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Werder Bremen gegen Hamburger SV: Der Bürgerkrieg fällt aus

Das Risikospiel Werder – HSV geht unspektakulär, aber mit großem Polizeiaufgebot über die Bühne. War dieser Aufwand wirklich notwendig?

Das Begrüßungskommando wartete schon am Bahnhof. Schulter an Schulter standen sie und kamen mit ihren Kampfanzügen, Knüppeln und Schutzschilden wie Paramilitärs daher. Veteranen erinnerten sich an den 6. Mai 1980, an das legendenumwobene Rekrutengelöbnis im Weserstadion, in deren Folge es zur wüstesten Straßenschlacht in der Geschichte der friedliebenden Stadt Bremen kam.

Damals ging es gegen den Nato-Doppelbeschluss, diesmal – um ein Fußballspiel. Werder Bremen gegen Hamburger SV, verfeindet qua Fanclub-Satzung, weswegen die Bremer Polizei das Nordderby der Bundesliga zum Risikospiel erklärt hatte. Das wäre wohl niemandem weiter aufgefallen, wenn denn die Bremer Polizei nicht angekündigt hätte, die Kosten für den Mehraufwand der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Rechnung zu stellen. Knapp 1000 Polizisten waren am Sonntag im Einsatz – 150 sind es bei normalen Bremer Spielen, also allen ohne Hamburger Beteiligung. Um die 300 000 Euro will die Polizei jetzt eintreiben, die genaue Rechnungstellung ist offenbar eine komplizierte Angelegenheit und wird noch sechs bis acht Wochen dauern. Egal, sagen sie bei der DFL, wir zahlen eh nicht und gehen dafür gern durch alle juristischen Instanzen.

Den ganzen Sonntag über trug Bremen Polizei-Blau, was sich nicht ganz mit Werders Grün-Weiß vertrug und auch ansonsten kaum zur Stimmung an diesem sommerlichen Frühlingstag passte. Natürlich gab es die notorischen Krawallbrüder, die schon am Bahnhof die ersten Raketen zündeten. Wie immer fanden sich unter den Hooligans beider Fanabordnungen schwere und gewaltbereite Jungs, die aufeinander losgingen und natürlich auch auf die Polizei. Ein Bus und ein paar Bahnabteile wurden beschädigt, dazu listete die Polizei am nächsten Tag 85 Platzverweise gegen Hamburger und 69 gegen Bremer auf. Vier Polizisten wurden verletzt und dazu allerlei Fans und Randalierer, deren genaue Zahl niemand erfasste.

Alles nicht schön und keinesfalls zu bagatellisieren – aber musste dafür wirklich ein Bürgerkriegsszenario nachgespielt werden? Mit Straßensperren zwischen Steintor und Osterdeich, einem um das Stadion ratternden Hubschrauber, mit Blaulicht und Sirenen? Am Osterdeich lag das chillende Bremen im Gras und schaute amüsiert hinüber zur aufmarschierten Staatsmacht. Auch das chillende Bremen machte sich allerlei Straftaten schuldig, aber die Staatsmacht interessierte sich weniger für nicht ordnungsgemäß entsorgte Bierflaschen, Wildpinkler oder verdächtig duftende Zigaretten.

Die Bremer genossen den schönen Sonntag, und weil ihre Mannschaft das Spiel gegen den HSV 1:0 gewonnen hatte, stand jenseits der üblichen Verdächtigen auch niemandem der Sinn nach illegaler Frustbewältigung. Bei den Hamburgern sah das aus anderen Gründen ganz ähnlich aus. Wenn denn die vielen Niederlagen der vergangenen Wochen und Monate eines bewirkt haben, dann eine latente Befriedung der Fanszene bis hin zur Gleichgültigkeit. Die früher so stimmgewaltigen HSV-Fans fügten sich in das offenbar Unvermeidliche so lammfromm wie ihre Spieler auf dem Platz. Seit 586 Minuten haben die Hamburger in der Bundesliga kein Tor mehr geschossen, in Bremen fingen sie sich immerhin nur eines ein, was mannschaftsintern offenbar schon als Erfolgserlebnis gewertet wurde. Der Verteidiger Heiko Westermann sagte nach eineinhalb Stunden uninspirierten Gekickes allen Ernstes: „Wir haben es leider versäumt, uns zu belohnen.“

Ja, wofür denn? Vielleicht für die sedative Wirkung des Spiels, auf dass die tausend Polizisten nicht wirklich Bürgerkrieg spielen mussten.

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