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Putin kommt nach Berlin: Merkel sollte sich kein X für ein U vormachen lassen

Wladimir Putin besucht die Kanzlerin. Von ihrem Urteil wird nicht zuletzt abhängen, ob es eine Annäherung an Russland gibt oder neue Sanktionen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Angela Merkel trifft Wladimir Putin – das ist doch mal eine gute Nachricht im Wust der vielen schlechten. Wenn einer oder eine mit dem Kremlherrn reden kann, dann die Bundeskanzlerin. Erstens spricht und versteht sie Russisch, das heißt, Gospodin P. kann ihr nirgendwo ein X für ein U vormachen, was in dieser brandheißen weltpolitischen Lage sehr wichtig ist. Zumal umgekehrt Putin Deutsch spricht und versteht. (Wie gut, davon könnten seine Dolmetscher erzählen, wenn sie dürften und nicht fürchten müssten, anschließend nach, sagen wir, Sibirien versetzt zu werden.) Zweitens ist Mamotschka Merkela diejenige, die immer noch die höchste Reputation bei Putin hat.

François Hollande, der bei dem Treffen im „Normandie-Format“ dabei ist, hat sie mit seinen selbstgefälligen Schwätzereien und Urteilen über andere gewiss endgültig verspielt. So einen nimmt der kühle, immer kalkulierende, nüchterne russische Präsident nicht für voll. Und Petro Poroschenko – nun, der Ukrainer ist einer, der Putin nicht auf Augenhöhe begegnet. Er macht sich immer größer, als er ist. Dennoch ist wichtig, dass er da ist, wenn es um die Ukraine geht, um den fast vergessenen Krieg am Rande Europas.

Deutschland ist als Mittler und Makler gefragt

Das bisher letzte Vierertreffen dieser Art fand im Oktober 2015 in Paris statt. Eine Neuauflage dort scheiterte kürzlich an der Absage Putins. Merkel wiederum war zuletzt im Mai 2015 – nach der Annexion der Krim – in Moskau. Die erste Zusammenkunft der drei Staatschefs mit der Regierungschefin hatte im Juni 2014 stattgefunden, in der Normandie.

Angela Merkel und Wladimir Putin im Mai 2015 in Moskau.
Angela Merkel und Wladimir Putin im Mai 2015 in Moskau.

© REUTERS

Selbstverständlich wird in Berlin auch die Situation in Syrien diskutiert werden. Auch dort ist Russland beteiligt, ja mit entscheidend für die Lösung. Und Deutschland, die „nachdenkliche Macht“, wie es Außenminister Frank-Walter Steinmeier definiert hat, in seiner Funktion als Mittler, Makler, Unterhändler mehr denn je gefragt. Putin hat die USA, voran Barack Obama, gewogen und für zu leicht befunden: zu viele Worte statt Taten.

Von Merkels Urteil nach dem Treffen wird nicht zuletzt abhängen, ob es Annäherungen gibt oder neue Sanktionen, darunter für die Lieferung von Technik, die die russische Wirtschaft weiter lähmen würden. Für die deutsche ist das alles auch schwierig, aber Moral lässt sich nicht kaufen oder verkaufen.

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