisch twittert, schrieb in der Nacht auf Samstag auf Englisch: „Zu behaupten, dass ich in Saudi-Arabien festgehalten werde und das Land nicht verlassen darf, ist eine Lüge. Ich bin auf dem Weg zum Flughafen, Herr Sigmar Gabriel.“

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Töne wie diese sind zwischen befreundeten Staaten höchst ungewöhnlich. Und der Abzug eines Botschafters gilt als eine der schärfsten Protestformen in diplomatischen Beziehungen. Dass Saudi-Arabien zu einer solch drastischen Maßnahme griff, mag mit dem Aufstieg des jungen und als sprunghaft geltenden Kronprinzen Mohammed bin Salman zusammenhängen.

Doch auch der deutsche Außenminister legte sich in der Angelegenheit wenig diplomatische Zurückhaltung auf. Möglich ist, dass er sich zum absehbaren Ende seiner Amtszeit darum nur noch wenig schert. Nicht unwahrscheinlich ist zudem, dass ihn die anhaltende Kritik an deutschen Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien frustriert. Der SPD-Politiker war vor vier Jahren schließlich als Wirtschaftsminister mit dem Versprechen angetreten, Rüstungsexporte deutlich zurückzufahren. Vor wenigen Tagen wurde nun bekannt, dass die schwarz-rote Bundesregierung im dritten Quartal dieses Jahres ausgerechnet an Saudi-Arabien dreimal so viele Genehmigungen für Waffenlieferungen erteilt hat wie im Vorjahreszeitraum – obwohl Riad durch seine militärische Intervention im Jemen für eine laut den UN beispiellose humanitäre Katastrophe mitverantwortlich ist. Die Bilanz des scheidenden Ministers hätte kaum schlechter ausfallen können.

Inzwischen scheint sich Gabriel allerdings besonnen zu haben. Am Samstag ließ er sein Haus eine Erklärung verbreiten, die fast schon wie eine Rechtfertigung klingt. „Wir haben angesichts der aktuellen Lage große Sorge über die Stabilität in der Region und rufen alle Seiten zum Abbau der Spannungen auf. Dies offen anzusprechen, ist unter engen internationalen Partnern möglich und selbstverständlich“, heißt es in dem kurzen Text. Und weiter: „Die Ausreise von Herrn Hariri nach Paris und seine bevorstehende Rückkehr in den Libanon begrüßen wir ausdrücklich. Von allen Seiten müssen jetzt Schritte zur Vertrauensbildung erfolgen.“

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