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Urheberrecht: Acta-Debatte: Jetzt reden alle mit

Das Handelsabkommen Acta soll Produktpiraterie und Urheberrechtsverstöße eindämmen. Doch nun fürchtet die Netzgemeinde um die Internetfreiheit und protestiert - mit Erfolg.

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Zunächst interessierte es niemanden, jetzt reden alle mit. Worum geht es in der Acta-Debatte?

Eigentlich soll Acta Rechte schützen. Das „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“, ist ein internationales Handelsabkommen, das Produktpiraterie und Urheberrechtsverstöße eindämmen soll. Doch nun fürchtet die Netzgemeinde um die Internetfreiheit und protestiert – mit Erfolg.

Wogegen richten sich die Proteste?

Die Demonstranten befürchten Auswirkungen auf die Freiheit der Nutzer im Internet. Die Proteste richten sich einerseits gegen die Einführung von Netzsperren, wie sie seit 2009 Frankreich praktiziert. Internetnutzer, die gegen Urheberrechte verstoßen – also etwa illegal Musik herunterladen –, werden zunächst mehrfach verwarnt. Begehen sie weiter Verstöße, kann ihnen der Internetzugang gesperrt werden. Es wurden allerdings bislang noch keine Sperren verhängt.

Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich dagegen, die Internetanbieter in die Verfolgung von Urheberrechtsverstößen mit einzubeziehen. Das hieße, dass die Inhaber der Datenautobahnen und Server, also zum Beispiel T-Online, die Daten ihrer Kunden nach Urheberrechtsverletzungen automatisch durchsuchen und diese anzeigen oder technisch verhindern müssten. Kritiker vergleichen das damit, dass die Post alle Pakete und Briefe öffnen und nach illegalen Inhalten durchforsten würde. Die Anbieter, so auch die Kritik von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), würden damit zu „Hilfssheriffs“ gemacht.

Ein dritter Kritikpunkt ist, dass das Abkommen hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde. Das ist für ein internationales Abkommen zwar nichts Ungewöhnliches. Auch, dass Acta vom EU-Fischereirat beschlossen wurde, ist institutionelle Routine. Es zeigt aber, dass die Regierungen die Brisanz des Themas bis zuletzt unterschätzt haben.

Sind die Proteste berechtigt?
Die Befürchtungen, über das Abkommen könnten Netzsperren im deutschen Strafrecht eingeführt werden, sind unbegründet. Zwar war diese Maßnahme in früheren Entwürfen des seit 2008 verhandelten Abkommens vorgesehen. In der nun vorliegenden Fassung tauchen sie aber nicht mehr auf. Sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung bestreiten, dass das Abkommen zu einer Verschärfung bereits bestehender Vorschriften führen würde. Aus ihrer Sicht entspricht Deutschland bereits den Standards.

Auch Axel Metzger, Experte für Eigentumsrechte und Professor an der Universität Hannover, sieht keine unmittelbare Verschärfung des deutschen Strafrechts. Metzger glaubt allerdings, dass Acta ein erster Schritt zu mehr Kontrolle im Internet sein könnte. Kritisch ist in diesem Zusammenhang der Artikel 27 des Abkommens. Darin heißt es, die Staaten sollten „Kooperationsbemühungen im Wirtschaftsleben fördern“, um Urheberrechtsverletzungen und Markenrechtsverstöße zu verhindern. Im Klartext heißt das: Die Regierungen sollen Druck auf die Internetanbieter ausüben, damit diese der Musik- und Filmindustrie helfen, gegen illegale Downloads vorzugehen – mit den von Kritikern befürchteten Konsequenzen für die „Neutralität“ der Datenautobahnen. Zwar ist dieser Absatz nicht verbindlich. Metzger aber meint: „Das Abkommen wird denen Rückenwind geben, die sich jetzt schon für eine stärkere Haftung der Internetanbieter einsetzen.“

Warum wird erst jetzt protestiert?

Warum wird erst jetzt protestiert?

Die Proteste zeigen, dass die Netzpolitik in der Breite angekommen und das Mobilisierungspotenzial groß ist. Ähnlich große Proteste gab es zuletzt 2009, als Ursula von der Leyen vorschlug, Internetsperrlisten gegen Kinderpornografie einzurichten. Seitdem ist die Lobby der Netzaktivisten gewachsen. Neben der Piratenpartei gibt es nun auch zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich dem Thema verschrieben haben, etwa die „Digitale Gesellschaft“, ein Verein unter der Leitung des Bloggers Markus Beckedahl. Auch die Parteien machen sich das Thema zu eigen.
Neben begründeter Kritik werden allerdings auch mit Halb- und Unwahrheiten Ängste geschürt. In einem Video im Namen der Hackergruppe Anonymous auf Youtube etwa heißt es, mit Acta sei „das Internet, so wie wir es bisher kennen, dem Untergang geweiht“. Die Autoren behaupten, über Acta würden Netzsperren eingeführt. „Jede Kommunikation im Internet“ werde gescannt, die Existenz von Youtube und Twitter würde durch dieses Gesetz gefährdet. Der Clip wurde zweieinhalbmillionenmal aufgerufen.

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Wie wird das Thema in der deutschen Politik diskutiert?

Die deutsche Politik ist vom digitalen Wutbürger kalt erwischt worden. Wie bei Spezialfragen üblich, waren nur wenige Experten in den Fraktionen im Bilde. Durchweg einig sind die sich nicht: Während etwa bei der Union Justiz- und Innenpolitiker die Aufregung für unbegründet halten, unterstützen andere wie der Chef-Netzpolitiker der CDU, Michael Kretschmer, den Ruf nach einer breiten Debatte. Regierungssprecher Steffen Seibert, Twitter- Pionier im Kabinett, kurznachrichtelte am Sonntag: „BundesReg steht weiterhin dazu: Geistiges Eigentum muss auch im Netz geschützt werden“. Am Montag stellte er klar: Aus Sicht der Regierung sei die Kritik nicht nachzuvollziehen.

Praktisch setzt die federführende Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) darauf, dass andere ihr das Problem abnehmen: Wenn das Europaparlament ablehne, ließ ihr Sprecher wissen, brauche sich die Bundesregierung ja gar nicht mehr mit Acta zu befassen.

Was ist von der Beratung im Europaparlament zu erwarten?

Die EU-Abgeordneten müssen zustimmen, damit die Vereinbarung wirksam wird. Dass sich unter den Abgeordneten im EU-Parlament eine Mehrheit findet, erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt fraglich. Nicht nur Grüne, Liberale und Sozialisten haben Bedenken. Inzwischen bröckelt auch in der konservativen EVP, der stärksten Fraktion im Europaparlament, die Zustimmung. So haben beispielsweise konservative EVP-Abgeordnete aus Polen sehr genau den Widerstand gegen Acta in ihrer Heimat registriert. Laut EU-Parlamentschef Martin Schulz (SPD) sollen die Beratungen der Europaabgeordneten über Acta am 27. Februar beginnen. Der Grünen-Netzexperte Jan Philipp Albrecht glaubt, dass es zwischen Mai und September zu einer Abstimmung der Europaparlamentarier kommen könnte. Albrecht gehört zu den EU-Abgeordneten, die sich dafür einsetzen, dass der Europäische Gerichtshof Acta einmal gründlich unter die Lupe nimmt und klärt, ob das geplante Abkommen mit EU-Recht vereinbar ist.

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