zum Hauptinhalt
Gefährliche Nähe. Kinder sind ihnen lieber, als ihnen lieb ist. Deshalb müssen Pädophile ihre Sexualität ein Leben lang unterdrücken.

© Getty Images/iStockphoto

Therapie an der Charité Berlin: Wie ein Pädophiler dem Trieb widerstehen lernt

Holger Neumann steht auf Jungen. Er kämpft jeden Tag gegen seinen Trieb. Damit das gelingt, trifft der 30-Jährige Therapeuten der Berliner Charité. Alle wissen: Liebe wird er niemals finden. Unser Blendle-Tipp.

Die beiden liegen auf der Couch. Sie kuscheln, lachen und reden. Darüber, wie der Tag war, über Wochenendpläne, über den Urlaub, den beide herbeisehnen. Irgendwann küssen sie sich, was zu heftigem Sex führt. Dann schlafen sie nebeneinander ein. Nach dem Aufwachen gibt es ein gemeinsames Frühstück.

Holger Neumann, 30 Jahre, ist Tischler und muss an diesem Morgen auf Montage ins Berliner Umland. Er packt Kaffeekanne und Werkzeug ins Auto. Max packt Bücher und Hefte in den Schulranzen.

Denn Max ist elf.

Die Couch, die Urlaubspläne und den Sex gab es nicht wirklich. An einem Kind, sagt Neumann, habe er sich nie vergriffen. Was er da beschreibt, sind Fantasien. Neumann ist pädophil. Jeden Tag denkt er daran, wie schön es wäre, einen Freund zu haben. Eine Liebesbeziehung. Als könne ein Kind das so souverän entscheiden wie ein Erwachsener.

Sex mit Kindern – kaum etwas gilt als abstoßender, verwerflicher. Von wem bekannt ist, er begehre Kinder, der verliert schnell Familie, Job, Freunde. Werden Fälle von Kindesmissbrauch öffentlich, folgt oft die Forderung nach der Todesstrafe. Neumann, der eigentlich anders heißt, spricht dennoch über sich.

Holger Neumann ist schlank, groß, blond. Er hat helle, lebhafte Augen, die sein freundliches Wesen zu ergänzen scheinen. Er ist hübsch, aber jemand, der sich nicht für andere zurecht macht, dem egal ist, ob er modisch aussieht.

Nahezu alle Betroffenen sind Männer

An einem Sommertag sitzt Neumann im Institut für Sexualmedizin der Charité in Berlin-Mitte. Ein kleiner Nebenraum, auf einem Tisch stehen Kekse und Kaffee. Seit fünf Jahren wird Neumann an der Universitätsklinik behandelt. Er ist Patient im Projekt „Kein Täter werden“. In den vergangenen zehn Jahren haben rund 2500 Männer dort um Rat gefragt, Hunderte davon nahmen an einer Therapie teil. Dazu kommen Tausende, die sich an die bundesweit zehn anderen Projektstandorte wandten. Nahezu alle Betroffenen sind Männer. Viele berichteten dort, dass sie Spott und Hass fürchteten – und lange mit sich gerungen hätten, bevor sie sich meldeten.

An der Charité arbeiten Psychologen und Ärzte um den Sexualmediziner Klaus Michael Beier am immer gleichen Ziel: Wer sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlt, soll lernen, seine Neigung so zu kontrollieren, dass er sie nie auslebt. Mehr als ein Prozent aller Männer gelten als pädophil. Allein in Deutschland gebe es folglich Hunderttausende potenzieller Täter – und potenzieller Patienten.

Viele Juristen, Forensiker, Therapeuten sagen: Die meisten Pädophilen vergreifen sich nie an einem Kind, einige haben auch nie „Kinderpornos“ genannte Missbrauchsfilme gesehen. Und ausgerechnet Silvio S. aus Brandenburg, der Mörder des sechsjährigen Elias und des vierjährigen Mohamed, ist nicht pädophil. Er habe, hieß es vor Gericht, seiner einsamen Seele nur Macht gönnen wollen – und weil Erwachsene für ihn unerreichbar waren, wollte er sie über Kinder haben...

Lesen Sie den ganzen Artikel für 45 Cent hier im digitalen Kiosk Blendle.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false