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Politik: Medwedew gegen Putin

Russlands Präsident fordert den Austausch von staatlichen Konzernkontrolleuren, die der Premier selbst installiert hat

Geht es nach Präsident Dmitri Medwedew, ist am 1. Juli Schluss mit dem Staatskapitalismus in Russland. Die enge Verflechtung von Staat und Wirtschaft, nörgelte der Kremlherrscher jetzt auf einer Tagung seiner Modernisierungskommission, wirke sich ungünstig auf das Investitionsklima aus. Deshalb müssten Minister und andere ranghohe Beamte ihre Posten in den Aufsichtsräten staatlicher und staatsnaher Konzerne räumen. Diesen warf Medwedew zudem Ineffizienz vor. Die Staatsbahnen RZD etwa oder der Durchleitungskonzern Transneft würden beim Kauf von Anlagen und Aktiva stets mehr als zehn Prozent der marktüblichen Preise hinblättern. Das sei so wenig akzeptabel wie die Tatsache, dass Politiker in den Kontrollgremien jener Konzerne sitzen, für die ihre Ressorts direkt verantwortlich sind. Vor allem damit erklärte Medwedew „Vertrauensdefizite“ eigener und ausländischer Investoren, auf deren Engagement Russland dringend angewiesen sei. Bis Jahresmitte, wenn die Hauptversammlungen der Aktionäre stattfinden, soll die Regierung daher „den Austausch der Fachminister und Vizepremiers gegen unabhängige Direktoren herbeiführen“.

Es geht dabei um etwa 40 Beamte und Politiker, die die Regierung in die Kontrollgremien staatsnaher Unternehmen entsandt hat. Fast ausnahmslos Männer, denen Premierminister Wladimir Putin schon seit gemeinsamen KGB-Tagen vertraut und die er nach seiner Wahl zum Präsidenten 2000 mit lukrativen Controller-Jobs versorgte, um sich deren Loyalität zu erhalten. Allen voran Vizepremier Igor Setschin, Russlands graue Eminenz, der als Vizechef des Präsidentenamtes auch die Zerschlagung und Quasi-Verstaatlichung von Michail Chodorkowskis Ölgiganten Jukos managte. Als Putin 2008 Regierungschef wurde, bekam Setschin den Job des für Energie zuständigen Vizepremiers und übernahm auch den Vorsitz im Aufsichtsrat des staatlichen Ölkonzerns Rosneft. Eben dieser hatte bei einer umstrittenen Auktion über Strohmänner auch die Filetstücke von Jukos an sich gebracht.

Vor allem Setschin meldete bereits verklausulierten Protest gegen Medwedews Vorhaben an. Solange es keinen direkten Erlass gebe, so ein Sprecher, werde sich niemand aus der Beamtenschaft aus den Staatskonzernen zurückziehen. Putin, den Medwedew persönlich für die Ernennung unabhängiger Controller verantwortlich machte, äußerte sich bisher mit keiner Silbe zu dem neuesten Emanzipierungsversuch seines politischen Ziehkindes. Kritische Beobachter sprechen von einem neuen Riss im Tandem Präsident-Premier.

Putin hatte Medwedews eher prowestliche Position in der Libyen-Krise öffentlich scharf kritisiert, der Kremlchef seinen Mentor mit Plänen für die Abschaffung der Wehrpflicht und einem Entwurf zur Entstalinisierung der Gesellschaft verärgert. Das Papier sieht die Entlassung von Beamten vor, die die Verbrechen der Stalin-Zeit leugnen. Eine Minderheit von Experten dagegen sieht in Medwedews Angriff auf Putin und dessen Vertraute eine taktische Finte: Beide wollten am Vorabend der Präsidentenwahlen im März 2012 mit scheinbar unterschiedlichen Positionen möglichst viele Wähler ansprechen und diese dann auf einen gemeinsamen Kandidaten einschwören. Womöglich auf einen Dritten, der ihre Interessen wahrnimmt. Genau das nämlich wünschte sich erst kürzlich die Mehrheit der Russen bei einer Umfrage staatsnaher Meinungsforscher. Besonders kühne Propheten jonglieren bereits mit Namen. Darunter Sergej Sobjanin, der derzeit als Oberbürgermeister von Moskau versucht, sich den Ruf eines effizienten Managers aufzubauen.

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