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Dietmar Bartsch

© Jens Büttner/dpa

Messerattacke in Wismar: Zweifel an der Darstellung der Linkspartei

Die Linkspartei sprach von einem Mordanschlag. Doch nach der Messerattacke gegen einen Politiker in Wismar gibt es Zweifel an dieser Darstellung.

Von Matthias Meisner

Für viele passte diese Nachricht ins gängige #Kaltland-Bild. Eine Mitteilung, "deren Anlass es besser nicht gegeben hätte", veröffentlichte der Schweriner Kreisverband der Linkspartei am späten Dienstagabend auf seiner Facebook-Seite. Demnach wurde das 18-jährige Schweriner Kreisvorstandsmitglied Julian Kinzel am Montagabend in Wismar Opfer einer Messerattacke.

"Die drei Täter schlugen ihn nieder und stachen, nach Aussage der behandelnden Ärzte, mit einem Messer etwa 17 mal auf ihr Opfer ein", hieß es in der Mitteilung. Dabei sei Kinzel als "schwule Kommunistensau" beschimpft worden. "Dies und die Bekleidung eines der Täter mit szenetypischer Bekleidung (Thor Steinar) nähren den Verdacht, dass es sich um eine rechtsextremistisch motivierte Straftat handelt", sagte der Kreisvorsitzende Peter Brill.

Für die Bundes-Linke wurde der Fall sogar zum "Mordanschlag". "Wir sind geschockt", erklärte die Partei am Mittwoch auf Twitter. Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn erklärte: "Der aktuelle Fall belegt auf traurige Weise einmal mehr, wie gefährlich und menschenverachtend Rechtsextremismus ist." Auch Dietmar Bartsch, Chef der Linksfraktion im Bundestag, verurteilte die Tat "auf das Schärfste" und erklärte, dass die Linke in ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus nicht nachlassen werde. Parteichefin Katja Kipping sagte: "Der Messerangriff ist abscheulich und auch ein Angriff auf die Demokratie."

Inzwischen gibt es Zweifel an der Darstellung von Linkspartei und Opfer. Das berichtet der NDR, dessen Reporter Kinzel zufällig angetroffen habe, als er gerade von der Polizei kam, wo er seine beschädigte Kleidung abgegeben hatte. Der 18-jährige Student schilderte dann vor der Kamera den angeblichen Ablauf des Überfalls. "Auf den ersten Blick klang die Aussage plausibel", heißt es im NDR-Bericht. "Er hat dem Reporter den Tatort gezeigt und einen Teil seiner Verletzungen - am Arm und eine kleine unterhalb des Halses."

Messerangriff bei Art der Wunden "äußerst unwahrscheinlich"

Aber, so der Sender weiter: "Die Wunden am Arm sind das Problem, sie zeigen Schnitte, die kreuz und quer über den Unterarm laufen. So steht es auch im Patientenbrief aus der Notaufnahme: Multiple Schnittverletzungen. Kinzel sagt, er habe sich gewehrt, mit dem Arm das Messer abgewehrt. Seine dicke Winterkleidung habe ihn vor tieferen Schnitten bewahrt."

Vorsichtig formuliert der NDR dann weiter: "Der NDR-Reporter zeigte die Aufnahmen aus dem Nordmagazin-Beitrag einer befreundeten Gerichtsmedizinerin aus einem anderen Bundesland. Ihre Antwort ist nicht als Gutachten zu verstehen und bezieht sich nur auf den Blick auf die Filmaufnahme. Die Medizinerin sagte, es sei äußerst unwahrscheinlich, dass ein solches so gleichmäßiges und oberflächliches Wundbild nach einem mit dem dick bekleideten Arm abgewehrten Messerangriff entstehe." Der Sender schlussfolgert: "Die vom NDR-Reporter zusammengetragenen Informationen deuten darauf hin, dass es zumindest bei einem Teil der Darstellungen des Opfers und seiner Partei sehr begründete Zweifel geben kann."

Bereits am Mittwoch hatte die Sprecherin des Rostocker Polizeipräsidiums, Isabel Wenzel, den Fall als "etwas nebulös" bezeichnet. Sie bezog sich darauf, dass Kinzel erst verspätet am Dienstagnachmittag Anzeige erstattet hat - und das auch nicht persönlich auf einer Polizeistation, sondern über die Internetwache. Auch das Krankenhaus, das den jungen Mann am Montag behandelte, meldete den Vorfall nicht an die Polizei.

Wenzel sagte am Mittwoch, die Ermittler müssten die Lücke wegen der verspäteten Anzeige nun "mühevoll schließen". Es gebe zudem noch Klärungsbedarf, da die von der Partei kommunizierten Informationen und die in der Anzeige genannten Fakten nicht deckungsgleich seien.

Bartsch: "Ich kenne den jungen Mann sehr gut. Klug und ehrlich"

Linksfraktionschef Bartsch, der seinen Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern hat, nahm Kinzel gegen die Verdächtigungen in Schutz. Er sagte am Sonntag dem Tagesspiegel: "Der Staatsschutz ermittelt. Von den Ermittlern werden die Zweifel nicht bestätigt. Ich kenne den jungen Mann sehr gut. Klug und ehrlich."

Der Schweriner Linken-Kreisvorsitzende Brill, der noch am Mittwoch bereitwillig Auskünfte zum Ablauf der Geschehnisse gegeben hatte, ist inzwischen weniger gesprächig. "Wir können es kurz machen", sagte er am Sonntag dem Tagesspiegel. "Alles, was wir zu sagen hatten, haben wir gesagt. Es gibt zur Zeit keine weiteren Wortäußerungen - weder von Herrn Kinzel noch von irgendjemand anderem."

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