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Kaum bei Hertha und schon Kapitän: Neuzugang Andre Mijatovic.

© dpa

Chef auf dem Platz: Andre Mijatovic wird Kapitän bei Hertha

Andre Mijatovic wird überraschend neuer Mannschaftskapitän bei Hertha BSC. Das gab der Berliner Zweitligist am Mittwochmorgen bekannt. Der Kroate kennt die Kapitänsrolle bereits.

Nun muss er schon wieder zahlen. Als Neuzugang hatte Andre Mijatovic gerade erst für die Mannschaftskasse gespendet, jetzt darf er wieder einzahlen, zum Einstand im neuen Amt. Denn Markus Babbel hat ihn zum Kapitän ernannt. Damit ist dem Trainer die erste große Überraschung in seiner noch jungen Amtszeit gelungen. Viele im Verein hatten erst mit Pal Dardai gerechnet, einige mit Raffael, die meisten mit Lewan Kobiaschwili. Auch Mijatovic dachte, dass der Georgier das Rennen machen werde. "Kobi war mein Favorit", sagt er. Doch als Babbel am Dienstag Mijatovic, Kobiaschwili und Christian Lell zum Gespräch bat, machte er Kobiaschwili nur zum Stellvertreter, genau wie Lell.

"Andre hat unheimlich viel Erfahrung, und ist einer, der auf dem Platz den Mund aufmacht, das war mir wichtig", begründete Babbel seine Wahl, als er sie am Mittwoch bekannt gab. Die anderen Kandidaten seien ihm zu ruhig gewesen, lässt er durchblicken. In den Einzelgesprächen, die er im Trainingslager in Feldkirchen führt, habe er zudem herausgehört, dass bei vielen Spielern der Respekt groß sei vor dem 30-jährigen Kroaten. Mijatovic hat als einer der wenigen Spieler Zweitligaerfahrung, was beim Ziel Aufstieg noch hilfreich werden kann.

Die Kapitänsrolle kennt er bereits: Zu Beginn seiner Karriere trug er in Rijeka die Binde, mit 20 Jahren war er dort der jüngste Kapitän der Vereinsgeschichte; in Fürth und Bielefeld war er jeweils Stellvertreter. Inhaltlich liegt Mijatovic voll auf Babbels Linie. "Wir müssen lauter werden auf dem Platz", wiederholt er, was sein Coach jeden Tag auf dem Trainingsplatz fordert. Mit der Lautstärke hat Mijatovic keine Probleme. Abseits des Platzes ist er ein ruhiger Typ, der sein längst fließendes Deutsch in gedämmter Lautstärke vorträgt. Doch im Spiel ruft er immer wieder Anweisungen an seine Nebenleute, so auch am Mittwochabend beim Testspiel gegen den Linzer ASK, das bei Redaktionsschluss noch nicht beendet war. Dort durfte er zum ersten Mal überhaupt die Hertha-Binde tragen - in den Testspielen wechselten sich bisher Raffael, Kobiaschwili, Dardai und Lustenberger ab.

Dass nun doch überraschend der Kroate die Binde bekam, macht auf den zweiten Blick durchaus Sinn. Denn erstens ist er Innenverteidiger, das mag Markus Babbel. In Stuttgart machte er Matthieu Delpierre zum Spielführer, der ebenfalls auf Babbels ehemaliger Position spielt. Der Trainer nennt das zwar "nur einen Zufall", doch das die Spielposition durchaus eine Rolle in seinen Überlegungen spielt, wurde klar, als er Maikel Aerts früh als Kandidaten ausschloss, da dieser Torwart sei.

Und zweitens gab es bei allen anderen Anwärtern ein Aber. Pal Dardai wäre eigentlich der natürliche Kapitänskandidat gewesen, seit 14 Jahren ist der Ungar bei Hertha, "keiner kennt den Verein so gut wie er", sagt selbst Babbel. Doch Dardai ist auch sehr verletzungsanfällig, fast die gesamte letzte Saison verpasste er, und auch nach Österreich konnte er nicht mitfahren, wegen muskulärer Probleme. Das führte nicht nur dazu, dass er als Anwärter für die Binde ausschied, sondern auch dazu, dass sein Stammplatz in akuter Gefahr ist. Und dass Babbel seinen Kapitän auf dem Platz sieht, musste schon Thomas Hitzlsperger erfahren, als Babbel ihm in Stuttgart die Binde abnahm, weil er zum Wackelkandidaten für die Startelf wurde.

Kobiaschwili gilt wie Mijatovic als Musterprofi, hinterlässt in der Vorbereitung einen starken Eindruck und verhält sich taktisch clever, wofür Babbel ihn den anderen Spielern als lobendes Beispiel vorhält. Doch der 33-jährige Georgier gibt seine Routine auf dem Platz zu selten verbal weiter, offensichtlich war er Babbel zu ruhig.

Raffael begann in den Tests meist mit der Binde. Das Kapitänsamt hätte ihn noch einmal zusätzlich motivieren und professionalisieren können. Zudem ist er die Integrationsfigur "für die Südamerika-Fraktion", wie Babbel Ronny, Ramos und Kaka nennt. Zwar spricht Raffael als einziger aus dem Quartett rudimentär Deutsch, doch alles, was über die Platzwahl hinausgeht, wäre im Kapitänsamt sprachlich zum Problem geworden. Das Sprachrohr des Trainers muss eben auch die Sprache beherrschen.

Fabian Lustenberger schließlich wird von Babbel wegen "der für sein junges Alter großen Erfahrung" gelobt, doch da ist eben auch das junge Alter. Mit 22 Jahren wäre er den älteren Spielern als Kapitän nicht vermittelbar gewesen, Berlin ist nicht Rijeka.

So sitzen die vier stattdessen mit im Mannschaftsrat, in dem Babbel auch einen Platz für Patrick Ebert freihält, der derzeit noch seinen Kreuzbandriss auskuriert. Von Ebert war Babbel von Beginn an sehr angetan. Als einer der wenigen kam er in topfit aus dem Urlaub zurück und gab in den Testspielen alles. Dass die angetragene Verantwortung den 23-Jährigen auch ein wenig zügeln könnte, ist ein nicht unerwünschter Nebeneffekt.

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