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Kommentar: Boatengs großartiger Eklat

Sven Goldmann verneigt sich in seinem Kommentar vor dem einstigen Berliner Ghetto-Kid Kevin-Prince Boateng, der nach den rassistischen Beleidigungen gegen ihn einen stilsicheren Abgang hinlegte.

Kevin-Prince Boateng ist ein mit allen Gaben gesegneter Fußballspieler. Aber der Mensch Boateng … schwierig, schwierig. Als er Berlin und Herthas BSC im August 2007 Richtung London verließ, war sein Image schon da. Hart und cool. Ghetto-Kid. So hat Boateng sich über Jahre inszeniert, und es war nicht abzusehen, dass er einmal beim AC Mailand sein Glück finden würde. Stammspieler in der Champions League, Serie A, Italienischer Meister. Es gab da wohl auch ein paar längere nächtliche Ausflüge, aber ansonsten war wenig zu sagen über seine charakterliche Entwicklung.

Bis zum Donnerstag, als Boateng endlich mal wieder für einen Eklat gut war. Für einen großartigen Skandal.

Ist alles von Fernsehkameras dokumentiert. Wie er am linken Flügel dribbelt, Haken nach rechts, einmal mit der Sohle über den Ball und dann … bleibt er plötzlich stehen. Nimmt den Ball in die Hand, dreht sich um und drischt ihn ins Publikum, zieht sich das Trikot über den Kopf und geht, den Rest seiner Kollegen im Gefolge. Kevin-Prince Boateng mag das Spiel nicht mehr mitspielen, dieses stillschweigende Hinnehmen rassistischer Parolen, wie sie in Italien zum Alltag gehören. Am Donnerstag, während dieses belanglosen Testspiels bei einem belanglosen Viertligisten, ist es zu viel. Schluss, Aus, Ende. Und die halbe Welt applaudiert.

Boatengs Haut ist ein wenig dunkler pigmentiert, als es den Rassisten von nebenan genehm ist. Darunter hat er schon in seiner Berliner Zeit gelitten, wenn es mit Herthas Jugend ins Umland ging und in Deutschlands nahen Osten. Der Jugendspieler Boateng war hilflos und allein, aber die Demütigungen von damals sind unvergessen. Dem Milan-Profi Boateng bietet sich eine Bühne, und am Donnerstag hat er diese Bühne genutzt.

Natürlich ändert sich durch Boatengs stilsicheren Abgang allein erst einmal nichts. Die braunen Dumpfbacken werden weiter ihre Parolen grölen, aber am Donnerstag haben sie ein Stückchen der Meinungshoheit in den Stadien verloren. Der Donnerstag war ein Anfang, der weltweite Beifall muss und wird Nachahmer produzieren. Denn dass Rassismus ein Verbrechen ist, können kickende Popstars der schweigenden Mehrheit sehr viel eindrucksvoller vermitteln, als es Politiker oder Sozialarbeiter können.

Seit Donnerstag spielt der mit allen Gaben gesegnete Künstler Kevin-Prince Boateng auch abseits des Fußballplatzes in der Champions League, mindestens.

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