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In der Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Zirndorf stellte der verhaftete Oberleutnant einen Asylantrag.

© dpa

Matthies meint: Der Hauptmann auf den Kopf gestellt

Der Fall des als Flüchtling getarnten, terrorverdächtigen Bundeswehrsoldaten zeigt vor allem eines: Wer auch immer dringend untertauchen muss in Deutschland, der geht einfach zur Ausländerbehörde. Eine Glosse.

Das Ganze lief wie beim Hauptmann von Köpenick, nur auf den Kopf gestellt – und in böse. Ein Oberleutnant der Bundeswehr zieht die Uniform aus, läuft zur nächsten Ausländerbehörde und gibt sich dort, obwohl er offenbar kein Wort Arabisch spricht, als geflüchteter Syrer aus, sagt „Asyl“, wird nett durchgewunken und gleich auch noch anerkannt, vermutlich, um ihm weitere Wege zu ersparen. Sympathische Behörde!

Das alles klingt ein bisschen nach Wallraff, passt aber nicht in dessen Beuteschema. Böhmermann wäre es zuzutrauen: abgeschabte Klamotten, Haare schwarz, Schnauzer angeklebt, ein bisschen unverständlich radebrechen. Stempel, und zack, ist der nächste TV-Aufreger fertig. Aber so war es eben nicht, leider. Noch ist unklar, was der entgleiste Bundeswehrsoldat mit der Aktion genau bezweckte. Aber fest steht doch offenbar, dass nahezu jeder, der es ein bisschen schlau anstellt, in Deutschland Asyl erhält, sogar jeder Deutsche.

Ja, das war damals, der große Ansturm, heute undenkbar. Hören wir. Das ist akzeptabel, sofern es die Probleme der Registrierung angeht, das eindeutige Identifizieren, die Bestätigung, die Unterbringung. Aber ich habe noch nie gehört, da sei nun auch gleich in aller Hast das Asylverfahren durchgezogen und positiv beschieden worden. Netter Kerl, darf bleiben? Wie groß auch immer der Druck war – dazu darf er auf keinen Fall geführt haben. Hat er aber. Und alle beschwichtigenden Erklärungen über die extreme Sorgfalt, mit der die deutschen Behörden Asylanträge doppelt und dreifach auf Herz, Nieren, Leber und Milz überprüfen, sind plötzlich hinfällig. Pfffft...

Das ist das Politische am Einzelfall: die Unsicherheit, die er verbreitet. Und dazu, dass er wieder mal die üblichen Vorurteile bestätigt, dass er all jene ins Recht setzt, die sich mit Jobcentern, Sozialbehörden und Finanzämtern um jedes Komma streiten müssen und dann über die angebliche Vorzugsbehandlung von Geflüchteten schimpfen. Es wäre schon ein Grund zur Freude, wenn die Ermittler nun auf Korruption oder ein Neonazi-Netz treffen würden, denn dann wären ein paar Böse schuld und nicht die Instabilität des ganzen Systems. Aber glaubt das jemand?

Immerhin öffnet das Manöver einen Weg. Wer auch immer dringend untertauchen muss in Deutschland, der geht einfach zur Ausländerbehörde. Besondere Sprachkenntnisse? Nicht erforderlich. Dem Hauptmann Voigt hätte das sicher gut gefallen.

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