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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach seiner Stimmabgabe im nordfranzösischen Le Touquet.

© Thibault Camus/AP/dpa

Parlamentswahl in Frankreich: Die Revolution setzt sich fort

Frankreichs Wähler erlauben den Durchmarsch von Macrons Kandidaten bei der Parlamentswahl - eine logische Folge des Versagens von Konservativen und Sozialisten in der Vergangenheit. Ein Kommentar.

Révolution – so lautet der Titel von Emmanuel Macrons Wahlkampf-Fibel, mit der er den Franzosen vor der Präsidentschaftswahl seine Vision vom Umbau des Landes darlegte. Was sich bei den Parlamentswahlen in Frankreich gerade abspielt, ist tatsächlich eine Revolution: Wie schon bei der Präsidentschaftswahl werden die althergebrachten Parteien weggefegt. Ihren Platz nehmen die Bewerber des Staatschefs Macron ein. Es sind Kandidaten, deren Bewegung vor einem Jahr kaum jemand kannte. Frankreich erlebt im Zeitraffer einen Epochenwechsel, der in Europa seinesgleichen sucht.

Wie stark die Kandidaten von Macrons Partei „La République en Marche“ bei der Abstimmung über die Nationalversammlung genau abschneiden, wird sich endgültig erst bei der zweiten Runde am kommenden Sonntag entscheiden. Aber bereits nach dem ersten Wahlgang zeichnet sich ab, dass sie eine absolute Mehrheit erringen dürften. Damit vollenden Macrons Kandidaten den Abriss des alten Systems, der sich bei der Präsidentschaftswahl schon abzeichnete. Dabei hatte es vor einem Monat noch so ausgesehen, als würden die Franzosen bei der Parlamentswahl in ihr altes Politikmuster zurückfallen und im großen Stil wieder zu den altbekannten Parteien zurückkehren.

Wähler ersparten sich Rückfall ins alte Politik-Muster

Doch der Ausgang der ersten Runde zeigt, dass die Wähler sich und ihrem Präsidenten einen politischen Rückfall erspart haben. Sie haben erkannt, dass die in den letzten Jahrzehnten abwechselnd regierenden Sozialisten und Konservativen gemeinsam für den Reformstau verantwortlich sind, der einen wirtschaftlichen Aufschwung verhindert. Offenbar herrschte in breiten Wählerschichten das Kalkül: Wenn wir schon Macron zum Präsidenten gemacht haben, dann verschaffen wir ihm auch im Parlament die nötige Mehrheit zum Regieren.

Sozialisten werden zur Randgröße

Besonders hart werden von der Machtverschiebung die Sozialisten getroffen – sie sind zur Randgröße geschrumpft. Möglicherweise hat der ehemalige Premierminister Manuel Valls Recht mit seiner Prognose, dass die einstige stolze Regierungspartei inzwischen politisch tot ist. Macron sollte sich aber nicht allzu sehr darüber freuen, dass er im Parlament – abgesehen von den konservativen Republikanern – voraussichtlich keine nennenswerte Opposition mehr hat. Denn der Widerstand, der ansonsten in der Nationalversammlung angesichts seiner angekündigten Reformprojekte zu erwarten wäre, könnte sich auf die Straße verlagern. Und dort führen in der Regel die radikalen Reformverweigerer das Wort.

Schwache Wahlbeteiligung zeigt: Reformmandat für Macron ist ausbaufähig

Zu denken geben sollte dem neuen Präsidenten auch die schwache Wahlbeteiligung. Wie schon in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl zeigt sich: Macron hat zwar ein mehrheitliches Reformmandat, aber das Fundament in der Wählerschaft ist noch ausbaufähig. Der große Anteil der Nichtwähler mag angesichts einer gewissen Lethargie nach einem monatelangen Wahlmarathon mit den Vorwahlen in mehreren Parteien und der anschließenden Präsidentenkür nachvollziehbar sein, die naturgemäß eine viel größere Bedeutung hat als die Abstimmung über die Nationalversammlung. Aber soll das Parlament künftig zum reinen Abnickverein für Macrons Vorschläge werden? Eine Dosis Verhältniswahlrecht könnte in Frankreich da nicht schaden – selbst auf die Gefahr hin, dass der rechtsextreme Front National künftig durch ein paar Abgeordnete mehr im Parlament vertreten wird.

Macrons Bewährungsprobe kommt im Sommer

Unterm Strich geht von dieser Wahl dennoch eine positive Botschaft aus. In unserem Nachbarland ist nämlich ein Veränderungsprozess in Gang gekommen, der Europa nur guttun kann. Das Feld, auf dem sich Macron zunächst bewähren muss, ist die Innenpolitik. Wenn es ihm im Sommer gelingt, eine Reform des Arbeitsrechts zu verabschieden, ohne die Gewerkschaften auf die Barrikaden zu treiben, dann hätte er schon seine erste Bewährungsprobe bestanden.

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