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Marcel Reif: TV-Reporter und Tagesspiegel-Kolumnist.

© dpa

Reif aus dem Stadion: Kann Hamburg den Abstieg verhindern?

Unser Kolumnist Marcel Reif wirft einen Blick auf die Situation des Hamburger SV nach der Entlassung von Trainer Michael Oenning und dem folgenden ersten Saisonsieg.

Ach, der HSV, der Dinosaurier, der noch nie abgestiegen ist, als einziger aller Gründungsmitglieder der Bundesliga. Erledigt sich dies auch in dieser Saison, die schon so reich ist an bislang unbekannten Phänomenen? Ein Trainer, der mutig bekennt, krank zu sein von den An- und Überforderungen des Jobs. Ein Spieler, einer des FC Bayern München, der in Untersuchungshaft sitzt - da wäre ein Abstieg des Hamburger SV noch das geringste Ereignis. Aber denkbar ist er, trotz des Sieges in Stuttgart. Sie spielen ja in Hamburg seit einigen Jahren das lustige Spiel, was man schneller wechselt: den Namen des Stadions oder den Trainer. Nun wartet der 13., in Worten: dreizehnte, auf die Vertragsunterzeichnung, nach derzeitigem Kenntnisstand wird das wohl Huub Stevens sein. Der 13. in elf Jahren. Und was wird dann besser? Michael Oenning, der elfte Trainer, ist klug, gelassen, gesprächsbereit und er ist die personifizierte flache Hierarchie. Das haben ihm die älteren Spieler, nennen wir sie ruhig beim Namen, haben ihm Petric, Drobny, Jarolim, Westermann nicht gedankt. Im Gegenteil, sie haben es ausgenutzt. Stevens kennt in hierarchischen Dingen nur eine Ordnung, und in der steht er an der Spitze. Man wird sehen, ob das den HSV wieder auf Vordermann bringt.

Vordermann? Habe ich gerade Vordermann gesagt? Darum geht es doch gar nicht. Es geht darum, den Abstieg zu verhindern. Und dazu haben sie einen Kader, den Frank Arnesen reformiert hat. Mit Jugendspielern, die anderswo in der zweiten und dritten Reihe standen, respektive auf der Bank hockten und die, vorsichtig formuliert, noch nicht bundesligatauglich sind, vielleicht werden sie es einmal, vielleicht auch nie. Der HSV erinnert an eine Bauruine, sagen wir eine Bauruine wie in Torremolinos, und seine Aktionen sind Operationen am offenen Herzen. Mit Jugendspielern? Wie soll das gut gehen? Mit einer Vereinsführung, die die Sünden der Vergangenheit abzuarbeiten hat, schlimmer noch, die täglich neue entdeckt? Mit Größenwahn, der einem Dinosaurier nun mal inne ist? Und mit Finanzverhältnissen, siehe Sünden der Vergangenheit, die Einkauf nur auf der Resterampe erlauben? Und mit internen Vereinsstrukturen, sprich einem Aufsichtsrat, der keine Richtung findet, weil er sich immer wieder aufs Neue ins Patt setzt? Erstaunlich genug, dass die Mannschaft sich hat aufraffen können und in Stuttgart gewann. Ich fürchte, für diesen großen Verein mit dieser großen Tradition, mit diesen Fans in dieser Stadt, wird es eine Ausnahme bleiben. Verein, Fans, Stadt und im übrigen auch das Stadion, egal, wie es nun heißt, haben besseres verdient.

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