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Chefsache. Bundestagspräsident Norbert Lammert und seine Parlamentsverwaltung hatten Auskünfte über die Legislative zum verschwiegenen "Kernbereich" erklärt – die Gerichte sind dagegen.

© dpa

Oberverwaltungsgericht zu Lobbyisten-Kontakten: Das Hohe Haus muss offener werden

Fraktionen und Abgeordnete wollten nicht, doch die Justiz drängt den Bundestag zu mehr Transparenz: Das Mandat ist keine Tabuzone mehr.

Der geheime Lobby-Weg in den Bundestag verdient mehr Öffentlichkeit. Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vergangenen Freitag auf eine Tagesspiegel-Klage hin beschlossen. Künftig muss das Parlament darlegen, welche Fraktion für welche Firmen- und Verbandsvertreter Dauereintrittskarten vergibt, die ungehinderten Zugang zu den Abgeordneten verschaffen. Grüne, Linke und SPD hatten schon vorgelegt, nur die Union mauert, und dies auf Anfrage auch am Montag noch. Wenn, dann möge die Bundestagsverwaltung dazu die jetzt fälligen Auskünfte erteilen, heißt es – die im Übrigen auch noch zögert. Die Fraktion jedenfalls sei dazu nicht verpflichtet worden.

Formal korrekt. Allerdings erscheint fraglich, ob sich diese Position auch in künftigen Diskussionen um parlamentarische Transparenz halten lassen wird. Denn der OVG-Beschluss zu den sogenannten Hausausweisen (OVG 6 S 45.15) stellt eine Weiche. Die Juristen von Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) hatten gemeint, mandatsbezogene Tätigkeiten wie der Kontakt zu Lobbyisten seien kein Fall für die Öffentlichkeit. Es gebe einen „Kernbereich legislativer Eigenverantwortung“, der Informationswünschen entzogen sei.

Ein Irrtum, wie sich nun herausstellt. Das OVG macht deutlich, dass es keine infomationelle Tabuzone für Mandatsträger gibt und es sie im Prinzip auch nie gegeben hat. Vielmehr müsse im Einzelfall abgewogen werden, ob solche Auskünfte die Mandatsarbeit nachteilig beeinträchtigen könnten. Im Fall der Hausausweise sei dies unerheblich, heißt es, weil die Erteilung einer Jahreskarte noch nichts darüber sagt, welche Abgeordneten sich konkret mit welchen Lobby-Vertretern getroffen haben könnten.

Die Bundestagsverwaltung könnte sich nun vermehrt mit Anfragen auseinandersetzen müssen, die Abgeordnete und Fraktionen betreffen – auch wenn diese manche Antworten lieber für sich behalten würden. Etwa zur Verwendung staatlicher Mittel. Möglich sogar, dass sich die Legislative insgesamt stärker im Licht der Öffentlichkeit präsentieren muss, als sie es gewohnt ist. Zwar meint das OVG, der einzelne Bundestagsabgeordnete unterliege „keiner Auskunftspflicht durch die Presse“. In der neueren Rechtsprechung des Berliner Verwaltungsgerichts wird indes betont, dass „Stellen der Legislative“ wie „der Deutsche Bundestag und seine Verwaltung“ generell Fragen der Presse beantworten müssten. Abgeordnete seien „Inhaber eines öffentlichen Amtes“ und übten „öffentliche Gewalt“ aus. So einleuchtend diese Feststellungen sind, so offen ist, welche Transparenzpflichten daraus noch folgen können.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 24. November 2015 - einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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