zum Hauptinhalt
Teilnehmer der Sondierungsgespräche tagen in Berlin im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU Bundeszentrale.

© Michael Kappeler/dpa

Update

Sondierungsgespräche: Jamaika stockt bei Klimaschutz und Migration

Bei den Gesprächen zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen gibt es Fortschritte, aber auch Rückwärtsentwicklungen. Beim Thema Flüchtlinge blockiert offenbar nicht allein die CSU. Angeblich gibt es ein Kompromissangebot der Grünen.

Die Unterhändler von CDU, CSU, FDP und Grünen haben ihre Sondierungsgespräche über eine Jamaika-Koalition am Samstagabend ohne greifbare Ergebnisse unterbrochen. Besonders schwierig sind die Themen Klimaschutz und Migration.

Berichten zufolge haben die Grünen in der besonders umstrittenen Flüchtlingsfrage der CSU ein Kompromissangebot vorgelegt. Demnach soll die Zahl von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr als atmender Rahmen gelten. Die Grünen würden betonen, dass diese Zahl seit der Wiedervereinigung nur in fünf Jahren überschritten worden sei. Das berichteten das ARD-Hauptstadtstudio, die Agentur Reuters sowie der Parlamentskorrespondent der Tageszeitung "taz", Ulrich Schulte.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Dieses Angebot gelte aber nur, wenn sich auch die CSU bewege. Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus dürfe nicht - wie vor allem von der CSU gefordert - grundsätzlich ausgeschlossen werden. Die Grünen machen demnach aber auch klar, dass am Grundrecht auf Asyl nicht gerüttelt werden dürfe. Das Grundgesetz kenne keine Obergrenze. „Wir werden es weder infrage stellen noch aushöhlen“, heiße es in dem Vorschlag.

Grünen-Chefin Simone Peter hatte zuvor den ARD-Bericht auf Twitter dementiert: "Das ist schlichtweg falsch. Weder gibt es mit uns eine Obergrenze, noch die Zustimmung zur weiteren Aussetzung des Familiennachzugs."

Die FDP wolle nach Angaben aus Verhandlungskreisen ebenfalls ein "letztes Kompromissangebot" vorlegen, berichtete Reuters. Wer Arbeit habe, seine Familie ernähren könne und integriert sei, solle über das Einwanderungsgesetz einwandern und auch hierbleiben können.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Rückschritte bei Verhandlungen zum Klimaschutz

Bei der Diskussion über den Klimaschutz gab es nach Angaben von Peter am Samstag Rückschritte: „Das, was wirklich erfolgreich auf den Weg gebracht wurde, die Energiewende fortzuschreiben und einen relevanten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, zur Erreichung der Klimaschutzziele, das wurde teilweise wieder aufgemacht“, sagte Peter am Samstag vor der Berliner CDU-Zentrale. Dort saßen Union, FDP und Grüne zu Beratungen über eine Jamaika-Koalition zusammen. Man werde daher im Sinne des „Dreiecks Klimaschutz, Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit“ weiter sprechen. Es gehe teils vorwärts, teils aber auch rückwärts.

Nach dpa-Informationen besteht die FDP weiterhin darauf, die Kohleverstromung nur um drei bis fünf Gigawatt zu reduzieren. Die Grünen hatten zunächst acht bis zehn Gigawatt gefordert, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte ihnen sieben Gigawatt angeboten. Umstritten soll auch sein, ob die Einsparung aus Stein- oder Braunkohlekraftwerken kommen soll. Bei der Stromgewinnung aus Braunkohle entsteht mehr CO2.

„Wir als grüne Sondierungsgruppe haben klar den Kurs ausgegeben: Wir verhandeln, wir legen Vorschläge auf den Tisch, wir sind kompromissbereit“, sagte Peter.

Die Jamaika-Sondierer beendeten die Beratungen am frühen Abend. Verständigung gab es im Grundsatz bei Agrar und Wirtschaft. Die Verhandler treffen sich am Sonntagmorgen wieder. CSU-Chef Horst Seehofer rechnet noch mit längeren Schlussberatungen bei den Jamaika-Sondierungen am Sonntag. „Morgen um 18 Uhr wird die Veranstaltung nicht beendet sein“, sagte der bayerische Ministerpräsident.

FDP blockiert bei Migration

Am Samstagnachmittag hatten CDU, CSU, FDP und Grüne ihre Gespräche über ein mögliches Jamaika-Bündnis vorübergehend unterbrochen und zogen sie sich zu parteiinternen Beratungen über den Verhandlungsstand zurück.

Beim Streitthema Migration war zuvor nach Angaben aus Verhandlungskreisen der Familiennachzug für alle Flüchtlingsgruppen als Dreh- und Angelpunkt der Debatte.

Die Grünen wollen, dass der zur Zeit ausgesetzte Familiennachzug für Flüchtlinge mit sogenanntem subsidiären Schutz ab März 2018 wie geplant wieder erlaubt wird. Die Union will die Aussetzung dagegen verlängern, insbesondere die CSU fürchtet anderenfalls den Nachzug hunderttausender Menschen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), betonte am Samstag in der "Bild"-Zeitung, CDU und CSU seien geschlossen bei dem Thema. "Wir haben lange genug gebraucht, um diese gemeinsame Position zu erarbeiten. Nun haben wir sie. Jetzt setzen wir sie natürlich auch durch."

"Familiennachzug an sich findet ja statt in Deutschland", sagte Grosse-Brömer. "Es ist ja nicht so, dass wir keinen Familiennachzug haben." Daher stelle sich die Union "berechtigt die Frage", warum die Familie erst noch kommen müsse, wenn ein Flüchtling mit sogenanntem subsidiärem Schutzstatus möglicherweise "sowieso in wenigen Wochen und Monaten wieder in sein Heimatland zurückkehren kann?"

Allerdings verlaufen die Gräben in der Diskussion offenbar nicht allein zwischen Grünen und CSU. Der Tagesspiegel erfuhr aus Verhandlungskreisen, dass die FDP bei Fragen zum Familiennachzug blockiere, sobald die CSU Bereitschaft zu Eingeständnissen erkennen lasse. Jede minimale Bewegung würde von der FDP blockiert, hieß es. Nur nach außen wirkten die Liberalen kompromissbereit, verträten aber strikte Positionen, falls die CSU einknicke.

Geht es nach der Union und der FDP, finden ihre Forderungen kein Gehör: Flüchtlinge demonstrierten Anfang November vor dem Innenministerium in Berlin und forderten den Familiennachzug.
Geht es nach der Union und der FDP, finden ihre Forderungen kein Gehör: Flüchtlinge demonstrierten Anfang November vor dem Innenministerium in Berlin und forderten den Familiennachzug.

© Silas Stein/dpa

Der Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen und FDP-Chefunterhändler bei den Sondierungsgesprächen zum Thema Migration und Flucht, Joachim Stamp, blickte dennoch optimistisch auf die anstehenden Jamaika-Sondierungsgespräche am Wochenende. "Wenn Grüne und CSU sich ein Stück bewegen, könnten wir zu einer umfassenden Lösung für ein neues geordnetes Einwanderungssystem kommen", sagte Stamp dem "Handelsblatt" (Samstagsausgabe). "Die Chance sollte nicht vertan werden", mahnte er.

Wenige zehntausend Familienmitglieder

Die Grünen rechnen nur mit einigen zehntausend potenziell nachkommenden Familienmitgliedern. Nur wer seine Familie nach Deutschland holen könne, lasse sich gut integrieren, lautet ihr Argument.

Subsidiärer Schutz wird Menschen aus Krisengebieten gewährt, denen kein Asyl oder individueller Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention zuerkannt wird. Dieser etwas eingeschränkte Schutzstatus gilt unter anderem für viele Syrer. Die Aussetzung des Familiennachzugs läuft am 16. März kommenden Jahres automatisch aus. Eine Verlängerung müsste eigens beschlossen werden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Für alle anerkannten Asylbewerber und Flüchtlinge gemäß der Genfer Konvention gilt der Anspruch auf Familiennachzug weiterhin uneingeschränkt

Nachdem die Verhandler in der Nacht auf Freitag keine Einigung erzielen konnten, werden die Sondierungsgespräche am Wochenende fortgesetzt.

Steinmeier: "Kein Anlass zu Neuwahldebatten"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Jamaika-Parteien indes ermahnt, ihre Verantwortung ernst zu nehmen und Neuwahlen zu vermeiden. "Es besteht kein Anlass zu panischen Neuwahldebatten", sagte Steinmeier der "Welt am Sonntag". Es gebe bei Regierungsverhandlungen "immer Versuche der Parteien, die Preise hochzutreiben". Er erwarte aber, "dass sich alle Seiten ihrer Verantwortung bewusst sind. Und mit dieser Verantwortung umzugehen heißt auch, den Auftrag nicht an die Wähler zurückzugeben".

Er könne sich nicht vorstellen, "dass die verhandelnden Parteien ernsthaft das Risiko von Neuwahlen heraufbeschwören wollen", sagte das Staatsoberhaupt weiter. "Wenn jetzt von den Jamaika-Verhandlern hart um große Fragen wie Migration und Klimaschutz gerungen wird, muss das kein Nachteil für die Demokratie sein", sagte Steinmeier. "Ich halte überhaupt nichts davon, wenn Themen, die die Öffentlichkeit bewegen, weggedrückt werden." Differenzen müssten ausgetragen werden, daraus dürften aber "weder Unversöhnlichkeit noch Feindseligkeit erwachsen".

Gründe für Unzufriedenheit erforschen

Steinmeier rief angesichts des Erstarkens der AfD die "Traditionsparteien" auf, sehr sorgfältig zu überlegen, wie sie mit den Menschen umgingen, die sie als Wähler verloren hätten, und die Gründe für deren Unzufriedenheit zu erforschen. In dem Ergebnis der Bundestagswahl stecke auch Protest und damit auch eine Erwartung an die Politik. "Eine der vielen Ursachen scheint mir der manifest gewordene Stadt-Land-Unterschied zu sein", sagte er. "Die Politik muss Antworten geben, warum das Leben auf dem Land Perspektive hat, sogar attraktiv ist."

Insgesamt müssten Politik und Parteien Vertrauen zurückgewinnen. Es gehe auch darum, auf das Bedürfnis vieler Menschen nach Übersichtlichkeit einzugehen. "Es geht darum, gemeinsam eine Heimat zu schaffen, in der sich möglichst viele zu Hause fühlen." In der Migrationsdebatte sprach sich Steinmeier für eine offene Auseinandersetzung aus. "Wir werden diese Phase nicht überwinden, solange die Migrationsdebatte moralisches Kampfgebiet bleibt", sagte er. "Die Politik muss jetzt Vorschläge für eine kontrollierte und gesteuerte Zuwanderung entwickeln."

(Tsp/AFP, dpa, Reuters)

Zur Startseite