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Jetzt seid ihr dran: Micahel Sam (r.) hat sich geoutet - und damit den Druck weitergegeben.

© dpa

Coming Out im American Football: Michael Sam stellt den Sport auf die Probe

Der Fall des schwulen Footballers Michael Sam setzt Liga, Klub-Verantwortliche und künftige Mitspieler unter Zugzwang - und könnte dadurch einen großen Durchbruch für Toleranz im Profisport bringen.

Michael Sam ist nicht der erste Sportler, der sich als schwul outet, er ist auch nicht der erste Footballspieler. Und doch ist sein Fall besonders, denn er wird aller Voraussicht nach der erste aktive Profi in der National Football League sein.

Ehemalige Profis wie hierzulande Fußballer Thomas Hitzlsperger haben mit ihrem Coming Out zwar Mut gezeigt, doch im Grunde haben sie damit den Druck auf andere, noch aktive homosexuelle Profisportler noch verstärkt, während sie selbst sich nach der ersten Welle der Aufmerksamkeit wieder aus der Öffentlichkeit zurückziehen können.

Michael Sam dagegen steht das große Rampenlicht erst noch bevor. Er ist 24 Jahre alt, hat gerade seine College-Laufbahn an der University of Missouri als einer der herausragenden Verteidiger des Landes absolviert und steht nun vor dem Sprung in die Profiliga NFL. Natürlich wird auch er weiterhin Druck haben, nicht zuletzt durch die aktuell riesige mediale Aufmerksamkeit. Doch er trägt den Druck nun nicht mehr alleine. Sam hat ihn mit seinem Coming Out an andere Stellen weitergegeben.

Welcher Klub hat jetzt den Mut, Sam unter Vertrag zu nehmen?

An die Vereine der National Football League (NFL) zum Beispiel, die beim Draft im April die Möglichkeit haben, Sam in ihr Team zu wählen. Welcher Klub hat jetzt die Courage, sich trotz des zu erwartenden Medienrummels und möglicher Ressentiments einzelner Spieler die Dienste des talentierten Verteidigers zu sichern? In den letzten Draft-Prognosen vor Sams Coming Out wurde der 1,90 Meter große und 118 Kilo schwere Athlet als Kandidat für die dritte von sieben Runden gehandelt. Sollte er nun deutlich später oder sogar gar nicht gewählt werden, müssten sich alle Klubs gemeinsam den Vorwurf der Feigheit gefallen lassen. 

Der Druck liegt auch bei Sams zukünftigen Mitspielern. Man stelle sich zum Beispiel vor, die New Orleans Saints würden Michael Sam unter Vertrag nehmen: Wie würde deren Linebacker Jonathan Vilma reagieren, der erst jüngst zu verstehen gab, es wäre ihm unangenehm, im Umkleideraum und unter der Dusche neben einem schwulen Mitspieler zu stehen? Oder Chris Culliver von den San Francisco 49ers, der öffentlich die Auffassung vertrat, schwule Footballer sollten es für sich behalten, „bis zehn Jahre nach Karriereende“?

Bei Coming Outs von ehemaligen Profis sind die anderen Akteure im Grunde in einer komfortablen Situation. Sie müssen sich der Situation nicht direkt stellen, es reichen ein paar Sympathiebekundungen und Lippenbekenntnisse. Jetzt aber ist die Lage anders: Jetzt ist tatsächliche, gelebte Toleranz gefragt – und die Medien werden genau hinschauen.

Sams Coming Out als große Chance

Sams Entscheidung, ganz zu Beginn seiner Profikarriere reinen Tisch zu machen, könnte der entscheidende Durchbruch werden, damit man Aussagen wie die von Vilma und Culliver irgendwann nicht mehr hören muss. Denn die Situation ist für NFL, Klubs und Mitspieler auch eine große Chance. Jetzt können sie zeigen, dass Sams sexuelle Neigung tatsächlich keine Rolle spielt. Dass sie das Coming Out nicht in die Bewertung seiner sportlichen Fähigkeiten mit einfließen lassen, dass sie ihn wie jeden anderen Spieler in ihr Team integrieren und keine Angst davor haben, dass die Anwesenheit eines offen schwulen Spielers die Chemie im Umkleideraum in Ungleichgewicht bringen könnte. Und dass er dort und auf dem Feld einfach nur ein Sportler, Kumpane und Rivale ist wie jeder andere auch.

Die Hoffnung ist jedenfalls da, dass die Reaktionen so sein werden, wie bei Sams Mitspielern auf dem College in Missouri. Denen offenbarte er sich nämlich schon im August vergangenen Jahres, während einer einfachen Teambuilding-Übung, bei der jeder Spieler etwas über sich sagen sollte, das die anderen noch nicht wüssten. „Ich bin schwul“, sagte Sam spontan – anschließend fühlte er sich besser denn je, wie er jetzt erzählte, was auch an den durchweg positiven Reaktionen seiner Mitspieler lag. Überträgt sich dies auch auf Sams nächsten Karriereschritt, wäre es ein starkes Signal für den American Football und für alle anderen Sportarten, die immer noch mit einem homophoben Klima oder ur-männlichen Macho-Klischees beladen sind.

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