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Politik: Schockvideo US-Soldaten sollen auf tote Afghanen uriniert haben. Die Taliban wollen trotzdem weiter verhandeln

Noch ist unklar, ob die Aufnahmen echt sind. Doch ein neues Schockvideo, das nun im Internet auftauchte, könnte in Afghanistan die Wut auf die Amerikaner noch weiter anfachen und den Riss vertiefen.

Noch ist unklar, ob die Aufnahmen echt sind. Doch ein neues Schockvideo, das nun im Internet auftauchte, könnte in Afghanistan die Wut auf die Amerikaner noch weiter anfachen und den Riss vertiefen. Der 39 Sekunden lange Clip zeigt offenbar vier US-Soldaten in Kampfmontur, die lachend auf die Gesichter von drei getöteten Afghanen urinieren. „Hab’ einen schönen Tag, Kumpel“, spottet einer der Soldaten dabei. Das Pentagon distanzierte sich in scharfer Form von der Tat. Das US-Militär leitete laut Medienberichten umgehend Untersuchungen ein. Afghanistans Regierung nannte den Vorfall „ungeheuerlich“.

Ob es sich bei den toten Männern um Militante oder um Zivilisten handelte, war anhand der Aufnahmen nicht sicher auszumachen. Eine Video-Unterschrift beschreibt die Soldaten allerdings als Mitglieder eines Scharfschützen-Teams aus Camp Lejeune im US-Bundesstaat North Carolina, und die Toten als Taliban. Das Pentagon zeigte sich schockiert. „Das ist ein ungeheuerliches Verhalten und inakzeptabel für jedes Mitglied der US-Streitkräfte“, sagte Sprecher John Kirby. Ihm habe sich „der Magen umgedreht“.

Es ist nicht der erste Skandal um Leichenschändung durch ausländische Soldaten in Afghanistan. Zuletzt machten im August Vorwürfe Schlagzeilen, ein britischer Soldat habe getöteten Taliban Finger abgeschnitten und als Souvenir behalten. Auch Bundeswehrsoldaten hatten vor einigen Jahren mit einem Totenkopf vor Kameras posiert. Britische Medien berichteten jüngst, dass britischen Soldaten sogar „Tötungs- Clips“ mit Jagdszenen auf Afghanen gezeigt werden, um sie zu desensibilisieren. Auf einem etwa sollen britische Piloten eine afghanische Frau unter Beschuss nehmen und sie als „Schlange mit Titten“ bezeichnen.

Erstaunlich war allerdings die Reaktion der Taliban auf das jüngste Skandalvideo. Zwar verdammten sie die Tat als „unmenschlich, unmoralisch und brutal“. Doch sie erklärten zugleich, dass das Video mögliche Gespräche mit den USA nicht gefährden werde. „Es ist nicht das erste Mal, dass wir solche Brutalität sehen“, sagte Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid. „Wir wissen, dass unser Land besetzt ist.“ Deshalb werde man die Gespräche nicht absagen. Dies nährt Hoffnungen, dass die Rebellen ernsthaft an Verhandlungen mit den USA interessiert sind, die bald beginnen sollen. Vor allem die Deutschen haben als Vermittler die Gespräche maßgeblich mit eingefädelt.

Der US-Sondergesandte für Afghanistan und Pakistan, Marc Grossman, will in wenigen Tagen in die Krisenregion reisen, um auch Afghanistans Präsidenten Hamid Karsai um Rückhalt zu bitten. Dabei geht es vor allem um das geplante Taliban-Büro in Katar. Karsai ist erbost, weil er sich von den USA bei den geheimen Verhandlungen außen vor gelassen fühlt. So hatten diese offenbar ohne Absprache mit Karsai ausgehandelt, dass die Taliban ein offizielles Vertretungsbüro in Katar eröffnen können. „Jeder Friedensprozess ohne Federführung von Afghanistans Regierung ist bedeutungslos“, sagte sein Sprecher.

Aus Ärger hatte Karsai deshalb jüngst verlangt, dass die Amerikaner die Kontrolle über das Gefangenenlager in Bagram im Norden Kabuls binnen nur eines Monats an seine Regierung übergeben – ebenso wie alle afghanischen Gefangenen. Medien werteten den Vorstoß als „neue dramatische Konfrontation“ mit Washington. Beobachter vermuten hinter Karsais Vorstoß einen Versuch, sich wieder die Verhandlungshoheit zu sichern. Mit der Kontrolle über die Gefangenen, darunter auch viele Taliban-Führer, wolle Karsai die Kontrolle über den Friedensprozess zurückerobern, meinten Analysten.

Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass die USA der Forderung nachkommen werden, Bagram binnen eines Monats zu übergeben. In dem Militärgefängnis, das auch als Afghanistans Guantanamo bezeichnet wird, sollen fast 3000 Menschen einsitzen, darunter hochrangige Milizenführer aus Afghanistan, Pakistan und auch anderen Ländern. Das Gefängnis gilt als wichtiger Bestandteil in der Nato-Strategie. So überstellt diese seit Sommer Gefangene, die sie als hochrangig einschätzt, nicht mehr in afghanische Gefängnisse, sondern schickt sie direkt nach Bagram.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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