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Kanzlerin Merkel und SPD-Chef Gabriel fangen erst an über eine große Koalition zu verhandeln. Schnell wird dies sicher nicht gehen.

© dpa

Streitthema Steuererhöhungen: Der Koalitions-Poker hat begonnen

Die Parteien ringen miteinander um mögliche Koalitionen. Doch schon vor den ersten Koalitionsgesprächen ist klar: Das strittigste Thema werden Steuererhöhungen sein.

Er halte Sigmar Gabriel ja für einen „absolut seriösen und inhaltlich kompetenten Gesprächspartner“, lobt der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer seinen Kollegen von der SPD. Doch das ist es dann auch schon mit den netten Worten, die der bayerische Ministerpräsident an diesem Wochenende verliert. Seehofer macht auch deutlich, worüber er in Koalitionsgesprächen mit Herrn Gabriel überhaupt nicht reden möchte: „Wir haben derzeit die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten, der Staat muss mit dem auskommen, was er hat. Deshalb kommen Steuererhöhungen für meine Partei nicht infrage“, sagt Seehofer der „Bild am Sonntag“. Er versichert: „Die Bürger haben darauf mein Wort.“

Noch bevor sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD zu ersten Sondierungsgesprächen getroffen haben, ist der Poker eröffnet. In den Tagen nach der Wahl hatten sich Unions-Politiker prinzipiell offen gezeigt, auch über Steuererhöhungen zu reden. Die SPD hatte im Wahlkampf dafür geworben, den Spitzensteuersatz anzuheben und dafür kleinere Einkommen zu entlasten. Dass in den vergangenen Tagen der Eindruck erweckt wurde, die Union räume ins Windeseile Positionen aus dem Wahlkampf, löste in den Parteizentralen von CDU und CSU Kopfschütteln aus. Mehrere Spitzenpolitiker beteuerten daher am Wochenende, dass die Bürger durch eine große Koalition nicht stärker belastet werden sollen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ließ Pläne für eine angebliche Erhöhung des Spitzensteuersatzes dementieren. „Der Staat hat kein Einnahmeproblem. Es gibt keinen Grund, die Steuern zu erhöhen“, sagte Schäuble der „Bild“-Zeitung. Es gelte weiterhin das, was die Union kurz vor der Wahl gesagt habe: keine Steuererhöhungen, sagte der CDU-Politiker. Noch vor wenigen Tagen hatte er diese in einem Interview nicht zum Tabu erklärt, sondern gesagt: „Wir sollten jetzt schauen, wie die Gespräche laufen.“

Schäuble lässt Anhebung des Spitzensteuersatzes prüfen

Derzeit lässt Schäuble nach einem Bericht des „Spiegel“ eine Anhebung des Spitzensteuersatzes prüfen. Er habe dazu seine Fachleute angewiesen, Modelle für Koalitionsverhandlungen vorzubereiten. Der Höchstsatz für die Einkommensteuer von 45 Prozent, der derzeit bei einem Jahreseinkommen von 250 000 Euro bei Ledigen einsetzt (die sogenannte Reichensteuer), könnte demnach auf 46 bis 48 Prozent angehoben werden. Gleichzeitig sollten alle Tarife des Steuersatzverlaufs vom Eingangssteuersatz bis hin zum Spitzensteuersatz erst bei höheren Einkommen als bisher greifen, um die kalte Progression zu mildern.

Aus den Reihen der SPD gab es ebenfalls erste Stimmen, bisherige Positionen wie die Abschaffung des Betreuungsgeldes aufzugeben. Eine Koalition setze voraus, „dass der eine Partner auch die Herzensanliegen des jeweiligen anderen Partners akzeptiert“, sagte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, der „Leipziger Volkszeitung“. Über das von der CSU vorangetriebene Betreuungsgeld könne man miteinander reden. „Das ist ja Gesetz“, sagte Kahrs weiter. Zwar ist auch der SPD-Führung klar, dass es schwer wird, Seehofers Lieblingsprojekt abzuschaffen. Doch vorzeitig aufgeben will man dies nicht.

Noch ist unklar, wann die ersten Sondierungsgespräche stattfinden. Am Freitagabend hatte der SPD-Parteikonvent den Weg frei gemacht. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, er gehe davon aus, dass Anfang der Woche die konkrete Terminierung vorgenommen werde. „Ob ein erstes Gespräch noch in derselben Woche stattfindet, muss man sehen.“ Gröhe sagte, in der Union gebe es eine prinzipielle Offenheit sowohl für Gespräche mit der SPD als auch den Grünen, „aber Vorrang hat die SPD“.

Schnell werden die Koalitionsverhandlungen nicht beendet sein

Dass Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Union sich in die Länge ziehen könnten, erwartet man in beiden Parteien. Vor allem die SPD tut sich schwer damit, sich erneut auf eine Regierung Merkel einzulassen. Es gebe „keinen Automatismus“ hin zur großen Koalition, betonen SPD-Spitzenleute daher immer wieder. „Messlatte“ für Gespräche solle das SPD-Wahlprogramm sein. Allzu eilig hat es aber auch die Unions-Führung nicht. Dort hat man noch in Erinnerung, wie CDU, CSU und FDP sich 2009 zwar in Rekordgeschwindigkeit auf einen Koalitionsvertrag verständigten (er wurde bereits vier Wochen nach der Wahl unterzeichnet), in der Eile aber entscheidende Fragen nicht gründlich genug geklärt wurden – auch damals gehörte dazu das Steuerthema, das zwischen Union und Liberalen umstritten war. Zu den bevorstehenden Gesprächen sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) der „Welt am Sonntag“, er erwarte „schwierige Verhandlungen“. Ausgangspunkt für die Gespräche sei das Programm der Union. „Die SPD ist nicht der Wahlsieger.“

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