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Die Hauptstelle für Befragungswesen führt mit 500 bis 800 Asylbewerbern pro Jahr Vorgespräche.

© dpa

Umstrittene Geheimdienststelle: Der BND lässt Asylsuchende ausfragen

Der BND gibt Daten und Informationen von Asylsuchenden an ausländische Geheimdienste weiter. Die damit beauftragte Einrichtung soll nun schließen – fraglich bleibt, ob es für sie je eine Rechtsgrundlage gab.

Von Katrin Schulze

Sie gehört zu den ominösesten Institutionen Deutschlands. Mehr als 50 Jahre lang existiert sie nun schon, doch bis vor kurzem wusste kaum jemand von ihrer Existenz. Erst gegen Ende des vergangenen Jahres machten der NDR und die „Süddeutsche Zeitung“ die Tätigkeiten der Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) umfassend publik. Nur etwas später wurde bekannt, dass die Institution abgewickelt werden soll. Viele mutmaßen genau deswegen – weil sie zu öffentlich geworden ist und ihre Arbeit, für die eine gewisse Geheimhaltung unabdingbar ist, so nicht mehr ausüben kann.

Die HBW, die zum Bundesnachrichtendienst (BND) gehört, wurde 1958 gegründet. Seither befragen ihre Mitarbeiter gezielt Flüchtlinge, die in Deutschland politisches Asyl beantragen. Waren es zur Zeit des Kaltes Krieges vor allem Menschen aus dem Ostblock, die das Interesse der Stelle weckten, so bekamen zuletzt Syrer, Afghanen und Somali Einladungen zu Gesprächen. So viel wusste man bislang. Doch nun dringen immer mehr Details über die HBW an die Öffentlichkeit, die auch die Frage aufwerfen, wie rechtsmäßig die Stelle überhaupt handelt. „Für die Übermittlung von Daten über Asylsuchende an die HBW und damit den BND gibt es keine ausreichende Rechtsgrundlage“, sagt zum Beispiel die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke. Kritiker stoßen sich darüber hinaus an der Tatsache, dass der BND seine Erkenntnisse an Partnerdienste aus den USA oder Großbritannien weiterleitet.

Vieles soll lieber geheim bleiben

Zwischen 500 und 800 Asylbewerber laden die Geheimdienstler jährlich per Brief zu Vorgesprächen ein. Der Termin dafür ist in dem Anschreiben schon festgelegt. Zwar haben die Bewerber formell die Möglichkeit abzusagen, doch wer macht das schon, wenn er sich einen Aufenthalt in Deutschland erhofft? Zumal besonders kooperative Gesprächspartner es wohl deutlich einfacher haben mit ihrem Begehren. Hatte das Innenministerium noch im November behauptet, die Teilnahme an den Befragungen habe keinerlei Auswirkung auf das Asylverfahren, klingt das nun etwas anders. „Für 2011 sind insgesamt zwölf und für 2013 insgesamt sechs Flüchtlingsanerkennungen erfolgt, die im Zusammenhang mit einer Zusammenarbeit der Asylbewerber mit der HBW stehen“, heißt es in einer Antwort der Regierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken.

Immer wieder haben Linke und Grüne zuletzt Auskunft nach der Vorgehensweise der HBW verlangt. Dabei ist herausgekommen, dass derzeit etwa 40 Mitarbeiter dort beschäftigt sind. Die Zentrale befindet sich in Berlin, zudem gibt es eine Außenstelle im Durchgangslager Friedland, die Standorte anderer Büros will die Regierung nicht offen legen. Auch an welchen Flüchtlingsgruppen die HBW warum besonders interessiert ist, soll geheim bleiben. Zweifelhaft ist darüber hinaus, ob sich die Fragesteller klar als solche zu erkennen geben.

Berichten zufolge sollen sie bei den Asylsuchenden schon mal als Praktikanten oder Mitarbeiter von Menschenrechtsorganisationen auftreten. Diesen Vorwurf kontert die Bundesregierung: „Diese Darstellungen treffen bezogen auf das Befragungswesen nicht zu.“ Dass Mitarbeiter des BND unter anderer Kennung an den Gesprächen teilnehmen, wurde hingegen nicht dementiert. „Wenn es zu solchen verdeckten Befragungen während der Anhörung gekommen sein sollte, dann wäre das offensichtlich rechtswidrig“, sagt Rechtsanwalt Victor Pfaff, der die Hilfsorganisation Pro Asyl mitbegründet hat. Er verweist auf Artikel 15 der entsprechenden EU-Richtlinie. Dort heißt es: „Eine persönliche Anhörung erfolgt unter Bedingungen, die eine angemessene Vertraulichkeit gewährleisten."

Was machen ausländische Geheimdienste mit den Daten?

Ulla Jelpke sagt: „Asylsuchende müssen darauf vertrauen können, dass ihre Daten nicht an Geheimdienste weitergegeben werden. Sie können sich nicht sicher sein, wo ihre Angaben schließlich landen.“ Denn das ist vielleicht das größte Geheimnis der Befragungen: Was machen die Geheimdienste der USA und Großbritannien mit den Gesprächen, die auch sie auswerten dürfen? Klar ist: Seit es die HBW gibt, sind die alliierten Partner an den Befragungen beteiligt. Auch hat die Regierung offenbart, dass ausländische Dienste Befragungen ohne deutsche Begleiter durchführen. Dabei haben diese „kein direktes Befragungsrecht bei Personen, die in Deutschland Asyl suchen“, sagt Peter Schaar, der bis Ende 2013 als Bundesbeauftragter für Datenschutz tätig war.

Zwar betont die Regierung, dass die Befragungen „zu keiner Zeit die Gewinnung von Informationen zur Vorbereitung von Drohneneinsätze“ dienten. Dennoch sei nicht auszuschließen, dass solche Informationen auch „zum militärischen Lagebild der alliierten Partnerdienste beitragen können“. Ulla Jelpke hält es „bestenfalls für naiv“, dass der BND seine weitergeleiteten Erkenntnisse mit dem Hinweis versieht, „die dürften jetzt aber nicht für Folter und Todesstrafe verwendet werden“. Sie fordert von der Regierung zumindest die Herausgabe der Akten zur Zusammenarbeit der HBW mit ihren Partnern während des Kaltes Krieges. Warum sich der BND weiterhin so geheimniskrämerisch gibt, obwohl die HBW aufgelöst werden soll, kann sie nicht nachvollziehen.

Der Geheimdienst selbst begründet die geplante Schließung mit mangelndem Ertrag. Seit längerem habe man die Stelle einer Effizienzkontrolle unterzogen, heißt es. Auf Nachfragen zur Zukunft der Stelle reagierte der BND nicht. Dass die Befragungen gänzlich eingestellt werden sollen, steht ohnehin nicht zur Diskussion. Vielmehr lässt die Regierung wissen: „Fragen zur innenpolitischen Entwicklung in Afghanistan, der Menschenrechtslage, zu Terrorismus und Drogen werden absehbar auch im Jahr 2014 im Sinne des Auftragsprofils der Bundesregierung bleiben.“ Die Gespräche sollen künftig aber weniger in Deutschland als verstärkt direkt in den Krisenregionen durchgeführt werden. Dass sie dadurch transparenter werden, darf kaum erwartet werden.

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