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Bläst zur Aufholjagd. Martin Schulz auf dem Parteitag der Sozialdemokraten in Dortmund.

© AFP

Parteitag und Wahlprogramm: Warum die SPD sich Respekt verdient hat

Die SPD liefert und liefert, ein Programm mit Rentenplan und Steuerkonzept, während die Partei der Kanzlerin, die CDU, zuschaut. Werden diese Konzepte funktionieren? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Von sich selbst gerührt zu sein, sich an sich selbst aufzurichten – das reicht für paar Stunden. Das ist Pathos für einen Tag. Nach dem Motto: Wer, wenn nicht wir, soll von sich selbst begeistert sein? Und das kann auch nötig sein, besonders für den, der dieser Aufrichtung bedarf. Zumal Politik in Parteien als Teil vom Ganzen ja immer auch Selbstvergewisserung in der Gemeinschaft ist. Besonders auf Parteitagen. So hat der sozialdemokratische Parteitag von Dortmund dann auch gewirkt.

Aber trägt das über den Tag hinaus? Die Zweifler überzeugen, die Wankelmütigen stabilisieren, die Zauderer antreiben – das alles muss jetzt für die Sozialdemokratie Antrieb sein. Gerade jetzt. Denn nur auf diesem Weg kann die „Aufholjagd“ beginnen, von der die Granden reden. Mal um Mal. Da wird ein Wort zum Mantra, geeignet zur Selbstsuggestion. Deshalb auch durfte Gerhard Schröder zu den Genossen sprechen: als der Meister der Selbstsuggestion. Ihm ist es immerhin einmal, bei seinem letzten Mal als Spitzenkandidat, um ein Haar gelungen, einen 23-Punkte-Rückstand wettzumachen. Es kann gelingen, das soll die Botschaft sein. In einer Lage wie jetzt.

Und womit soll es gelingen? Am besten, ja doch, mit Inhalten. Weil wahr ist, dass die Menschen, die Millionen Wähler, Orientierung suchen, sie wollen. Sie wollen wissen, warum der eine die Macht haben und die andere sie behalten will. Weil auch wahr bleiben muss, dass Macht kein Selbstzweck ist; jedenfalls nicht in der Demokratie. Und da kann ein Inhalt der Auseinandersetzung politischer Wettbewerber in der Tat auch sein, die Haltung zu den Erfordernissen der Demokratie zu klären.

Keine Demokratieverachtung

Die Verweigerung inhaltlicher Auseinandersetzung ist deshalb nicht gleich der Ausweis für „Demokratieverachtung“. Ein Angriff solcher Art, selbst in einem leidenschaftlichen Wahlkampf übers Maß hinaus, macht den Beweggrund unglaubwürdig, der zu ihm geführt hat. Denn was allerdings bleibt, ist die Folge der mangelnden Bereitschaft, sich an konkret gefassten Plänen und Zielen messen zu lassen. Sie schwächt die in der Gesellschaft vorhandenen antidemokratischen Tendenzen nämlich nicht – sie stärkt sie. Das darf man der amtierenden Bundeskanzlerin vorwerfen, da darf man eine Antwort von ihr verlangen.

Umso mehr, als die SPD liefert und liefert, ein Programm mit Rentenplan und Steuerkonzept, während die Partei der Kanzlerin, die CDU, zuschaut. Oder mit Hochmut auf dem Turm ihrer stolzen Umfrageergebnisse auf die anderen Parteien, besonders die SPD, herabblickt. Keine Herausforderung? Sie machen es Angela Merkel leicht? Nichts gesagt ist genug gemacht? Man kann durchaus wie die Sozialdemokraten meinen, dass die Wahlkampfstrategie der Merkel-Union wieder eine „asymmetrische Demobilisierung“ ist, wieder diese institutionalisierte Langeweile, der Vorsatz, das Land zur Wahl hin gleichsam zu sedieren, um weiter zu regieren. Dagegen anzugehen ist alternativlos nötig, weil es sonst der Aufgabe jedes Gestaltungsanspruchs gleichkäme. Aufbruch, der Nachweis geistiger Mobilität, bleibt zwingende Voraussetzung für eine Aufholjagd.

Dass also die SPD alles für eine künftige Regierung erledigt, sich Gedanken macht, eine Agenda 2030 entwirft, ist das eine. Dass die Union dann einfach so tut, als wäre das ihre – darin liegt die Gefahr eines Wahlkampfs, in dem die SPD sich aufführen muss, als komme sie aus der Opposition und solle nicht alles anders, aber es müsse vieles besser werden. Weil sie damit Merkel und Co. die Möglichkeit lässt, die gemeinsamen Erfolge in der gegenwärtigen Regierung für sich, für ihre Führung zu reklamieren.

Woran die SPD sich aufrichten kann? An einem Politikentwurf, für den man sich begeistern kann, einen mit: Rücksicht. Empathie. Sozialität. Pragmatismus. Entwicklung. Korrektur. Temperament. Kurz: Wer Respekt einflößt, verdient ihn sich dann auch. Wie die SPD in diesen Stunden, für diesen Tag.

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