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Eklat um Hass-Song von Rapper Bushido: Was darf Musik?

In einem Video beleidigt Gangster-Rapper Bushido Politiker und stößt Todesdrohungen aus. Die Provokation ist kühl kalkuliert. Nun drohen dem Musiker juristische Konsequenzen.

Wer am Sonntag auf der Videoplattform Youtube im Internet den aktuellen Song der Rapper Bushido und Shindy sucht, erlebte ein ständiges Hin und Her. An einigen Stellen erschien statt des Videos zu dem Lied „Stress ohne Grund“ ein Hinweis, dass der Clip entfernt wurde, weil er „gegen die YouTube-Richtlinie zum Verbot von Hassrede verstößt“. An anderen Stellen konnte man den Song jedoch unzensiert hören und sehen. Darin teilen die Rapper verbal kräftig aus: Sie ziehen über „Bitches“ und „Opfer“ her, lassen schwulenfeindliche Sprüche gegen Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit ab und äußern Mordfantasien gegenüber Politikern wie der Grünen-Chefin Claudia Roth. Das hat am Wochenende viel Empörung provoziert, Klaus Wowereit will an diesem Montag Strafantrag stellen.

Überrascht Bushidos Auftritt wirklich?

In Interviews argumentiert Bushido, man müsse Gewaltandrohungen in seinen Songs als Stilmittel der Rapkultur verstehen und dürfe sie nicht ernst nehmen. Dem widerspricht, dass der Rapper in der Vergangenheit auch im realen Leben durch wüste Einschüchterungen aufgefallen ist. Zum Beispiel seine Drohungen gegen ein Team des Fernsehsenders Sat.1 auf offener Straße: Da die Kamera unbemerkt mitlief, sind Sätze wie „Bevor die Bullen kommen, hast Du auf die Fresse bekommen, ganz einfach“ dokumentiert. Mehrfach stand Bushido wegen Beleidigung oder Körperverletzung vor Gericht.

Dass ausgerechnet er 2011 den „Integrations-Bambi“ erhielt, wurde unter anderem von Homosexuellen-Verbänden scharf kritisiert. Immer wieder hatte sich Bushido abfällig über Schwule geäußert – zum Beispiel in der Songzeile „Berlin wird wieder hart, denn wir verkloppen jede Schwuchtel“. Massive Kritik gab es an seinem Satz „Ihr Tunten werdet vergast“. Bushidos Plattenfirma argumentierte damals, der Spruch sei nur in der Originalversion eines Bushido-Lieds enthalten gewesen und auf der gepressten CD in die Zeile „Ihr Tunten werdet verarscht“ umgewandelt worden. Auch in der Vergangenheit landeten schon Alben von Bushido auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

Wer hört überhaupt noch Bushido?

Bushido selbst, das hat er wiederholt betont, sieht sich als Geschäftsmann. Wie kein anderer deutscher Rapper versteht er es, gezielt Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Hilfreich sind dabei provokative Imagewechsel. In den ersten Jahren seiner Karriere fiel er durch gewaltverherrlichende, sexistische und homophobe Texte auf, auch Antisemitismus wurde ihm vorgeworfen. Mit seiner Autobiografie 2008 setzte dann der Imagewandel zum geläuterten Künstler ein, der sich seiner Verantwortung für die Jugend bewusst ist. Das machte ihn einerseits massentauglich: Zu seinen Konzerten kamen nun nicht mehr ausschließlich die jugendlichen, meist schulpflichtigen und großteils männlichen Hörer von Gangster-Rap.

Sein Konzert in der Berliner O2-World wollten 10 000 Fans sehen, darunter auch viele Familien. Andererseits führte sein bürgerliches Image dazu, dass die hartgesottenen Gangster-Rap-Hörer sich nun jüngeren, brutaleren Rappern wie Kollegah, Farid Bang oder Haftbefehl zuwandten, die allesamt Charterfolge feiern konnten. Bushido dagegen verlor in der Szene Respekt, weil er in der Öffentlichkeit mit milieufernen Musikern wie Peter Maffay oder Karel Gott auftrat. Bushidos Rückkehr zu drastischen Sprüchen wird von Kritikern als Versuch gesehen, sich wieder der eigentlichen Zielgruppe seiner Musik anzubiedern – auch als Reaktion auf die rückläufigen Albenverkäufe.

Ganz unterbinden lässt das Video sich kaum

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Darf Youtube das Hass-Video zensieren?

„Wer sich bei Youtube anmeldet, stimmt den Nutzungsbedingungen zu, nach denen keine gewaltverherrlichenden Videos eingestellt werden dürfen“, sagt der Berliner Medienrechtler Tim Hoesmann. Auch stimme man zu, dass Youtube Videos nach eigenem Ermessen löschen kann. „Andernfalls könnte Youtube für deren Inhalte verantwortlich gemacht werden.“ Youtube zensiert jedoch nicht auf eigene Initiative, sagt Deutschland-Sprecherin Mounira Latrache. Man reagiere nur, wenn Nutzer sich über ein Video beschweren. Dann prüft ein Team in den USA, ob gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen wird und sperrt den Clip gegebenenfalls. „Gewaltverherrlichung und Hassbotschaften tolerieren wir nicht“, sagt die Sprecherin. Allerdings passiert es in solchen Fällen oft, dass andere Nutzer das Video erneut einstellen. Darauf reagiert Youtube dann erst, wenn es erneut Beschwerden gibt. Komplett unterbinden lassen sich Videos daher kaum.

Wie ist die Reaktion im Netz?

Während Bushido seine Follower und Klicks zählt („1 Million in unter 48 Stunden geknackt!“), diskutiert man im Internet seinen Song äußerst kontrovers. Seine Fans feiern ihn für die geglückte Provokation. Von seinen Anhängern wird Bushido vergöttert als „millionenschwerer Rapper, der sagt was er denkt und fertig." Den meisten Kommentatoren im Netz aber geht der Song zu weit, besonders die Zeilen gegen Claudia Roth und andere Politiker. In den Kommentaren auf tagesspiegel.de bringt es User macthepirat auf den Punkt: „Todesdrohungen sind indiskutabel.“ Auch in der Rap-Szene selbst sind die Reaktionen gespalten. Rapper Kay One, früher mal ein Freund von Bushido und nun selbst Opfer der Hass-Attacke, äußerte sich auf Facebook kritisch. Der Gangster-Rapper Bass Sultan Hengzt hingegen feiert seinen Kollegen via Twitter dafür, dass er „den Vogel abgeschossen“ hat. Auch Bushidos Rap-Kollege Eko Fresh rührt die Werbetrommel: „Frisch rasiert und das Shindy Album besorgt.“

Welche juristischen Folgen drohen?

Es ist abzuwägen, ob das Persönlichkeitsrecht der in dem Lied angesprochenen Personen überwiegt oder die künstlerische Freiheit, sagt Medienanwalt Hoesmann. „Ich denke, die Passage über Claudia Roth ist als Mordaufruf zu verstehen und daher nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt.“ Die entsprechenden Textzeilen sind allerdings „sehr clever angelegt“, sagt jedoch der Berliner Medienrechtler Roman Ronneburger.„Die stellen ja nicht wörtlich einen Mordaufruf dar und die Zielgruppe wird sie wohl kaum als direkten Aufruf verstehen, die Betreffenden zu töten.“

Mit der Beschimpfung Wowereits ist aus Sicht von Anwalt Hoesmann ebenfalls „die rechtlich zulässige Grenze Überschritten“. Zum einen wird er individuell beleidigt, zum anderen werden Homosexuelle als Gruppe beschimpft – letzteres könne nach dem Artikel 131 des Strafgesetzbuches als Aufruf zu Hass und Gewaltdelikten verstanden werden. Anwalt Ronneburger gibt allerdings zu bedenken, dass ablehnende Meinungen zu Homosexualität „grundsätzlich zunächst von der Meinungs- und hier unter Umständen von der Kunstfreiheit gedeckt“ ist. Dennoch hält er es für justiziabel, wie es in diesem Lied passiert: „Im Falle einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte muss im Einzelfall nach Abwägung die Kunst- und Meinungsfreiheit hinter die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen zurücktreten.“

Nun kann eine Unterlassung erwirkt werden, dann wird die Liedverbreitung gestoppt. Dann kann zivilrechtlich Schmerzensgeld gefordert werden. Und dann drohen strafrechtliche Konsequenzen. Bei einer Verurteilung nach Paragraf 131kann laut Hoesmann eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr verhängt werden, eine Geldstrafe sei aber wahrscheinlicher.

Medienanwalt Ronneburger hält zudem eine Indizierung nach dem Jugendschutzgesetz und sogar ein strafrechtliches Verbreitungsverbot für möglich. Er befürchtet allerdings, „es gehört hier zum Kalkül der Musiker, dass ihr Lied auf den Index kommt. Dann sind sie wieder voll im Gespräch, können ihr Bad-Boy-Image pflegen – und es ist tolle Werbung für ihre nächsten Konzerte“.

Welche Verbindungen hat Bushido ins kriminelle Milieu?

Juristischen Ärger hat Bushido auch an einer anderen Front: Im Mai dieses Jahres hatten Fahnder die Privaträume des Musikers sowie Büros seiner Steuerberater durchsucht. Anlass ist laut Staatsanwaltschaft „der Verdacht einer Steuerstraftat“. Zeitgleich sollen auch das Büro und die Privaträume von Bushidos Freund und Geschäftspartner Arafat Abou-Chaker durchsucht worden sein. Dass der Rapper mit dem vielfach polizeibekannten arabischen Clan eng verbandelt ist, hatte der „Stern“ im April aufgedeckt. Demnach hat Bushido seinem Freund eine so genannte Generalvollmacht ausgestellt. Die Vollmacht soll über den Tod hinaus gelten und fast alle Rechte umfassen – wie etwa den Zugriff auf Konten, Immobilien und Einnahmen des Rappers. Nach Informationen der „Zeit“ soll es auch eine umgekehrte Generalvollmacht geben. Die Abou-Chakers gelten seit einigen Jahren als führende Großfamilie der Stadt. Die Staatsanwaltschaft rechnet den Clan der Organisierten Kriminalität zu.

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