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Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes Bruno Kahl hatte Russland bei eine Rede im November als "potenzielle Gefahr" bezeichnet.

© Foto: Tobias Hase/dpa

Selektive Informationsvermittlung: Bundesnachrichtendienst streute heimlich Russland-Kritik unter Medien

Die Auslandsaufklärung der Regierung lieferte ausgewählten Journalisten Vorab-Informationen, bevor BND-Präsident Kahl die russische Führung öffentlich scharf anging.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat Journalisten heimlich mit russlandkritischen Informationen und Einschätzungen versorgt, bevor BND-Präsident Bruno Kahl diese Mitte November in einer Rede öffentlich machte. Dies bestätigte der BND jetzt dem Tagesspiegel. Zu dem Thema hätten zuvor nicht öffentliche sogenannte Hintergrundgespräche mit ausgewählten Pressevertretern stattgefunden, hieß es. Einzelheiten dazu würden nicht bekannt gegeben: „Über Inhalte und Details dieser Gespräche, bei denen auch die Teilnehmer-Medien ihrerseits auf die Vertraulichkeit setzen, wird grundsätzlich keine Auskunft erteilt“, teilte der Nachrichtendienst mit.

Die Modernisierung der Streitkräfte sei "beunruhigend"

Kahl hatte Russland bei einem Auftritt bei der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung in München als „potenzielle Gefahr“ bezeichnet. Es sei davon auszugehen, dass sich Russland mit Cyber-Mitteln in den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf eingemischt habe. Das Land verfüge hier über „erhebliche Kompetenzen“. Die Modernisierung der Streitkräfte zu 70 Prozent bis 2020 sei „beunruhigend“. In den Medien wurde die Rede als Akt ungewohnter Öffentlichkeit gedeutet, da der BND sonst nur die Bundesregierung intern berate. Nunmehr steht fest, dass in der Rede enthaltene Informationen bereits im Vorfeld auch einem Kreis ausgewählter Journalisten zugänglich gemacht wurden.

Geheime Journalistengespräche gehören zur Regierungspraxis

Geheime Gespräche mit Journalisten gehören nicht nur zur Informationspraxis der Nachrichtendienste, sondern von Regierung und Bundesbehörden insgesamt. Die ausgewählten Pressevertreter verpflichten sich, die mitgeteilten behördlichen Informationen und Einschätzungen für sich zu behalten. Häufig fließen sie dennoch später in die Berichterstattung ein, meist jedoch ohne Nennung der staatlichen Quelle. Die Bundesregierung hält diese Art der Öffentlichkeitsarbeit für unentbehrlich. Details dazu, insbesondere zu Presserunden mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU), hält sie geheim.

Bundesverwaltungsgericht verlangt Transparenz

Auf eine Klage des Verfassers dieses Textes hat das Bundesverwaltungsgericht Ende Oktober in einem Eilverfahren einen Auskunftsanspruch für Journalisten festgestellt, die nicht zu den „Hintergrundgesprächen“ eingeladen sind. Wie weit er reicht, wird vom Leipziger Gericht in einem Hauptsachverfahren geklärt. Der „Bundespressekonferenz“ genannte Verein der politischen Hauptstadt-Korrespondenten sieht das juristische Vorgehen kritisch. Befürchtet wird, dass die Regierung die umstrittene Informationspraxis stoppen könnte.

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