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Sport: "Willst du ein Auto oder Training bei Bosch ?"

WANDLITZ .Früher war alles anders.

WANDLITZ .Früher war alles anders.Auch beim hochrangigsten Bundesangestellten G.S.Früher, da hatte er auch mal Zeit, der gelben Filzkugel nachzujagen.In den Reihen der Sportgemeinschaft des Bundestages."Und nicht schlecht", wie Gerd Rinow weiß.Doch G.S.hat kaum noch Zeit für solchen Zeitvertreib.Als Vormann der Bundesregierung sind Vorhand und Rückhand in den Hintergrund getreten.Und so wird Kanzler Gerhard Schröder morgen im Kreis seiner Bundestagskollegen fehlen, die nach 17 Uhr einen Schaukampf bestreiten.Anlaß ist die Eröffnung der Günther-Bosch-Tennis-Akademie in Bernau-Wandlitz.Von Mittwoch bis Freitag hat jedermann Gelegenheit, das neue Tennis-Refugium samt seiner Einrichtungen in der Bernauer Waldsiedlung unentgeltlich kennenzulernen.Und selbst unter Anleitung von Fachleuten das Racket zu schwingen und die Courts zu testen.

Am Ort des Geschehens war früher auch alles anders.Bis kurz nach dem Mauerfall logierte hier in einem streng abgeschirmten Areal die DDR-Führungsriege um Erich Honecker.Einige haben verschämt dem "bourgeoisen Tennissport" huldigen können.Und weil die profanen Holzschläger aus der DDR-Produktion nicht gut genug waren für das Spiel der heimlichen Becker- und Graf-Bewunderer, hat die Agentur Schalck-Golodkowski (heute Tegernsee) mal eine Lieferung von 200 Donnay-Rackets geordert.

Einige Häuschen sind noch zu besichtigen aus jenen Tagen.Dazu die moderne Reha-Klinik Waldsiedlung, Eigentumswohnungen und Eigenheime sowie das 20-Millionen-DM-Projekt Tennis-Akademie."Wir haben zehn Außenplätze mit Sandbelag, eine Hallenanlage mit sechs Courts.Vier sind mit dem Hartplatzbelag Rebound Ace, zwei mit Teppichboden ausgestattet", sagt Akademieleiter Rinow.Die Belagpalette wird komplett, wenn man die drei Kunstrasenplätze des angrenzenden TC Bad Waldsiedlung nutzt.Unterm Hallendach sind auch Körperübungen durch Badminton, Squash, Basketball, Hockey, Kleinfeldfußball oder in einem Fitneßcenter möglich.Durch Verträge mit der Klinik können auch ein Hallenbad, Sauna, Physiotherapie und sportärztliche Beratung genutzt werden.Zwölf Angestellte, inklusive der Teilzeitkräfte, halten den Laden in Schwung.

"Wir halten die Tür offen für Freizeit- und Hobbysportler ebenso wie für Profis oder ambitionierte Talente, die den Sprung in die Profikarriere anstreben", sagt der Bremer Marketing-Fachmann Rinow (41).Er hat sich auf die Fahne geschrieben, in den Klub eine Atmosphäre hineinzutragen "mit Stil und Ambiente, so daß sich jeder wohlfühlt".Unter den derzeit 18 Tennis-Azubis zwischen 14 und 20 Jahren, die im Internat wohnen, befindet sich übrigens auch der 19jährige Schweizer Stefan Pilloud.Nach bestandenem Abitur gipfelte die väterliche Anerkennung in dem Angebot: "Willst du ein Auto oder einmal bei Günther Bosch trainieren?" Tennisfan Pilloud wählte Bosch, wählte drei Monate Wandlitz, wählte Tennisunterricht bei Bosch oder seinen Tennislehrern Daniel Dobre und Adrian Marcu.

Der Komplettpreis pro Monat liegt zwischen 4000 und 5000 DM.Eine Lehrerin steht für Schulpflichtige zur Verfügung.Zwei 14/15jährige besuchen das Gymnasium Wandlitz.Tennisunterricht und Schulausbildung im Paket, das kann kaum eine andere der neuerdings in Deutschland aus dem Boden sprießenden Tennis-Akademien bieten.Für Touristen wird ein 80-Zimmer-Hotel auf gehobenem Standard das Ensemble ergänzen.

Günther Bosch - auch bei ihm war früher vieles anders.Als er noch für Rumänien im Davis Cup spielte oder dann Boris Becker 1986 als Trainer zum ersten Wimbledon-Triumph eines Deutschen führte.Als Tennis-Kolumnist und TV-Co-Kommentator blieb er in der Szene, führte eine Tennis-Akademie in Salzburg.Als ihn der Ruf des Großinvestors Michels-Gruppe für das Modell Wandlitz erreichte, gab er seine anderen Wohnorte in Salzburg und Königslutter auf und pendelt nur noch zwischen seinem Hauptwohnsitz Monte Carlo und eben Bernau bei Berlin.Die tennisbegeisterten Parlamentarier hat er schon in Bonn mitbetreut.Das muß angekommen sein, sonst wären sie ihm nicht an den Ostrand Berlin gefolgt.

Was hat den stets gebräunten und akkurat gedreßten Bosch, mittlerweile 62, veranlaßt, sein Glück als Tennisausbilder auf märkischem Sand zu versuchen? "Ich möchte in der östlichen Region Deutschlands ein Talent finden und ihm helfen, seinen Weg nach oben zu finden." Von Becker hieß es nicht selten, solch einen gebe es in Deutschland wohl nur alle 100 Jahre.Die sind übrigens in ein paar Monaten vorüber.Rein statistisch gesehen, kann ein ähnlicher Glücksfall also nicht ausgeschlossen werden.

ERNST PODESWA

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