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Tradition und Moderne. In Breslau finden Spiele der Handball-EM an einem historischen Ort statt, in der Jahrhunderthalle, die zum Weltkulturerbe zählt. In Krakau ist dagegen eigens für das Turnier eine hochmoderne Arena errichtet worden. Foto: Imago

© imago/Newspix

Zwei Tage vor dem Turnierstart: EM in Polen: Handball und Weltkulturerbe

Polens startet mit Hilfe des Sports eine neue Imageoffensive: Die Handball-Europameisterschaft ist bereits das dritte internationale Großereignis seit 2012. Beobachtungen aus Breslau.

Vielleicht ist die Frage wirklich ein bisschen fies. Magdalena Korzeniowska kann sie jedenfalls nicht verstehen, oder besser gesagt: sie will nicht, trotz exzellenter Deutschkenntnisse. Deshalb antwortet die nette Dame vom Polnischen Fremdenverkehrsamt mit einer Geste: Sie schüttelt den Kopf und lässt ihren Blick durch die Jahrhunderthalle von Breslau wandern, diesen historischen Bau mit seiner kolossalen Stahlbetonkuppel, der seit der Eröffnung im Jahr 1913 das Pantheon in Rom überragt und seit 2006 zum Weltkulturerbe zählt. In diesem Betonbau sollen also Spiele der Handball-Europameisterschaft stattfinden – kann da überhaupt richtig Stimmung aufkommen? „Moment“, sagt Korzeniowska und hebt den Zeigefinger. Wenig später laufen im Konferenzraum Bilder großer Sportevents über den Bildschirm, die bereits in der Jahrhunderthalle stattgefunden haben. Weltmeisterschaft der Gewichtheber, Olympia-Qualifikation der Handballer, Davis Cup, Volleyball-WM. Es sind bewegende und emotionale Bilder, das Publikum johlt, Sportler jubeln, die Atmosphäre ist greifbar. Magdalena Korzeniowska steht in der Ecke des Raums und lächelt zufrieden. „Noch Fragen?“

Fußball-EM, Volleyball-WM, jetzt Handball-EM - und das in nur vier Jahren

Es ist der Moment, in dem sich die Begeisterungsfähigkeit der Polen erahnen lässt, in dem die Vorfreude auf die nächste sportliche Großveranstaltung konkrete Formen annimmt. Nach der Fußball-Europameisterschaft 2012, gemeinsam ausgetragen mit der Ukraine, und der Volleyball-Weltmeisterschaft 2014 richtet Polen vom 15. bis 31. Januar erneut ein Turnier in einer der bedeutsamen Ballsportarten aus. Ein Jahr nach dem Wahnsinn bei der Weltmeisterschaft in der katarischen Wüste macht der Handball damit wieder Station in einem Land, in dem die Sportart ausgeprägte Popularität genießt und nicht explizit als Mittel zur Inszenierung der eigenen Ansprüche dient. Für diese Erkenntnis genügt ein Blick auf das Zahlenwerk vor dem Turnier: In Doha belief sich die Anzahl ausverkaufter Spiele auf genau eins, nämlich das Finale zwischen Gastgeber Katar und dem späteren Weltmeister Frankreich. In Polen dagegen hat es nicht einmal vier Stunden gedauert, bis alle Karten verkauft waren. Für das gesamte Turnier, versteht sich, und nicht nur – wie oft üblich – für die Auftritte des Gastgebers. Auch auf dem Schwarzmarkt erzielen die Tickets vergleichsweise hohe Preise.

„Die Polen werden überragende Gastgeber sein, das steht völlig außer Frage“, sagt Michael Biegler, der deutsche Nationaltrainer Polens, „das war bei den letzten Turnieren immer so.“ Beim Eröffnungsspiel der Volleyball-WM etwa, das im Nationalstadion vor 62 000 Zuschauern ausgetragen wurde – bis heute gültiger Weltrekord. Oder bei der Fußball-EM, als tausende bierseliger Fans aus Irland innerhalb weniger Tage die Alkoholvorräte der Stadt Posen plünderten und ein inoffizielles Volksfest feierten, obwohl oder gerade weil ihre Mannschaft sportlich völlig chancenlos war. Ähnliche Bilder will das Land auch diesmal hinaus in die Welt transportieren, aller politischen Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit zum Trotz.

Die Polen wollen mit ihrer Gastfreundlichkeit punkten, Politik soll keine Rolle spielen

„Wir sind ein aufmerksames, friedliches und freundliches Land“, sagt Maciej Jankiewicz vom Polnischen Auswärtigen Amt bei einem Spaziergang durch Krakau, dem Spielort der polnischen Mannschaft, in dem eigens eine 15 300 Zuschauer fassende Arena errichtet worden ist. „Und wir sind bekannt für unsere Gastfreundschaft, damit wollen wir auch diesmal punkten.“ Ebenso wie mit den wunderschönen historischen Altstädten in den Studenten-Metropolen Krakau und Breslau mit all ihren Kneipen und Cafés.

In Breslau etwa sind die Hotelzimmer seit Monaten ausgebucht, was allerdings nicht ausschließlich an der Handball-EM liegt. Die viertgrößte Stadt des Landes ist von der Europäischen Union für 2016 als Kulturhauptstadt Europas auserkoren worden. Neben dem sportlichen Spektakel gibt es ab dem 15. Januar – also dem Tag des EM-Eröffnungsspiels – eine Vielzahl kultureller Veranstaltungen. „Im Moment zählt für die meisten Polen aber nur eins“, sagt Janiewicz, „die Handball-EM“. Die Fans erwarten von ihrem Team nicht weniger als den Titel.

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