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Politik: Nach Kritik entlassen

Warum Russlands Senatschef gehen muss

Moskau - Der russische Staatschef Dmitri Medwedew brachte es auf den Punkt: Irgendwann gehe jede politische Karriere zu Ende, sagte er auf seiner Pressekonferenz am Mittwoch. Auch die des Präsidenten. Den Fragesteller indes trieb nicht die Sorge um die Zukunft des Kremlchefs um, sondern um die von Senatspräsident Sergej Mironow – eine berechtigte Sorge. Kurz darauf schob der Kreml-Pressedienst dem Präsidenten Medwedew eine Eilmeldung zu: Das Stadtparlament von St. Petersburg, das Mironow einst als seinen Interessenvertreter in das Oberhaus entsandt hatte, entzog dem Senatschef die Vollmachten.

Sein Nachfolger wird am kommenden Mittwoch gewählt. Als chancenreichster Anwärter gilt Sergej Schojgu, Russlands oberster Katastrophenschützer und der mit Abstand beliebteste Minister. Er genießt auch das Vertrauen von Premier Wladimir Putin und ist einer der Gründerväter der Vorläuferin von dessen Partei „Einiges Russland“.

Beobachter überraschte weder Mironows Entlassung noch die Nachfolgeregelung. Angesichts nahender Wahlen wolle Putin das dritthöchste Staatsamt in zuverlässigen Händen sehen, hieß es. Denn Mironow ist Chef von „Gerechtes Russland“, einer Partei, die Polit-Technologen aus dem Präsidialamt 2006 mit Blick auf die kommenden Parlamentswahlen als pseudo-oppositionelles, linkes Pendant zu den Einheitsrussen geschaffen hatten, um die Kommunisten zu schwächen. Doch Zauberlehrling Mironow entglitt zunehmend der Kontrolle seiner Meister.

Mironow hatte bei einer Kundgebung von „Gerechtes Russland“ Putins Heimatstadt St. Petersburg als korrupteste Stadt in ganz Russland bezeichnet und die mit Putin befreundete Oberbürgermeisterin Valentina Matwijenko persönlich angegriffen. Vor allem aber weigerte er sich, seine „Gerechten Russen“ der „Allrussischen Volksfront“ als Hilfstruppe zur Verfügung zu stellen, Putins neuer Sammlungsbewegung. Sie soll ihm bei den Duma-Wahlen im Dezember die nötigen Mehrheiten organisieren und damit den Weg zurück in den Kreml freimachen. Im kommenden Jahr wird in Russland ein neuer Präsident gewählt.

Die Rechnung könnte trotz Mironows Widerstand aufgehen. Denn seine Partei ist auf dem besten Weg, sich zu spalten. Besorgt um Mandat und Pfründen, sucht ein Teil sein Heil in der Flucht zu „Volksfront“ und „Einiges Russland“. Die andere Hälfte steht in Treue zu Mironow und hofft, der werde den Neustart als linkssozialistische „echte“ Oppositionspartei hinbekommen. Elke Windisch

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