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Begrüßung per Handschlag: Minister de Maizière und ein Freiwilliger. Foto: pa/dpa

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Politik: Opposition sieht Freiwilligenkonzept der Bundeswehr schon am Ende 13 Prozent der Neuen haben die Truppe seit Juli bereits wieder verlassen

Berlin - Per Handschlag hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die ersten Freiwilligen in der Berliner Julius-Leber-Kaserne begrüßt. Er rühmte Anfang Juli die Bereitschaft der jungen Männer und Frauen, ihrem Land dienen zu wollen.

Berlin - Per Handschlag hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) die ersten Freiwilligen in der Berliner Julius-Leber-Kaserne begrüßt. Er rühmte Anfang Juli die Bereitschaft der jungen Männer und Frauen, ihrem Land dienen zu wollen. Doch die Freude über die neue Wehrform währte nur kurz.

3419 freiwillig Wehrdienstleistende begannen vor einem Monat ihren Dienst – 440 davon haben nach Angaben des Bundeswehrverbands Ost und der Politik die Truppe bereits schon wieder verlassen. Das Bundesverteidigungsministerium dementierte das nicht – wollte selber aber keine Zahlen nennen. Eine erste Evaluation werde im Oktober stattfinden, endgültig könne das Ministerium erst im Dezember Angaben machen, da so lange die Probezeit dauern würde, sagte ein Sprecher. Die Probezeit sei eben auch dazu da, dass beide Seiten sich voneinander trennen könnten.

Die Opposition sieht das ganz anders. „Innerhalb eines Monats rund 13 Prozent der Freiwilligen zu verlieren, das ist schon heftig“, kritisiert Hans-Peter Bartels, Verteidigungsexperte der SPD im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Es wird gesagt, dass früher ähnlich viele junge Leute gegangen sind. Das ist Unsinn – Wehrdienstleistende konnten nicht einfach gehen, die mussten nachträglich den Kriegsdienst verweigern. Das war kein wirklicher Spaß.“

„Die Abbruchquote ist jetzt schon höher als bei der Wehrpflicht, das ist bedenklich“, sagt auch Agnieszka Malczak von den Grünen. Sie fordert die Bundeswehrführung auf, genau zu prüfen, „warum so viele Freiwillige bereits wieder gegangen sind“. Die Spitze der Armee müsse schnell aktiv werden. „Aussitzen kann sie das Problem nicht“, sagte Malczak. Schuld sei aber die Bundesregierung. Schließlich hätten die Streitkräfte zu wenig Zeit bekommen, den freiwilligen Dienst besser vorzubereiten.

Bartels bemängelt handwerkliche Mängel. So gebe es keine festen Dienstposten für die Freiwilligen, das sei ein Fehler. „Denn wer vorher weiß, wozu die Mühe der Grundausbildung gut ist, der bleibt eher dabei.“ Er habe in den vergangenen Wochen viele Standorte besucht und immer wieder gefragt, wie vor Ort die Freiwilligen eingeplant werden. „Meist lautet die Antwort, dass wenn Freiwillige kommen, schon eine Aufgabe gefunden wird“, sagt Bartels. „So geht das nicht.“

Auch Malczak von den Grünen fordert, dass den Freiwilligen „vor Dienstantritt klar gemacht wird, was sie erwartet“. Sie kritisiert die Umsetzung des Konzepts durch die schwarz-gelbe Regierung – der erste Test sei misslungen.

Bartels sagt, dass der klassische Mannschaftdienstgrad, der auch in den Auslandseinsatz geschickt werden könne, weiterhin in der Truppe gebraucht werde. „Nun müssen Soldaten auf Zeit viele Aufgaben übernehmen, die vorher Wehrdienstleistende übernommen haben. Das belastet die Personalplanung, denn die Stellen fehlen dann woanders.“

Die SPD habe das Konzept der Regierung von Anfang an kritisiert – und deswegen im Bundestag auch nicht zugestimmt. „Man konnte gleich sehen, dass das so nicht funktionieren wird“, sagt Bartels. „Unsere Befürchtung, dass das Konzept eine Fehlkonstruktion ist, hat sich bestätigt.“ Und so überraschte den SPD-Politiker auch nicht, dass weniger Freiwillige kamen, als geplant war. Die Außenwerbung der Bundeswehr wirke unbeholfen: „So wie die Bundeswehr momentan die Rekrutierung angeht, wirkt es, als ob die Armee in einer tiefen Krise steckt. Ein selbstbewusstes Auftreten kann man aber auch nicht von einer Truppe verlangen, deren neue Reformen beginnen, bevor die alten abgeschlossen sind. Die Soldaten wissen einfach nicht, wohin die Reise geht.“

Die Bundeswehr sollte das Potenzial, das sie hat, besser nutzen. „Warum wirbt sie nicht mit ihren ausgezeichneten Ausbildungswerkstätten?“, fragt Bartels. „Sie könnte den Bewerbern eine gute Lehre anbieten – im Anschluss daran müssten diese dann noch einige Jahre als Zeitsoldat dienen.“ Die Erfahrungen anderer Streitkräfte, die ebenfalls die Wehrpflicht abgeschafft haben, seien vom Verteidigungsministerium nicht berücksichtigt worden, kritisiert Bartels weiter.

Er sieht das Freiwilligenkonzept der Regierung bereits nach einem Monat am Ende. „In der neuen Struktur der Bundeswehr spielen die Freiwilligen keine tragende Rolle mehr. Es sieht so aus, als ob das Modell nicht lange bestehen wird“, sagt der SPD-Politiker. „Ich glaube, die Bundesregierung hat das Konzept bereits kaputt gemacht. Für de Maizière wäre das Scheitern des Freiwilligenkonzepts schon ein Imageschaden.“

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