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Helmut Digel ist Sportwissenschaftler, Ehrenpräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und Councilmitglied des Internationalen Leichtathletik-Verbands.

© picture-alliance / dpa

Vier Jahre Olympiapause sind zu lang: Sportfunktionär Digel: "Wir brauchen europäische Spiele"

Nach London wandern die Olympischen Spiele weiter nach Rio und dann vielleicht nach Tokio. Warum also nicht europäische Spiele veranstalten, so wie die Asienspiele auch, fordert Leichtathletik-Ehrenpräsident Helmut Digel.

Nicht nur Fernsehzuschauer lieben sportliche Ereignisse, bei denen jeden Tag etwas anderes passiert, wahrscheinlich haben die Olympischen Spiele in London auch deshalb so viele Menschen begeistert. Die einzigartige Vielfalt der Spiele fasziniert die Zuschauer immer noch, sie sehen an einem Tag Pferdedressur, am nächsten Synchronschwimmen und am dritten Turmspringen, also gerade auch einmal Sportarten, die sonst nicht so im Fokus stehen. Eine Sportart wie die Leichtathletik kann dabei selbst mit Vorkämpfen am Vormittag 80 000 Zuschauer an sich binden. In den Jahren zwischen zwei Olympischen Spielen haben jedoch viele olympische Sportarten ein Zuschauerproblem.

Die Kluft zwischen den Olympischen Spielen und den Welt- und Europameisterschaften der einzelnen Sportarten ist dabei in den letzten Jahren größer geworden. Die Leichtathletik musste lange darum kämpfen, um 2011 mit ihrer WM überhaupt live in Deutschland im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt zu werden. Es gäbe jedoch eine Lösung, um die olympischen Sportarten wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken und eine größere Identifikation mit europäischen Siegern zu erreichen. Die Lösung heißt: europäische Spiele.

In Asien gibt es Asienspiele, in Afrika die afrikanischen Spiele, Nord- und Südamerika tragen die panamerikanischen Spiele aus. Wer hier als Sieger hervorgeht, kann sich einer hohen Reputation sicher sein. Das wäre bei europäischen Spielen bestimmt nicht anders. Wir haben gerade in London gesehen, wie hoch nach wie vor das Bedürfnis der Menschen ist, sich mit Sportlern aus ihren Ländern zu identifizieren, mit ihnen zu fiebern, zu leiden, sich mit ihnen zu freuen. Dieses Bedürfnis könnte bei europäischen Spielen besser befriedigt werden, als dies bei vielen Weltmeisterschaften der Fall ist.

Europäische Spiele würden auch den Metropolen in Europa neue Möglichkeiten eröffnen. Denn die Olympischen Spiele verteilen sich immer weiter auf dem Erdball, weil auch andere Kontinente Interesse haben und in der Lage sind, die Spiele auszurichten. Deshalb finden die Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro statt. Das bedeutet aber auch, dass Olympia immer seltener in Europa ausgetragen wird.

Europäische Städte könnten sich durch europäische Spiele international präsentieren und ihre Infrastruktur weiterentwickeln, ohne das ganz große finanzielle Risiko der Olympischen Spiele eingehen zu müssen.

Wenn auch die Europäische Union diese europäischen Spiele unterstützen würde, bekämen sie noch eine besondere integrative Komponente. Die Gemeinsamkeiten der europäischen Staaten sind stärker als die der asiatischen. Es wäre an der Zeit, dem auch auf einer größeren sportlichen Ebene einmal Rechnung zu tragen.

Warum gibt es also keine europäischen Spiele? Bisher ist diese Idee an den Sportverbänden und am Fernsehen gescheitert. Die Verbände haben ihre eigenen Europameisterschaften ausgebaut, um mehr Einnahmen zu generieren. Früher fand zum Beispiel die Leichtathletik-EM nur alle vier Jahre statt, inzwischen wird sie alle zwei Jahre ausgetragen. Ob dies zu einer Wertsteigerung geführt hat, ist jedoch mehr als zweifelhaft. Die EM in diesem Jahr bot zwar einerseits auch europäischen Ländern die Möglichkeit, internationale Sieger in den Laufwettbewerben zu präsentieren, wo sonst meist Läufer aus Afrika, den USA oder der Karibik dominieren. Andererseits bedeuten diese Titel jedoch weniger, wenn sie so kurz vor den Olympischen Spielen erreicht wurden und manche Länder wie Russland nur ihre zweite Wahl schicken.

Will man europäische Spiele durchsetzen, so müssen die europäischen Sportverbände diese Spiele in ihrem eigenen Interesse wollen. Gleiches gilt für die Sportlerinnen und Sportler. Aber auch das Fernsehen müsste hierzu bereit sein. Wir wissen jedoch, dass etwa das Fernsehen in Spanien und Italien in finanziellen Schwierigkeiten steckt, für ein neues Großprojekt dürfte da nur wenig Bereitschaft vorhanden sein. Gewiss müsste man, um sich europäische Spiele leisten zu können, das eine oder andere Event dafür opfern.

Doch trotz dieser Einschränkungen lohnt es sich, an der Idee der europäischen Spiele festzuhalten. Ein großes Fest der sportlichen Vielfalt mit integrativem Charakter und fröhlichen Siegern zum Mitfreuen – dafür lohnt es sich zu streiten.

Helmut Digel ist Sportwissenschaftler und Ehrenpräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.

Helmut Digel

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