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Sport: Sonne, Meer und Panzer

Robert Jaspert muss sich entscheiden: Soll er im Libanon den Fußballklub der Hisbollah trainieren?

Wenn Robert Jaspert morgens im Golden Plaza Hotel das Fenster öffnet, blickt er auf die Ausläufer des Libanongebirges. Auf der anderen Seite liegt das Mittelmeer. „An schönen Tagen schaust du bis nach Zypern“, sagt der Berliner Fußballtrainer, und die Strandpromenade von Beirut sei wirklich sehr schön. Vor ein paar Stunden hat er mit seinen Eltern telefoniert und ihnen von dem Job erzählt, den er hier machen könnte. Dass es sich um einen libanesischen Erstligisten handelt, wussten die Eltern, aber wer kann in Deutschland schon etwas anfangen mit dem Namen Al Ahed?

Jaspert konnte es auch nicht. Bis ihm ein Funktionär stolz erzählte, Al Ahed sei der Verein der Hisbollah. Der deutsche Gast rutsche ein wenig tiefer in seinen Sessel, „dann hab ich mir gedacht: Immerhin trifft dich hier keine Hisbollah-Rakete, höchstens eine israelische…“ Er bricht ab: „Das war nicht ernst gemeint, ja?“ Die Eltern reagierten weniger sarkastisch. „Es war so still am Telefon, dass ich dachte, die Leitung wäre zusammengebrochen.“

Es sind solche Augenblicke, in denen der Fußballtrainer Jaspert nicht eins ist mit dem Menschen Jaspert. Er ist 47 Jahre alt, ein paar mehr sollen es schon werden. Das Auswärtige Amt rät auf seiner Internetseite dringend von Reisen in den Libanon ab: „Die Sicherheitslage ist zunehmend angespannt. Die politische Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition hält an. “ Patrouillierende Panzer und zerbombte Häuser erinnern an jeder Straßenecke daran, dass der letzte Krieg mit Israel gerade ein halbes Jahr zurück liegt. Robert Jaspert sagt, er mache sich nichts vor, „die Situation hier ist sehr instabil“. Er weiß, dass die Hisbollah auch in Libanon mehr ist als eine im Parlament vertretene politische Partei. Vor allem im Süden des Landes, wo paramilitärische Einheiten unabhängig von der Staatsgewalt agieren. Robert Jaspert ist kein dummer, ein unpolitisch denkender Mensch. Er hat nachgefragt, und seine Gesprächspartner hätten ihm versichert, bei Al Ahed gehe es nur um Fußball. Und für ihn um einen Job als Cheftrainer in der ersten Liga. Robert Jaspert hat als Trainer schon in Japan und Südkorea gearbeitet, aber seine Erfahrung als Chef reduziert sich auf ein paar Wochen beim vormaligen Berliner Drittligisten Tennis Borussia. Al Ahed ist eine Karrierechance.

Es ist sein zweiter Besuch in Beirut. Im Oktober 2004 war er als Kotrainer der südkoreanischen Nationalmannschaft hier. Es gab ein 1:1, kein Ruhmesblatt, aber den Koreanern reichte es für den Gruppensieg und später für eine erfolgreiche WM-Qualifikation. Der Traum von der Weltmeisterschaft in der deutschen Heimat endete im August 2005 mit dem Rücktritt des Cheftrainers Jo Bonfrere. Dessen Nachfolger Dick Advocaat brachte seinen eigenen Stab mit, für Robert Jaspert war kein Platz mehr. Es gab ein paar Anfragen aus der dritten und vierten Liga. Ein Engagement mit seinem Freund Pierre Littbarski in der Türkei zerschlug sich ebenso wie ein Job in Ungarn. Robert Jaspert wartete. Bis der Anruf aus Beirut kam.

Ein paar Tage nach der Kontaktaufnahme schickten die Libanesen ein Flugticket, und Jaspert dachte sich: So lange die Lufthansa noch nach Beirut fliegt, wird es schon nicht so schlimm sein. Seit Samstag logiert er im Golden Plaza und lässt sich herumführen. Am Sonntag schaute er beim Training vorbei, morgen steht ein Punktspiel an. Al Ahed hatte zuvor Trainer aus Brasilien und Kuwait, jetzt soll unbedingt ein Deutscher kommen. „Alle reden hier von Schalke und Bayern und Werder“, sagt Jaspert. „Und die Bundesregierung hat nach dem letzten Krieg einen Gefangenenaustausch vermittelt. Das hat den Deutschen große Sympathien eingebracht.“ Am Sonntag, nach dem Training, suchte der Mannschaftskapitän das Gespräch und richtete Grüße der Kollegen aus und wie sehr sich alle auf ihn freuen würden. Der Klub wollte schon die Presse einladen, aber das geht Jaspert zu schnell. Am Donnerstag fliegt er zurück nach Berlin, „ich werde eine Nacht drüber schlafen und eine Entscheidung treffen.“

Für Beirut spricht die sportliche Perspektive. Jaspert wäre wieder im Geschäft. Al Ahed liegt auf Platz fünf der ersten Liga, Platz zwei ist in Reichweite, „und da spielt man um die Asienmeisterschaft mit“. Die Trainingsbedingungen? „Okay“, sagt der Deutsche, „die Kabine ist recht spartanisch eingerichtet, aber der Rasen ist gut, frisch angesät nach dem Krieg“. Wie viele Zuschauer zu einem Ligaspiel kommen, wollte Jaspert noch wissen. Die Antwort: keine. Gespielt wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit, Anordnung der Regierung, „es gibt bald wieder Wahlen, da soll die Stimmung nicht noch weiter angeheizt werden“. Und wieder rutschte der Kandidat für den Trainerjob beim Hisbollah-Klub tief in den Sessel.

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