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Sigmar Gabriel wurde auf dem Parteitag in Leipzig zum Parteivorsitzenden wiedergewählt. Das Ergebnis war trotzdem ein Dämpfer.

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Update

SPD-Parteitag in Leipzig: Große Koalition und Öffnung zur Linken - Sigmar Gabriel wagt Spagat

Mit überragender Mehrheit verabschiedete die SPD auf ihrem Parteitag am Donnerstagabend einen Leitantrag zu möglichen rot-rot-grünen Koalitionen ab 2017. Am Freitag geht es weiter mit der Wahl von Sigmar Gabriels Stellvertretern.

Von Hans Monath

Sigmar Gabriel hat bei seiner Wiederwahl zum SPD-Parteichef einen Dämpfer hinnehmen müssen. Auf dem Parteitag in Leipzig stimmten 83,6 Prozent der Delegierten und damit acht Prozent weniger als vor zwei Jahren für ihn. Zuvor hatte Gabriel für den Weg in eine große Koalition geworben. In der Grundsatzrede, die von vielen Delegierten eher verhalten aufgenommen wurde, sprach er von grundlegenden Defiziten seiner Partei und forderte eine politische, programmatische und personelle Erneuerung der SPD.

Gabriel bereitete die rund 600 Delegierten auf schmerzhafte Kompromisse mit der Union vor. „Wer einhundert Prozent des SPD-Wahlprogramms erwartet, erwartet zu viel“, sagte er. Der Parteichef versprach aber, Fehler aus der ersten großen Koalition unter Angela Merkel nicht zu wiederholen: „Wir werden kein zweites Mal Politik betreiben, bei der die SPD gegen ihr Selbstverständnis verstößt.“ Gabriel betonte, dass die Anfang Dezember geplante Mitgliederabstimmung über einen Koalitionsvertrag entscheidend für den Kurs der Partei sei. Eine große Koalition sei daher keine zwangsläufige Entwicklung. „Die SPD zusammenzuhalten ist am Ende wichtiger als regieren“, sagte der Parteichef.

Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück übernehmen Verantwortung für Schlappe bei Bundestagwahl

Für das schlechte Ergebnis von 25,7 Prozent bei der Bundestagswahl übernahm Gabriel die Verantwortung. Als einen Hauptgrund für die Schwäche seiner Partei nannte der Politiker eine „kulturelle Kluft“ zwischen der Kernwählerschaft der Sozialdemokraten und der Partei. Es sei eine „Überlebensfrage für die SPD“, diese Kluft zu überwinden.

Der gescheiterte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück übernahm ebenfalls Verantwortung für die Schlappe bei der Bundestagswahl und forderte harte Verhandlungen mit der Union über eine mögliche Zusammenarbeit. „Für die Koalitionsverhandlungen gilt: Wir haben die Wahl verloren, aber nicht unseren Verstand“, sagte er. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die zuvor massive Bedenken gegen eine große Koalition geäußert hatte, sagte: „Lasst es uns machen.“ Nur in der Regierung ließen sich Verbesserungen erreichen, etwa für Niedriglöhner und Leiharbeiter.

Am Abend verabschiedete der Parteitag einen Leitantrag zu den Perspektiven der Partei. Darin stellt die SPD klar, dass sie bei der kommenden Bundestagswahl eine Koalition mit der Linkspartei nicht mehr grundsätzlich ausschließt, sondern von der Erfüllung von Kriterien wie Finanzierbarkeit und außenpolitischer Verlässlichkeit abhängig machen will. Gabriel sagte, bisher sei die Zusammenarbeit mit der Linkspartei daran gescheitert, dass diese sich „inhaltlich so verrückt aufgestellt hatte, dass kein Sozialdemokrat in nüchternem Zustand auf die Idee kommen konnte, mit ihr zu regieren“.

Das Parteipräsidium wurde wieder eingeführt

Die SPD führte außerdem ihr vor zwei Jahren abgeschafftes Parteipräsidium wieder ein. Der Bundesparteitag mit großer Mehrheit dafür aus. Das damals 17-köpfige Präsidium war bis zu seiner Abschaffung das höchste SPD-Gremium - ihm gehörten neben dem Vorsitzenden unter anderem seine Stellvertreter, die Generalsekretärin, die Schatzmeisterin und Landeschefs an. Über die Wiedereinführung sollen unter anderem der Einfluss der Landesverbände gestärkt und inoffizielle Zirkel verhindert werden. Daneben gibt es noch den 35-köpfigen Vorstand.

Mit einem Appell zur weiteren Modernisierung hat die SPD ihren Bundesparteitag am Freitag in Leipzig fortgesetzt. „Wir müssen diese Volkspartei immer wieder neu erfinden“, betonte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig am Morgen zum Auftakt des zweiten Tages.

Am Freitag steht die Wahl von Gabriels Stellvertretern an. Olaf Scholz, Hannelore Kraft, Aydan Özoguz und Manuela Schwesig treten für weitere zwei Jahre als SPD-Vizevorsitzende an. Hessens Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel bewirbt sich nach dem Rückzug von Klaus Wowereit erstmals um einen Vizeposten. Zudem stellt sich Generalsekretärin Andrea Nahles zur Wiederwahl, auch die Mitglieder des SPD-Bundesvorstands werden neu bestimmt. Inhaltliches Schwerpunktthema ist Europa. (mit AFP/dpa)

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