zum Hauptinhalt
Macht’s gut, Freunde! Thomas Bach könnte bald Herr über die Olympischen Spiele sein – als Chef des deutschen Sports müsste er dann abdanken. Foto: p-a/Simon

© picture alliance / Sven Simon

Sport: Wer läuft sich warm?

Thomas Bach könnte im kommenden Jahr zum IOC-Chef aufsteigen. Wer soll dann den deutschen Sport führen? In Politik und Verbänden hat die Debatte darüber längst begonnen. Favorisiert wird derzeit eine Doppellösung – unumstritten ist sie nicht.

Abgesehen von „Wie geht’s?“ ist Thomas Bach in den vergangenen Monaten wohl keine Frage so häufig gestellt worden wie diese: „Wollen Sie IOC-Präsident werden?“ Um eine Antwort hat sich der gewiefteste Sportpolitiker Deutschlands, der bei den Olympischen Spielen in London dem scheidenden IOC-Präsidenten Jacques Rogge kaum von der Seite wich, bislang immer galant winden können. Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees ist Bach ja schon länger, an sportpolitischem Ehrgeiz fehlt es dem 58-Jährigen auch nicht, nur eine öffentliche Antwort ist der Fecht-Olympiasieger von 1976 bisher schuldig geblieben. Schwer vorstellbar ist es jedenfalls, dass Bach, ob er nun antreten und die Wahl gewinnen sollte oder nicht, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) bleibt. Im deutschen Sport haben daher schon die Planspiele für die Zeit nach Bach begonnen. Nach Informationen des Tagesspiegels gibt es inzwischen schon konkrete Überlegungen in der DOSB-Spitze.

Besonders häufig wird eine Variante genannt, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist: Hans-Peter Krämer, bisher für die Finanzen des DOSB als Vizepräsident zuständig und dabei eher im Hintergrund als in der Öffentlichkeit tätig, löst demnach Bach vorübergehend ab. Er könnte das Amt für einige Monate oder sogar mehr als ein Jahr verwalten, bis ein langfristig tätiger Nachfolger gefunden ist. Das könnte dann der jetzige DOSB-Generaldirektor Michael Vesper sein. Vesper, einst Spitzenpolitiker der Grünen, wird derzeit für DOSB-Verhältnisse außerordentlich gut bezahlt; er erhält nach Informationen aus Verbandskreisen einen mittleren sechsstelligen Betrag. Wenn Vesper das Amt über seinem derzeitigen Amt tatsächlich übernehmen sollte, würde sich die Frage seines Verdienstes stellen. Eine längere Debatte und eine Satzungsänderung vorausgesetzt, könnte er der erste hauptamtliche Präsident im Dachverband des deutschen Sports werden. Das allerdings dürfte nicht so einfach werden.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat die Diskussion über die finanzielle Entlohnung seines obersten Ehrenamtlers gerade hinter sich; es war keine erquickliche. Nach einigem Gegrummel in den Weiten des Verbandes erhält der neue DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der zuvor als Generalsekretär ebenfalls sechsstellig verdient haben soll, nun nicht viel mehr als eine Aufwandsentschädigung von etwa 6000 Euro pro Monat.

„Ich mache mir keinen Kopf um diese Fragen“, sagt Vesper auf Nachfrage. „Ich habe auch in meiner Zeit als Politiker immer erst über Dinge nachgedacht, wenn sie tatsächlich eingetreten sind.“ Zudem müsse man doch erst einmal abwarten, ob Bach im September 2013 überhaupt für den höchsten IOC-Posten antreten wolle – und ob er dann tatsächlich gewählt werde.

Dennoch wird über die Zukunft an der Spitze des wichtigsten deutschen Sportverbandes bereits in unterschiedlichen Kreisen gesprochen. In der Bundespolitik ebenso wie in Sportverbänden. Das liegt auch daran, dass eine Lösung mit Michael Vesper auch abseits der Finanzen eine Menge Diskussionsstoff bereithält. Vesper, früher grüner Minister und stellvertretender Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, hat dem Sport als Lobbyist durchaus eine kräftige Stimme gegeben. Der 60-Jährige ist durchsetzungsstark und detailkundig. Gleichwohl ist über ihn in Regierungskreisen auch zu hören, dass er mit Vertretern von Sportverbänden oftmals „barsch“ rede und sich gerne auf öffentlichen Bildern sehe, auf denen ranghohe Politiker in der Mitte stehen. Er tummele sich am liebsten im Spitzensport und lasse bei weniger populären Themen bisweilen Engagement vermissen. „In meiner Position kann man es nicht immer allen recht machen“, sagt Vesper dazu. Sein Vertrag als Generaldirekor läuft noch bis 2016, „und ich freue mich jeden Tag über meine Arbeit, auch wenn es mal Rückschläge gibt“.

Falls es das Anliegen von DOSB-Präsident Bach war, sich einen loyalen Mitstreiter ins Haus zu holen, der auch mal Probleme hemdsärmelig aus dem Weg räumt, so dürfte das Kalkül mit Michael Vesper aufgegangen sein. Der Präsident eines großen deutschen Sportfachverbands sagt: „Es ist schon erstaunlich, dass ein früherer stellvertretender Ministerpräsident in der Rolle des Dienenden so aufgeht.“ Bei seinen Positionen zeige Vesper jedenfalls eine hohe Anpassungsfähigkeit. Andererseits fehle Vesper in Gesprächen mit Vertretern des Sports „die Größe, auch mal die Meinung anderer zu akzeptieren“. Ein anderes Mitglied aus dem DOSB-Vorstand bescheinigt Vesper dagegen eine Menge Elan für die Sache: „Ich weiß gar nicht, ob der wirklich seinen Posten wechseln will, so engagiert wie der ist.“ Bei den Olympischen Spielen in London führte Vesper die deutsche Mannschaft als Chef de Mission an. Im Streit um die öffentlich gewordenen Medaillenziele für die Athleten allerdings fielen ihm – und seinem Vorgesetzten Bach – nicht allzu viele plausible Argumente für die unrealistischen Maßgaben ein.

Ohne Widerstände wird das angedachte Nachfolgemodell Krämer/Vesper also nicht durchgehen, auch wenn Finanzfachmann Krämer allseits als „seriös und bedächtig“ gelobt wird. Der 73-Jährige kann schon aufgrund seines Alters nur eine Lösung auf Zeit sein. Das dienst- und lebensälteste Mitglied der DOSB-Spitze ist bis Ende 2014 gewählt; danach darf er aus Altersgründen nicht mehr ins Präsidium einrücken. Eine Übergangszeit von Bachs möglichem Wechsel im September 2013 bis Ende 2013 könnte er aber überbrücken. „Ich weiß, dass es diese Gerüchte gibt“, sagt Krämer auf Nachfrage. „Im Präsidium war das aber noch kein Thema.“ Die nächste Sitzung in dieser Woche bietet dafür vielleicht eine gute Gelegenheit.

Ein Problem tut sich jedenfalls schon jetzt auf: Bis zur nächsten Präsidiumswahl durch die Mitgliederversammlung des DOSB Ende 2014 kann der deutsche Sport kaum kommissarisch geführt werden. Im Frühjahr 2014 stehen schließlich die Olympischen Winterspiele in Sotschi auf dem Plan. „Da sollten wir nicht mit einem Übergangsmann an der Spitze anreisen“, sagt ein hoher Funktionär.

Vielleicht ist das ja gar nicht nötig. Denn intern werden längst Lösungen von außen diskutiert. „Das Amt des DOSB- Präsidenten ist so attraktiv, dass es dann sicher Interessenten aus der Politik und der Wirtschaft anzieht“, sagt ein wichtiger Sportpolitiker. Das gelte insbesondere für den Fall, dass das Amt bezahlt werden sollte. Darüber erwarten Funktionäre aber heftige Diskussionen – und nicht wenige glauben, dass die Trennung von Haupt- und Ehrenamt im größten Breitensportverband am Ende nicht aufgehoben werden wird. Das Leben eines Sportverbandspräsidenten ist immerhin mit anderen Annehmlichkeiten verbunden – wie Reisen zu Sportveranstaltungen und -kongressen in aller Welt sowie Terminen bei mächtigen Staatenlenkern. Der ehemalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping ist nur ein früherer Spitzenpolitiker, der ein Spitzenamt im Sport übernommen hat (und es auch ungern abgeben würde); er ist Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer. Ehemalige Sportminister könnten also durchaus Interesse an der wichtigsten Präsidentschaft im deutschen Sport entwickeln. Allerdings sind die profiliertesten Köpfe der Vergangenheit, Otto Schily (80) und Wolfgang Schäuble (69), schon zu alt. Thomas de Maizière, derzeit Verteidigungsminister, ist ebenfalls im Sport gut vernetzt – er wird aber in der Union auch als ein möglicher Kanzlerkandidat für die Zeit nach Angela Merkel gehandelt.

Kandidaten für die DOSB-Spitze aus dem Sport sind bislang nicht so recht zu erkennen. Die Landessportbünde, neben den Fachverbänden die andere große Macht im deutschen Sport, haben noch keine eigene Alternative aufgebaut. Und im DOSB-Präsidium geht es hinter Bach bislang eher ruhig zu. Ein Insider aber sagt: „Davon sollte man sich nicht täuschen lassen, da schielen einige nach oben.“ Nur aus der Deckung kommen will noch niemand. Denn es ist in der Sportpolitik wie im bundespolitischen Betrieb: Wer im Rennen um Posten zuerst losläuft, kommt meist als Letzter an.

Zur Startseite