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Gemeinsam in die Zukunft blicken: Angela Merkel und Benjamin Netanjahu.

© AFP

Merkel in Israel: Einig in Uneinigkeit

Die israelisch-deutschen Regierungskonsultationen brachten kaum eine Annäherung und schon gar keine Einigung in den zwei brennenden politischen Kernproblemen: Der israelischen Siedlungspolitik und der Verhinderung der iranischen Atomrüstung.

Neben sechs Abkommen zur Kooperation zwischen beiden Ländern und vielen schönen Worten haben die fünften israelisch-deutschen Regierungskonsultationen in Jerusalem nicht viel gebracht. Es gab keine Annäherung bei den beiden brennenden politischen Kernproblemen Israels – der Siedlungspolitik des Landes und der Verhinderung der iranischen Atomrüstung.

Die Körpersprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel während der gemeinsamen Pressekonferenz mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte am Dienstag mehr aus als alle guten Worte über Freundschaft und Kooperation, die beide vorbrachten. Ohne dass sie es diesmal gesagt hätte, trifft eine frühere Feststellung Merkels auch nach diesem Treffen nach wie vor zu. Man sei sich einig, dass man uneinig sei – in Bezug auf die israelischen Siedlungen im besetzten palästinensischen Westjordanland.

Einig sind sich beide Seiten hingegen darin, dass sie die iranische Atomrüstung verhindern wollen: Teheran darf nach der Auffassung Israels und Deutschlands keine militärische Atommacht werden. Zudem soll verhindert werden, dass der Iran mit seinen Langstreckenraketen zur Bedrohung Israels, Europas und der USA wird. Netanjahu gab offen zu, dass er mit seiner Taktik, die auf ein totales Verbot atomarer Aktivitäten des Iran abzielte, international nicht durchgedrungen sei. Merkel verteidigte Deutschlands Linie, sich an den Atomgesprächen mit dem Iran zu beteiligen. Verhandlungen seien besser als der jetzige Stand der Dinge, erklärte die Kanzlerin.

Merkel glaubt, dass das Problem der Siedlungsaktivitäten überwunden werden kann

Der Besuch Merkels und fast der gesamten Bundesregierung – der besonders kritische Vizekanzler Sigmar Gabriel blieb aus „gesundheitlichen Gründen“ in Berlin – hätte aus Sicht der israelischen Regierung vor allem aus zwei Gründen nicht zu einem günstigeren Zeitpunkt erfolgen können. Bei den fast festgefahrenen israelisch-palästinensischen Verhandlungen hat es Netanjahu geschafft, den vermittelnden US-Außenminister John Kerry zu überzeugen, dass zumindest derzeit nicht die israelischen Siedlungsaktivitäten das Haupthindernis darstellen, sondern die Weigerung der Palästinenserführung, Israel als Nationalstaat der Juden anzuerkennen. Deshalb hofft Netanjahu, dass die EU nun vermehrt Druck auf Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ausüben wird. Merkel war aber auch zusätzlich besonders willkommen als kompromisslose Vorkämpferin gegen einen internationalen Boykott Israels, der sich flächenbrandartig auszudehnen droht. „Das ist für Deutschland keine Option.“ Mit diesen Worten erteilte Merkel internationalen Boykott-Aufrufen als Reaktion auf die umstrittene Siedlungspolitik Israels eine Absage.

Die Kanzlerin wies allerdings auch deutlich auf den Widerspruch zwischen Netanjahus Zustimmung zu einer Zwei-Staaten-Lösung und dem anhaltenden Siedlungsbau hin. Es gelte nicht nur, für „zwei Staaten für zwei Völker“ und Israels berechtigte Sicherheitsinteressen einzutreten, sagte Merkel. Vielmehr müsse auch die territoriale Einheit des westjordanischen Teils des künftigen Staates Palästina eingefordert werden, was Israel nicht nur aus Merkels Sicht mit seiner Siedlungspolitik verhindert. Aber der Gast aus Berlin machte in diesem Zusammenhang auch eine bemerkenswert optimistische Schlussfeststellung: Zwar sei sie beunruhigt über die Siedlungsaktivitäten, sagte Merkel. Doch „dieses Problem kann überwunden werden“. Allerdings sagte sie nicht, ob das mit dieser israelischen Regierung möglich ist.

Leidet Gabriel am Bennettschen Syndrom?

Das spannendste Treffen im Rahmen der israelisch-deutschen Regierungskonsultationen fiel allerdings aus. Vizekanzler Sigmar Gabriel hätte in seiner Funktion als Wirtschaftsminister seinen israelischen Amtskollegen Naftali Bennett treffen sollen. Doch Gabriel blieb zu Hause in Berlin. Gabriel ist keineswegs der erste Wirtschaftsminister auf der Welt, der den religiösen Ultranationalisten nicht treffen will. Etliche seiner Amtskollegen wichen dem Chef der Partei „Das Jüdische Haus“ in dessen erstem Amtsjahr aus. Mit gutem Grund: Der clevere Hightech-Multimillionär legt sich regelmäßig nicht nur mit den tatsächlichen Widersachern Israels an. Auch durchaus freundlich gesinnte Ausländer werden Ziel seiner Kritik, wenn sie es wagen, Israels Siedlungspolitik anzuzweifeln oder gar zu kritisieren. Bennett versteht sich als Frontmann der Siedlerbewegung und ist als solcher auch lautstarker Gegner der Zwei-Staaten-Lösung. Von seiner Haltung lässt er sich auch nicht dadurch abbringen, dass die Regierung, der er angehört, das Zwei-Staaten-Szenario befürwortet.

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