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Lindner widerspricht Rösler: FDP-Führungsduo spielt Stille Post

Christian Lindner sagt, in NRW sei er glücklich. Zu weiteren Plänen schweigt er – und beunruhigt in Berlin FDP-Chef Philipp Rösler.

Von Robert Birnbaum

Manchmal, wenn ein Politiker ein Interview gibt, hat er als Adressaten seiner Worte den normalen Leser oder Zuhörer im Sinn. Oft gilt die Botschaft aber anderen – den lieben Parteifreunden zum Beispiel. Christian Lindner ist als frisch gekürter Spitzenkandidat der FDP für die NRW-Landtagswahl im Moment ein gefragter Mann. Am Montagfrüh hat er einen Wunsch parat, der eher nicht an die normalen Hörer des Deutschlandfunk gerichtet ist: „Die beste Hilfe für den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen wäre, wenn in Berlin kollegial partnerschaftlich Probleme gelöst würden.“

Adressaten dieses Satzes sind der Parteivorsitzende Philipp Rösler und dessen General Patrick Döring. Das Duo versucht seit längerem, das Profil der Freidemokraten durch Konflikt mit dem Koalitionspartner zu schärfen, eine Methode, die den Wahlkämpfern in Düsseldorf und Kiel seit längerem missfällt. Nicht aus Prinzip – auch Lindner und Wolfgang Kubicki können bei Bedarf austeilen. Aber erstens machen sie das dann lieber selber. Und zweitens eint beide die Sorge, dass die da in Berlin ihnen durch Ungeschick die Wahlkämpfe vermasseln.

Was den Unterschied konkret ausmacht, führt Lindner am Beispiel Schlecker vor. Als drei FDP-Landesminister eine Transfergesellschaft für die Verkäuferinnen der insolventen Drogeriekette blockierten, hatte Rösler das als ordnungspolitische Prinzipientreue gefeiert. Falsches Argument, lässt Lindner wissen: „Schlecker ist eine Frage, die man strikt aus der Perspektive der betroffenen 11 000 Mitarbeiterinnen diskutieren muss.“ Denen nütze es nichts, in einer Beschäftigungsgesellschaft geparkt zu werden, deshalb sei das Nein schon richtig gewesen. Nur: „Das kann kein Thema für Profilierung in der einen oder anderen Richtung sein.“ Erst recht nicht – aber das sagt er nicht dabei – in die Richtung des alten, kalten Marktwirtschaftsdenkens, dessen Vorherrschaft in der FDP abzulösen Lindner schließlich einmal angetreten war.

Ob Rösler die Botschaft hören will, ist ungewiss. Der Parteichef steht unter enormem Erfolgsdruck. Ein Freidemokrat bringt es auf die Formel: Wenn die FDP überleben will, müssen Kubicki und Lindner ihre Wahlen gewinnen; wenn Rösler überleben will, muss er sagen können, dass er dazu auch was beigetragen hat. Sonst müsste er damit rechnen, dass die Sieger ihn als überflüssig wegfegen. Lindner drückt sich auf die Frage nach Ambitionen in Berlin unscharf genug aus, um seinen Parteichef in dieser Sorge zu lassen: „Ich will Fraktionsvorsitzender im Landtag werden, und das mit aller Kraft“, sagt er im ZDF-„Morgenmagazin“.

Keine Partei muss gerade so viel Spott ertragen wie die FDP. Der neueste Tiefschlag kommt aus der Werbebranche.

Dass der FDP Ende April auch noch ein Bundesparteitag bevorsteht, macht die Sache nicht einfacher. Ganz zu schweigen von Spöttern wie dem Autovermieter Sixt. Der hat die Reihe seiner frechen Werbeplakate gerade um ein Doppelbild erweitert, das links den FDP-Vorsitzenden und rechts ein flottes Auto mit besonders fortschrittlicher Navigations- und Einparktechnik zeigt. „Mit Connecteddrive direkt ins Ziel“, steht unter dem Automobil. „Mit viel Drive direkt am Ziel vorbei“, lautet der Spruch zu Rösler.

Nun wäre der freidemokratische Profilierungskampf relativ egal, hätte er nicht Folgen für die Koalition in Berlin. In CDU und CSU wird missmutig registriert, wie Rösler und sein General agieren. Selbst der Kanzlerin geht der ungebremste Popularitätsdrang ihres Stellvertreters allmählich sichtbar auf die Nerven.

Bei Schlecker hat Angela Merkel das Verhalten der FDP-Spitze in der Sache noch dezent unterstützt. Bei Röslers neuestem Vorstoß, diesmal zum Thema Benzinpreise, lässt sie ihn abblitzen: Eine höhere Pendler-Pauschale sei „nicht geeignet“, um auf die Benzinpreisschwankungen zu reagieren, stellt Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag fest.

Die Doppelstrategie – gestern stützen, heute zur Abwechslung mal stutzen – zeigt zugleich, wie ungewiss die Union über den Fortgang der Geschichte ist. Dass die FDP-Parteiführung bis zu den Wahlen als Partner kaum mehr berechenbar ist, davon gehen führende Unionspolitiker aus. Die Frage ist, was danach passiert. Kehrt in die FDP Ruhe ein – oder geht der Profilierungswettstreit weiter?

Lindner jedenfalls empfiehlt sich schon einmal als Garant für „gute Staatskunst“. Daran habe es in den vergangenen zwei Jahren leider häufig gefehlt. „Ich rate meiner Partei, dass wir professionelle Regierungsarbeit leisten“, verlangt Lindner, „und nicht den Wahlkampf in die Koalition tragen.“

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