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Türkischer Techniker. Tunay Torun deutet im Training an, dass er ein Hoffnungsträger für Herthas Offensive ist.

© dpa

Hertha im Trainingslager: Tunay Torun: Perspektive vor Geld

Herthas Zugang Tunay Torun lernte sich auf St. Pauli durchzusetzen – auf dem Platz und im Leben. Jetzt gilt er als Hoffnungsträger in Herthas Offensive.

Tunay Toruns Blick schweift über die grünen Allgäuer Alpen. „Ich könnte hier nie leben“, sagt der 21-Jährige über die Gegend um Oberstaufen, über die sein Trainer Markus Babbel so charmant berichtet hatte, dass hier „der tote Hund begraben liegt“. Doch der Deutschtürke ist aufgeschlossen, gleich nach der Ankunft im Trainingslager hat er einen Jungen auf der Straße gefragt. „Der sagte mir, es ist superschön hier, wenn man die richtigen Ecken kennt.“ Diese Ecken wird Torun wohl nicht kennen lernen, er ist nur eine Woche hier, zum Trainieren mit seinem neuen Fußballverein Hertha BSC. Der Stürmer ist Herthas einziger Neuzugang in der Offensive, er deutete beim 13:0-Testspielsieg über den Bezirksligisten SV Amtzell durch Spielwitz und zwei Treffer an, dass er ein Hoffnungsträger sein kann.

Torun passt nach Berlin, er sei er „ein Kiezjunge“, betont der gebürtige Hamburger. Seinen Urlaub hat er geopfert, um seine neue Wohnung nahe des Kurfürstendamms einzurichten. Torun kennt die vielen Seiten großer Städte. Er ist in St. Pauli aufgewachsen, einem Hamburger Problemkiez, in dem auf den Spielplätzen Spritzen herumlagen.

Als ihn der frühere Weltklassespieler Ruud van Nistelrooy während eines Europa-League-Spieles für den Hamburger SV, für den beide vergangene Saison stürmten, in der Kabine beim Kragen packte und schüttelte, konnte das den damals erst 19-Jährigen nicht beeindrucken. „Ich war auch nicht gerade leise“, erinnert sich Torun.

Er ist Schlimmeres gewohnt, „ich hatte es etwas schwerer in meiner Jugend“. Zwei Freunde von ihm waren erst vor kurzem im Gefängnis. „Ich bin niemand, der Stress sucht, aber wenn es darauf ankommt, darf man sich auch nicht verstecken und muss zeigen: Mit mir kannst du das nicht machen“, beschreibt Torun seine frühere Einstellung. Mittlerweile sieht er das anders, seinem 13-jährigen Bruder rät er oft, dass er weitergehen soll, wenn auf der Straße etwas passiert. Torun selbst hat der Fußball geholfen, nicht auf die schiefe Bahn zu geraten. Dabei durfte er anfangs gar nicht mitspielen, den älteren Jungs war er zu klein. Also schoss alleine die Bälle gegen die Mauer. Doch mit acht Jahren überzeugte er beim FC St. Pauli im Probetraining, mit 16 wechselte er von dort zum Hamburger SV und debütierte zwei Jahre später in der Bundesliga.

Das Durchsetzungsvermögen hat er von seinem Vater geerbt, der an der türkischen Schwarzmeerküste geboren wurde, und in einer Änderungsschneiderei putzte, bis er sich an die Maschinen und später zu einer eigenen Firma hocharbeitete. Auch die Bodenständigkeit verdankt er seinen Eltern, denen er zum Dank mit dem ersten Profigeld half, die Eigentumswohnung in Hamburg abzubezahlen und sich den Traum vom Haus in der Türkei zu erfüllen. „Ich habe es ja nicht komplett bezahlt und wollte mein Geld auch erstmal anlegen, das war mir wichtiger, als mir teure Klamotten zu kaufen“, sagt Torun.

Auch sonst ist ihm die Perspektive wichtiger als Geld. Früh hatte er 27 Bundesligaspiele für den HSV und sogar ein A-Länderspiel für die Türkei absolviert, doch nach einem Kreuzbandriss und mehreren Trainerwechseln spielte er kaum noch. Schalke 04, der VfB Stuttgart und mehrere türkische Klubs bemühten sich um ihn, doch nach einem Gespräch mit Manager Michael Preetz und Markus Babbel „war klar, dass ich nur zu Hertha gehen wollte, mit dieser Truppe können wir in den nächsten Jahren viel erreichen und auch wieder europäisch spielen“. Preetz sagt: „Wir haben uns lange um ihn bemüht, weil er über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügt, großes Potenzial hat und alle offensiven Positionen bekleiden kann.“ Und an Durchsetzungsfähigkeit mangelt es dem Kiezjungen ebenfalls nicht.

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