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Einer der Verdächtigen im Mordfall Boris Nemzow

© EPA/Yuri Kochetkov

Russland: Verdächtige im Mordfall Boris Nemzow möglicherweise gefoltert

Russische Menschenrechtler haben Zweifel am Geständnis des Hauptverdächtigen für den Mord am Kremlkritiker Boris Nemzow. Die Aussagen könnten unter Folter entstanden sein. Der Inhaftierte habe zahlreiche Verletzungen.

Zwei Verdächtige im Mordfall des Kremlkritikers Boris Nemzow sind einem russischen Menschenrechtler zufolge möglicherweise bei Vernehmungen gefoltert worden. Bei einem Besuch im Gefängnis habe er bei den Männern Schürfwunden gesehen, die einen ausreichenden Folterverdacht nahelegten, teilte Andrej Babuschkin, Mitglied der Menschenrechtskommission beim Kreml, am Mittwoch in Moskau mit.

Der Chef der Gefangenenkommission, Anton Zwetkow, forderte eine Prüfung. Die Männer, darunter der geständige Hauptverdächtige Zaur Dadajew, behaupteten, mit Baseballschlägern und Stromschlägen gefoltert worden zu sein. Die Blutergüsse und Schrammen könnten aber auch von der Festnahme stammen, sagte Zwetkow.

"Es gibt Grund zu der Annahme, dass Zaur Dadajew unter Folter gestanden hat", sagte Babuschkin der Nachrichtenagentur AFP. Dadajew bezeichne sich als "unschuldig".

Keine eindeutigen Belege

Der Tschetschene, ein früherer Vize-Kommandeur einer tschetschenischen Polizeispezialeinheit, weise "zahlreiche Verletzungen" auf, sagte Babuschkin, der Dadajew in seiner Gefängniszelle besucht hatte. Außerdem seien an den Hand- und Fußgelenken von Handschellen verursachte "Abschürfungen" zu erkennen; auch Finger und Zehen seien verletzt. "Wir können nicht bestätigen, dass er gefoltert wurde, aber wir haben zahlreiche Verletzungen an seinem Körper entdeckt", sagte Babuschkin.

Der 31 Jahre alte Dadajew habe ihm und einer begleitenden Journalistin und Menschenrechtsaktivisten bei dem Haftbesuch erzählt, dass er nach seiner Festnahme "zwei Tage, in Handschellen und mit einem Stoffsack über dem Kopf" verbringen musste. "Man hat mich die ganze Zeit angeschrien: 'Du hast Nemzow getötet?' Ich habe 'nein' geantwortet", zitierte Babuschkin den Inhaftierten.

Zweifel an Geständnis

Dadajew habe weiterhin angegeben, zusammen mit einem früheren Kollegen in der Kaukasusrepublik Inguschetien festgenommen worden zu sein. Die Ermittler hätten ihm die Freilassung seines Freundes versprochen, wenn er gestehe. "Ich habe eingewilligt. Ich dachte, ich würde ihn retten und sie würden mich lebend nach Moskau bringen. Ich dachte, sie würden mich nach Moskau bringen und ich wäre imstande, dem Gericht die volle Wahrheit zu sagen", zitierte Babuschkin weiter aus dem Gespräch mit dem Häftling.

Der Oppositionspolitiker Nemzow war am 27. Februar in Moskau von einem Unbekannten erschossen worden. Wenige Tage später nahm die Polizei fünf Verdächtige aus dem islamisch geprägten Nordkaukasus fest. Weggefährten Nemzows zweifeln aber an einem religiösen Motiv.

Der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ zufolge sollen die Hintermänner der Tat in höheren Sicherheitskreisen der Teilrepublik Tschetschenien sitzen. Demnach soll ein mutmaßlicher Major einer Spezialeinheit, zu der einer der Verdächtigen gehörte, der „wahrscheinliche Organisator“ sein. Für „Nowaja Gaseta“ hatte die 2006 ermordete Journalistin Anna Politkowskaja gearbeitet. (AFP, dpa)

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