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Warnung: Aus dem Norden werden Rufe nach einem neuen Verbotsverfahren gegen die NPD laut. Verfassungsschützer sehen sie im Bunde mit Skinheads und Neonazis. Foto: dapd

© dapd

Politik: Laut und dubios

Die NPD in Mecklenburg-Vorpommern bangt um den Wiedereinzug in den Landtag – und um die Finanzen

Von Frank Jansen

Das Tremolo ist schon von Weitem zu hören. „Die NPD ist die einzige Friedenspartei in Europa“, dröhnt Holger Apfel durch die Altstadt von Schwerin. Der Chef der sächsischen NPD-Fraktion ist nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen, um die „Kameraden“ im Wahlkampf zu unterstützen. Nun steht der Mann im schwarzen Anzug vor einem Lautsprecherwagen und ruft Passanten zu, „sorgen Sie dafür, dass die NPD am 4. September mit einer starken Mannschaft in den Landtag einziehen wird“. Einige Leute bleiben stehen. Niemand klatscht, aber es buht auch keiner. Die Stimmung ist diffus, daran kann auch Apfel, der umtriebigste Wahlkämpfer der NPD, nichts ändern.

Die rechtsextreme Partei muss befürchten, dass sie aus dem Schweriner Landtag fliegt, in den sie 2006 mit 7,3 Prozent einziehen konnte. In den Umfragen kommt die NPD seit Monaten nicht über vier Prozent hinaus. Der Wahltag wird eine Zitterpartie. Sollte die Partei in Mecklenburg-Vorpommern scheitern, wäre ihr Ost-Nimbus gebrochen. Und die Konflikte in der Partei würden eskalieren.

Ärger von außen zeichnet sich schon jetzt ab. Nach Informationen des Tagesspiegels prüft die Präsidentin des Landtags, Sylvia Bretschneider (SPD), ob im Wahlkampf der Rechtsextremisten Steuergelder missbraucht werden. Auf Anfrage teilte Bretschneider am Dienstag mit, sie habe darüber schriftlich den Präsidenten des Bundestages und den Landesrechnungshof informiert. Bretschneider hält der NPD vor, sie verteile im Wahlkampf landesweit massenhaft die Fraktionszeitung „Der Ordnungsruf“ sowie eine Sondernummer des Blattes. Damit könnte die Grenze zulässiger Öffentlichkeitsarbeit überschritten sein. Außerdem sei ein Fahrzeug der Fraktion, von den NPD-Abgeordneten „Flaggschiff Waterkant“ genannt, zur Wahlwerbung eingesetzt worden.

Bretschneiders Vorwürfe sind für die notorisch finanzklamme NPD gefährlich. Die Fraktion in Schwerin erhält zwar jährlich vom Staat bis zu 1,4 Millionen Euro, unter anderem für Personal- und Sachkosten, doch die Partei insgesamt wandelt am Rande der Pleite. Im Mai bestätigte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einen Sanktionsbescheid der Bundestagsverwaltung, wonach die NPD wegen eines fehlerhaften Rechenschaftsberichts 2,5 Millionen Euro zahlen muss. Käme jetzt noch eine saftige Strafe wegen unerlaubter Wahlwerbung der Schweriner Fraktion hinzu, würden sich die Finanzprobleme der NPD weiter auftürmen. Der Bundesgeschäftsführer der Partei, Klaus Beier, beteuerte am Dienstag, er schließe „kategorisch“ aus, dass Bretschneiders Vorwürfe zutreffen.

Die Landtagspräsidentin ist den Rechtsextremen verhasst. Bretschneider und die Vizepräsidenten des Landtags haben der NPD-Fraktion 486 Ordnungsrufe verpasst. Bei SPD, CDU, Linkspartei und FDP waren es zusammen nur 71. Vor allem die Konfrontation mit dem hitzigen Fraktionschef Udo Pastörs empfand Bretschneider als Zumutung: „Der baut sich vor einem auf, dass man denkt, gleich kommt der körperliche Angriff“. Aber auch die Inhalte der mehr als 1400 Anfragen und Anträge der NPD-Fraktion hält Bretschneider für unsäglich. Im November 2008, der 70. Jahrestag der Reichspogromnacht stand bevor, forderten die Rechtsextremen von der Landesregierung, „Maßnahmen zu ergreifen, um dem aufkeimenden Antigermanismus entgegenzuwirken“. Bretschneider ist mit CDU-Innenminister Lorenz Caffier einig, ein zweites Verbotsverfahren gegen die NPD sei dringend notwendig.

Mit Sorge beobachten Verfassungsschützer, dass die NPD regionale Schwerpunkte etablieren konnte, unter anderem an der Grenze zu Polen. Außerdem sei der etwa 400 Mitglieder zählende Landesverband mit der Neonazi-Szene und den Skinhead-Milieus „intensiv verschränkt“. Die NPD hat sich auch nicht von den rechtsextremen Angriffen auf Büros der demokratischen Parteien distanziert. Allein in diesem Jahr registrierte die Polizei 38 Steinwürfe und andere Attacken. Verfassungsschützern fällt zudem auf, dass die Serie Ende Juli abbrach – da begann die heiße Phase des Wahlkampfs, in dem sich die NPD als bürgerlich präsentiert.

Schon seit Jahren versuchen zivilgesellschaftliche Initiativen, darunter das von Bretschneider initiierte Bündnis „WIR. Erfolg braucht Vielfalt“, dem Rechtsextremismus entgegenzuwirken, auch in kleinen Orten. Doch Udo Pastörs verkündet, der Wiedereinzug in den Landtag sei sicher. Seine Prognose lautet „acht Prozent für die NPD am Wahlabend“.

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