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Als Champion zur WM. Sami Khedira reist nach dem Titelgewinn mit Real Madrid zur Nationalmannschaft

© dpa

Sami Khedira im Champions-League-Finale: Neues Selbstvertrauen für die WM

Sami Khedira kann beim Champions-League-Triumph von Real Madrid nicht überzeugen, holt sich aber Selbstvertrauen für die WM. Denn er war Teil einer Mannschaft, die so sehr an sich glaubt, wie es sich Bundestrainer Löw auch von seiner wünscht

Es war kurz vor Mitternacht und lange nach dem dramatischen und erst in der Verlängerung besiegelten Finale, da hatte auch Sami Khedira seinen großen Auftritt. Carlo Ancelotti referierte gerade im Licht der Kameras über den 4:1-Sieg von Real im Madrider Champions-League-Endspiel gegen Atlético, als der deutsche Nationalspieler die Bühne enterte, Arm in Arm mit seinen Kollegen Isco, Luka Modric, Marcelo, Sergio Ramos und Pepe. Alle zusammen lachten und tanzen sie und sangen „Campeones, Campeones!“ Isco spritze mit einer Wasserflasche um sich, und der dicke, gemütliche Trainer Ancelotti schlug dazu im Takt mit der Faust auf den Tisch, „Campeones, campeones!“

War das wirklich Real Madrid? Der Weltklub mit der Lizenz zur Überheblichkeit? Das sterile Fußballunternehmen, das zuvor in drei Jahren unter Ancelottis Vorgänger José Mourinho neue Abgründe der Unbeliebtheit erkundet hatte? Es war ein neues, ein unbeschwertes und leichtes Real, das in der kühlen Nacht von Lissabon seine Decima feierte. Den zehnten Sieg in der Champions League, die früher, zu di Stefanos und Puskas’ Zeiten, noch Europapokal der Landesmeister hieß.

Real Madrid ist kein Landesmeister, war in dieser Saison nur Dritter und in der vergangenen Zweiter. Und ist doch ein würdiger Champion. Einer, der das Glück des Sieges nicht selbstgefällig hinnahm, sondern hart erarbeitete, gegen jede späte Wahrscheinlichkeit und einen Gegner, der in seiner unorthodoxen Art doch so verdammt schwer zu besiegen war. „Wir waren schon tot“, sagte Khedira. Aber dann flog in der dritten von fünf Nachspielminuten noch ein letzter Eckball in den Strafraum.

Atlético hatte darauf verzichtet, den rechten Torpfosten zu sichern, was Sergio Ramos dankend zur Kenntnis nahm und den Ball mit dem Kopf eben dorthin wuchtete. Natürlich Sergio Ramos. Der filigrane Verteidiger, dessen rustikales Kopfballspiel der FC Bayern im Halbfinale so schmerzhaft hatte erleben müssen, mit zwei Toren beim demütigenden 0:4 daheim im Rückspiel. Damals saß Sami Khedira auf der Tribüne und applaudierte. Diesmal war er ein bisschen näher dran und durchlitt die finalen Minuten auf der Ersatzbank. Aber eine Stunde lang hatte er im Estadio da Luz mitspielen dürfen, was schon ein bemerkenswerter Erfolg war nach seinem Kreuzbandriss vor einem halben Jahr.

Der Weg zur Topform für Khedira ist noch weit

Khediras Rekonvaleszenz macht Fortschritte. Das wird Joachim Löw freuen vor der WM in Brasilien. Aber auch der Bundestrainer hat beim Trainingslager in Südtirol vor dem Fernseher miterlebt, wie weit der Weg noch ist. Khedira tat sich schwer, er spielte allerlei Fehlpässe und verlor fast jeden Zweikampf, auch den einen im Kopfballduell mit Atléticos Uruguayer Diego Godín, der das beinahe spielentscheidende 0:1 zur Folge hatte. Dominanz über das Spiel gewann Real erst mit Khediras Nachfolger Isco.

Was aber erst einmal zählt, ist das Selbstvertrauen, das der Rekonvaleszent am Samstag in Lissabon gewonnen hat. Er war Teil einer Mannschaft, die so sehr an sich glaubt, wie es sich Löw auch von seiner wünscht. Und da Fußballspiele zwar auch mit den Füßen, vor allem aber mit dem Kopf gewonnen werden, dürfte auch die deutsche Nationalmannschaft profitieren von dem, was ihr Schlüsselspieler im defensiven Mittelfeld da im Estadio da Luz erlebte. „Es ist nicht selbstverständlich, dass ich heute auf dem Platz stehen durfte“, sagte Khedira und wollte von der WM erst einmal nichts wissen, sondern „erst einmal den Moment genießen“.

Atlético war nach Ramos’ spätem Ausgleich so tot, wie Real es zuvor gemäß Khediras Definition war. Unfähig, dem Spiel eine erneute Wende zu geben. Vergeblich hatte Trainer Diego Simeone sofort die Nähe zu den weiß-roten Fans gesucht und sie mit rudernden Armen zu noch lauterer, noch fanatischerer Unterstützung animiert. Da ging nichts mehr. Atléticos Kapitän Gabi erklärte das mit der fehlenden Kraft, und er meinte nicht nur die physische. Gareth Bales Tor zum 2:1 Mitte der zweiten Halbzeit der Verlängerung raubte Simeones Mannschaft die letzte Hoffnung auf ein finales Elfmeterschießen, aber mit welchem Selbstbewusstsein wären Atléticos Schützen da wohl zur Exekution geschritten?

Simeone nimmt Schuld für Drama um Diego Costa auf sich

„So ist das Leben“, sprach Simeone. „Manchmal gewinnst du, manchmal verlierst du“, und natürlich nehme er die Verantwortung auf sich, dass er den offensichtlich nicht spielfähigen Stürmer Diego Costa aufgestellt hatte – und nach knapp zehn Minuten wieder vom Platz nehmen musste. Das Drama um Costa stand wie Ramos’ Ausgleich in der Nachspielzeit symbolisch für das Drama um Atlético. Für den zweiten tragischen K.o. im zweiten Finale nach der Niederlage vor 40 Jahren gegen den FC Bayern, damals eingeleitet vom späten Ausgleich des Katsche Schwarzenbeck, auch er ein Abwehrspieler wie Sergio Ramos, wenn auch alles andere als grazil.

Weil nun mal der Sport vom Unerwarteten, der Sensation, dem Einmaligen lebt, waren die Sympathien der neutralen Zuschauer weiß-rot eingefärbt. Ein Champions-League-Sieg für Real ist nicht so außergewöhnlich, wie er es für Atlético gewesen wäre. Diego Simeone erzählte tapfer von einem neuen Anlauf in der neuen Saison, aber da wird Diego Costa wahrscheinlich für Chelsea stürmen und auch gegen die Abwerbung weiterer Helden wird sich der chronisch klamme Klub kaum wehren können. Wahrscheinlich ist Atléticos kurze Erfolgsgeschichte am Samstag in Lissabon schon zu Ende gegangen.

Ronaldo macht den Balotelli

Es fielen nach Bales 2:1 noch zwei weitere Tore durch den eingewechselten Marcelo und Cristiano Ronaldo, aber die waren nur für das Protokoll von Relevanz. Das heißt: Ronaldos verwandelter Elfmeter kurz vor Schluss hatte schon seine Bedeutung. Es war sein 17. Tor in der laufenden Champions-League-Saison, das ist ein neuer Rekord, den alten hielt er selbst. Und der eitle Portugiese feierte, wie in dieser Situation nur er feiern würde. Mit einem Sturmlauf in Richtung Fankurve, als hätte er gerade mit einem Geniestreich das Spiel entschieden. Dazu entblößte er den Oberkörper und posierte wie der Italiener Mario Balotelli vor zwei Jahren in Warschau im EM-Halbfinale gegen Deutschland.

Dabei war Ronaldos Darbietung ansonsten reichlich bescheiden ausgefallen. Der Weltfußballer machte eines seiner schwächeren Spiele für Real und feierte dann doch seinen bislang größten Triumph, und das in der Stadt, die seine ersten Schritte als Profi erlebt hat. Zwar war er damals nicht in Benficas Estadio da Luz zu Hause, sondern im Estadio José Alvalade des Stadtrivalen Sporting. Aber in der Nacht von Lissabon geriet das ebenso zur Randnotiz wie die Kritik an Ronaldos exaltierter Selbstinszenierung.

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