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ÄRGER MIT BEHÖRDEN Wie Sie sich wehren können: Abgestempelt, abgelehnt, abgelegt

Experten sagen: Die Ämter messen mit zweierlei Maß. Die Bürger müssen sich das aber nicht gefallen lassen

Wer mit Behörden im Clinch liegt, braucht viel Zeit: Ein Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht zieht sich oft über Jahre hin. Das beklagte vor einigen Wochen TV-Moderator Günther Jauch, nachdem er bereits im März seinem Ärger über die Potsdamer Bauverwaltung Luft gemacht hatte. Manches Objekt, so sagte er damals öffentlich, habe er nur deshalb nicht zur Sanierung erworben, weil er bestimmten Sachbearbeitern „kein zweites Mal begegnen wollte“. Unter anderem warf er den Ämtern Willkür vor. „Denkmaldetailvernichter und Pinselsanierer“ hätten bessere Chancen durchzukommen.

Schlampige Bescheide. Für den Berliner Rechtsprofessor Ulrich Battis sind Probleme mit der Bau- und Denkmalverwaltung „ganz klassische Konflikte“. Diese würden dadurch verschärft, dass die Zeit in den Ämtern durch die Beschleunigungsvorschriften der vergangenen Jahre knapper geworden ist. „Da kann es schon einmal zu Fällen von Ungleichbehandlung kommen oder zu Bescheiden, die unvollständig oder schlicht schlampig gemacht sind“, sagt der Verwaltungsrechtsexperte.

Zweierlei Maß. Die Stadt Potsdam hatte ihn nach Jauchs scharfer Kritik mit einer Prüfung der Bauverwaltung beauftragt. Das Zeugnis, das er dem Staatsdienst ausstellte, fiel miserabel aus. Die gleichmäßige Anwendung des Rechts, so heißt es in dem 53-Seiten-Bericht, sei in Potsdam organisatorisch nicht sichergestellt. Es werde oft mit zweierlei Maß gemessen. Gerade bei der Anwendung des Denkmalschutzgesetzes würden die Beamten teilweise das „Gebot der Verhältnismäßigkeit“ und der „Zumutbarkeit von Auflagen“ nicht beachten.

Fehler im Antrag. Diese Ergebnisse könne er natürlich nicht verallgemeinern, betont Battis. Zudem liege die Verantwortung für Probleme oft nicht nur bei der Verwaltung. Gerade bei Bauvorhaben seien Zeit und Geld der Antragsteller oft knapp. Nicht immer hätten sie alle Unterlagen beisammen, die für die Beurteilung des Projekts wichtig sind. In die Antragspapiere schleichen sich außerdem oft Fehler ein, etwa wenn der Architekt Abstands- oder Dachflächen nicht richtig berechnet hat.

Mit dem Bearbeiter reden. Angela Rapp, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, rät deshalb bei Ärger mit den Ämtern zu Gelassenheit. „Es ist sinnvoll, zuerst einmal mit dem zuständigen Bearbeiter zu reden, am besten persönlich. Er sollte die Entscheidung genau erklären und begründen.“ Soll zum Beispiel eine Baugenehmigung deshalb abgelehnt werden, weil sich der Anbau nicht „in die Umgebung einfügt“, kann sich der Bauherr unter dieser juristischen Begründung wenig vorstellen. „Liegt es aber daran, dass die Außentreppe aus Denkmalschutzgründen bei allen Häusern der Straße geschwungen und nicht gerade sein soll, lässt sich das diskutieren und oft ein Kompromiss finden“, sagt Rapp.

Widerspruch einlegen. Nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz sind die Behörden zur Erläuterung und Begründung ihrer Entscheidung verpflichtet. Dabei ist es grundsätzlich egal, ob es um eine Baugenehmigung, einen abgeschleppten Pkw oder die Gewerbeerlaubnis geht. Bei aller Dialogbereitschaft darf der Bürger aber eines nicht vergessen: Gegen den Verwaltungsakt muss er in aller Regel Widerspruch einlegen. Normalerweise bleibt dafür ein Monat Zeit. Beim Einspruch gegen ein Bußgeld sind es 14 Tage. Anderenfalls wird die Entscheidung rechtskräftig – und damit rechtlich unangreifbar. Auf die jeweilige Frist muss das Amt hinweisen. Im Widerspruchsverfahren prüft die Behörde ihren Bescheid noch einmal. Will sie von ihrer ursprünglichen Auffassung nicht abrücken, muss sie die Entscheidung der nächsthöheren Stelle überlassen.

Bleibt es bei der Ablehnung, muss das nicht unbedingt in einen zähen Gerichtsprozess münden. Da die oft ein bis zwei Jahre dauern – in Berlin waren es 2006 im Durchschnitt 23,7 Monate – setzt sich zunehmend ein anderes Verfahren durch: die Mediation. „Derzeit bilden wir dafür wieder Richter aus“, sagt Joachim Buchheister, Sprecher des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg. Seine Kollegen am Gericht beschäftigen sich dabei mehr mit Psychologie als mit Recht: „Es geht in solchen Kursen vor allem um Methoden der Konfliktlösung und Gesprächsführung.“

Gütliche Einigung. Bei der Mediation haben die Richter keine Entscheidungsgewalt. Sie versuchen, zwischen den Parteien zu vermitteln. Stolze 75 Prozent der Verfahren enden nach Auskunft des Oberverwaltungsgerichts mit einer Einigung. Auch Anwältin Angela Rapp hält viel von Gerichtsmediation. Diese setze sich immer mehr durch, sei oft erfolgreich – und schnell. Der Mediator vereinbart einen Gesprächstermin mit den Parteien und eventuell deren Anwälten. Da er die Akten vorher nicht rechtlich bewerten muss, sondern vor allem auf eine für beide Seiten akzeptable Lösung hinarbeiten soll, geht das meist zügig. Die Gespräche dauern selten mehr als zwei Stunden.

Klagen. Auch einige Anwälte für Verwaltungsrecht bieten Mediationsverfahren an, ohne dass das Gericht überhaupt beteiligt sein muss. Wer aber schon einen negativen Widerspruchsbescheid in der Tasche hat, sollte sich zumindest auch an das Gericht wenden. Denn er muss innerhalb eines Monats Klage einlegen, sonst wird der Bescheid rechtskräftig. Wer zu Gericht geht, aber eigentlich ein Mediationsverfahren möchte, kann das gleich bei der Klageerhebung erwähnen. Allerdings muss auch die Behörde zu dem Vermittlungsgespräch bereit sein. Die Mediation ist freiwillig – für beide Seiten.

Wenn die Behörde hart bleibt. Dass die Verwaltung ihr nicht in jedem Fall zustimmt, hat gute Gründe. Denn für sie gilt das „Prinzip der Gesetzmäßigkeit“: Sie kann nicht immer Kompromisse eingehen. Vor allem dann nicht, wenn ihr die rechtlichen Bestimmungen wenig oder gar keinen Handlungsspielraum lassen. Etwa, wenn es um Abgaben geht. „Oft muss man dann die gesetzliche Grundlage, zum Beispiel die Satzung der Stadt, angreifen“, sagt Angela Rapp. Und das geht nur in einem Gerichtsprozess.

Eva Kehr

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