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Gesundheit: Im Reich der Königin von Saba

Deutsche Archäologen heben im Jemen sensationelle Schätze: Schlüssel zur Geschichte des Orients

„Sirwah ist verboten.“ Trotz schriftlicher Genehmigung des Kultusministers versperrt der lokale Polizeiposten den Weg. Die Behörden in der Provinz Marib, 40 Kilometer östlich der jemenitischen Hauptstadt Sanaa, sind nervös. Erst weitere Stempel des regionalen Gouverneurs und des Polizeichefs machen Iris Gerlach den Weg frei zu ihrer Ausgrabungsstätte in Sirwah – mit schwer bewaffneter Militäreskorte. Seit der deutsche Ex-Staatssekretär Chrobog entführt wurde, hat man im Jemen Angst, in der aufmüpfigen Region Marib könnten verfeindete Stämme noch einmal westliche Geiseln als Druckmittel nehmen und damit im Ausland schlechte Presse machen. Die Straßenposten agieren dementsprechend hyperkorrekt.

Die Begrüßung der deutschen Archäologin durch die Dorfbewohner von Sirwah jedoch ist herzlich. Die halbe Siedlung begleitet Gerlach und ihre Begleiter in das spektakuläre antike Stadtareal. Seit 2001 legt die Statthalterin des Deutschen Archäologischen Instituts im Jemen hier das zweite Zentrum des Königreichs von Saba frei – mit erstaunlichen Ergebnissen. Auf einem nur 200 mal 200 Meter großen natürlichen Plateau am Ausgang eines Wadis drängen sich ein riesenhafter Tempel des Reichsgottes Almaqah, die Schutthügel von vier weiteren Kultbauten, ein Verwaltungstrakt und vermutlich Wohngebäude. Eine noch heute teilweise acht Meter aufragende, ovale Kasemattenmauer mit einem Turm aus wohlbehauenen Kalksteinquadern umringt das Areal. Die Bauten stammen aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. Ein Alabasterbergwerk, Staudamm und Wasserkanäle, Werkstätten und ein Friedhof runden das Bild einer sabäischen Stadt ab.

Die Sabäer schufen im 8. Jahrhundert v. Chr. das erste Königreich in Südarabien. Eine raffinierte Bewässerungtechnik ermöglichte eine Überschüsse produzierende Landwirtschaft, der Salzhandel und die Kontrolle der Weihrauch-Fernhandelsrouten brachten Reichtum und Macht. Nach dem Alten Testament besuchte die Königin von Saba den israelitischen König Salomon in Jerusalem mit Kamelladungen an Preziosen. Die beiden geschichtsmächtigen Figuren sind archäologisch allerdings (noch) nicht dingfest gemacht und bleiben so zunächst Legende.

Sagenhaftes rankte sich Jahrhunderte um die Südwestecke der Arabischen Halbinsel – angefangen mit der Expedition der altägyptischen Pharaonin Hatschepsut ins Weihrauchland Punt, das irgendwo hier liegen sollte. Auch die gefährlichen Forschungsreisen europäischer Gelehrter im 18. und 19. Jahrhundert lichteten den exotischen Nebel nur wenig. Wer die südarabischen Königreiche regierte und wie ihre Menschen lebten, blieb weitgehend unbekannt.

Seit rund 40 Jahren holen vor allem Archäologen des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Berlin die Geschichte der frühen arabischen „Staaten“ ans Licht. Das sabäische Reich blühte rund 200 Jahre. Kurzlebige Reiche der Hadramiten und Qatabaner ebneten den Himyar den Weg an die Macht, wo sie sich bis 525 n. Chr hielten. Abessinier, Assyrer, Römer, Perser folgten. Nach der Islamisierung verabschiedete sich Südarabien aus der großen Geschichte.

Sirwah liefert nun Nachrichten von den Anfängen: Hier wurde vor Jahren die Reichsproklamation des sabäischen Herrschers Karib il-Watar ausgegraben – 685 v. Chr in einen Steinblock gemeißelt. Im letzten Jahr nun hat Iris Gerlach eine weitere, sensationelle Inschrift ausgegraben. In sieben langen Zeilen berichtet der bis dahin unbekannte Herrscher Yitha’amar Watar bin Yakrubmalik auf einem 30-Tonnen-Monolith von der Unterwerfung benachbarter Könige. „Das ist sein Kriegstagebuch“, fasst Norbert Nebes den unpublizierten Inhalt zusammen. Und der Epigraphiker von der Universität Jena kann den Kriegsherrn datieren: Die Inschrift stammt aus dem Jahr 715 v. Chr. Damit liefert sie das bislang älteste Datum für die Entstehung des sabäischen Reichs. Die so exakten Jahreszahlen erschließt sich Nebes über die zuverlässigen assyrischen Annalen, in denen die beiden Saba-Könige erwähnt werden.

Für die Zeit davor gibt es aus Südarabien kaum und vor allem keine zusammenhängenden Nachrichten. Irgendwann um 1200 v.Chr. wanderten, so Nebes bevorzugte Hypothese, die Proto-Sabäer aus der palästinensisch-syrischen Region ein. In Schrift und Sprache findet er „ganz augenfällige Übereinstimmungen“ zwischen Levante und Südwestarabien. Die Neubürger aus dem Norden brachten „städtisches Wissen“ mit – zum Beispiel eine ausgefeilte Steinmetztechnik – und übernahmen die jahrhundertealte Wasserbautechnologie der Einheimischen. Über die ersten Schritte Richtung Reichsgründung und Volkwerdung gibt es keine Nachrichten. Die sabäische Hochkultur erscheint plötzlich und voll ausgereift. Jedenfalls meldet sich im 8. Jahrhundert v. Chr. aus der Südwestecke Arabiens ein expansiver Territorialstaat, der mit der Weltmacht Assyrien über Handelsrouten verhandelt.

So viel können Archäologen und Epigraphiker aus den Inschriften von Sirwah erschließen. Der Schlüssel für den Beginn des sabäischen Reiches aber liegt in der antiken Hauptstadt Marib. Die verbirgt sich unter den Schuttmassen jahrhundertelanger Überbauung. Iris Gerlach möchte hier in diesem Jahr den Spaten ansetzen. Die Verhandlungen mit den benachbarten Stämmen haben sich hingezogen, jetzt hofft die DAI-Archäologin auf eine Einigung: Die Beduinenstämme sollen die Arbeiter stellen und die Bewachung übernehmen. Gerlach wird mit den Scheichs viel Tee trinken und reden, denn ohne die Zustimmung der Clan-Chefs läuft nichts.

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