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Blick nach vorn. Trainer Jens Keller hat beim 1. FC Union Berlin eine aufstiegstaugliche Mannschaft geformt.  Foto: dpa/Gambarini

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1. FC Union Berlin: Der Aufstieg ist möglich

Der Zweitligist 1. FC Union Berlin beweist gegen Braunschweig endgültig, dass er das Potenzial für die Bundesliga hat.

Zu später Stunde wurde die Sache für Jens Keller beinahe unangenehm. Der Trainer des 1. FC Union Berlin schaute betreten zu Boden, kratzte sich verlegen hinter den Ohren und ja, ein bisschen rot wurde er auch bei so viel Lob. Zwei Meter neben ihm stand sein Kollege Torsten Lieberknecht und sagte: „Union hat viel Qualität im Kader. Im Verein herrscht Kontinuität, alles wurde in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt aufgebaut und dann haben sie einen Trainer, der sensationelle Arbeit leistet.“ An dieser Stelle musste Keller laut prusten, bedankte sich aber sofort artig für die warmen Worte.

Lieberknechts Zusammenfassung wurde in diesem Moment zur Aufzählung von Gründen, warum der 1. FC Union diese Saison im Kreis der Spitzenmannschaften der Zweiten Liga angekommen ist. Zuvor hatte der Trainer von Eintracht Braunschweig 90 Minuten lang mitansehen müssen, wie seine Mannschaft einfach kein Mittel gegen diese Berliner fand. Außer einem Pfostenschuss von Domi Kumbela war da nichts, was zum Torerfolg hätte führen können.

Der Plan, den Jens Keller mit seinen Assistenten ausgearbeitet hatte, ging auf. „Wir wussten, dass Braunschweig viel auf zweite Bälle spekuliert und versucht, auf diese Weise ins Spiel zu finden. Nur haben wir fast alle zweiten Bälle für uns entschieden“, sagte Felix Kroos. Unions Kapitän war mit Dennis Daube und Damir Kreilach dafür verantwortlich, dass viele dieser Abpraller, die Fußballspieler als zweite Bälle bezeichnen, beim 1. FC Union landeten.

Zwei Spiele, dann ist die Hinrunde beendet. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass Union in dieser Saison bis zum Schluss um den Aufstieg mitspielen kann, dann wurde er an diesem frostigen Montagabend erbracht. Braunschweig war nicht die erste Spitzenmannschaft, die gegen Berlin als Verlierer vom Platz ging. Aus den Spielen gegen die drei besser platzierten Stuttgart, Braunschweig und Hannover holte Union sieben Punkte. „Wir sind jetzt oben dran, also da, wo wir hinwollen“, sagte Kroos. Trainer Keller gibt aus, den Abstand zu den Aufstiegsplätzen bis zur Winterpause so gering wie möglich halten zu wollen. „Wir sind auf Schlagdistanz“, sagte er. Niemand leugnet mehr, dass man diese Saison aufsteigen möchte. Das wäre auch schwer vermittelbar.

Der Klub hat in den vergangenen Jahren eine Mannschaft zusammengestellt, die inzwischen qualitativ zu den besten der Zweiten Liga gehört. Dafür wurde verhältnismäßig viel Geld ausgeben, um Spieler wie Felix Kroos und Simon Hedlund verpflichten zu können. Letzterer machte gegen Braunschweig offensiv den Unterschied. Der teuerste Neuzugang der Vereinshistorie (850 000 Euro) erzielte das erste Tor beim 2:0-Sieg selbst und bereitete das zweite vor. Trainer Keller hat derzeit in allen Mannschaftsteilen ein Überangebot an guten Spielern zur Verfügung. Außer dem verletzten Michael Parensen sind alle fit. Das führt dazu, dass ein früherer Leistungsträger wie Sören Brandy oder der erfahrene Emanuel Pogatetz gegen Braunschweig nicht einmal im Kader standen. Andere wie Benjamin Kessel, Fabian Schönheim, Eroll Zejnullahu, Stephan Fürstner oder der lange verletzte Maximilian Thiel, die in der Vor-Keller-Zeit alle eine prägende Rolle spielten, finden sich nur noch auf der Ersatzbank wieder.

Daran wird sich bis zur Winterpause nichts mehr ändern, Unions Trainer vertraut seiner ersten Elf, an der er seit Wochen kaum noch Wechsel vornimmt. Die Berliner sind eingespielt, was vor allem der Defensive zugute kommt. Aus den vergangenen sieben Spielen hat Union nur fünf Gegentore kassiert. Braunschweigs torgefährlicher Angreifer Domi Kumbela konnte sich gegen Toni Leistner und Roberto Puncec kaum einmal durchsetzen. Die gewonnene Stabilität gibt der Mannschaft Selbstvertrauen, gegen Braunschweig wurde Union auch nicht nervös, als sich lange keine Lücken auftaten. „Der Gegner hat es uns sehr schwer gemacht, Räume zu finden“, sagte Dennis Daube, der kurz vor dem Ende zum 2:0 traf.

Trainer Keller hat mit seinen Assistenten Henrik Pedersen und Sebastian Bönig eine Mannschaft geformt, die taktisch variabel und gegen jeden Kontrahenten in der Lage ist, ihr Spiel durchzusetzen. Die ungewohnte 3-4-3-Formation der Braunschweiger bereitete Union keinerlei Probleme und als der Gegner Anfang der zweiten Halbzeit stärker zu werden drohte, reagierten Trainerstab und Mannschaft. Plötzlich stieß Mittelfeldspieler Damir Kreilach mit in die Spitze, um den erneut glücklosen Collin Quaner zu unterstützen, was sofort Wirkung zeigte.

„Mal sehen, wie viele Punkte wir am Saisonende haben“, sagte Simon Hedlund. Womöglich werden es mehr sein als je zuvor in der Klubgeschichte.

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