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Boycott zurückgerufen, ran ans Glas: Sogar Greenpeace hält einen Boykott, wie ihn die Umweltministerin von Frankreich gefordert hatte, für nicht sinnvoll. Auch diese hat sich mittlerweile entschuldigt.

© dpa

Update

Greenpeace gibt OK für Ferrero: Französische Ministerin entschuldigt sich für Nutella-Schelte

Nutella darf wieder guten Gewissens aufs Brot geschmiert werden: Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal entschuldigt sich für ihren Boykottaufruf, ihr italienisches Pendant schmiert sich ein Nutella-Brot. Sogar Greenpeace gibt grünes Licht. Aber ist es so leicht?

Nach einem Aufruf zum Boykott von Nutella und einem Proteststurm in Italien hat sich die französische Umweltministerin Ségolène Royal öffentlich entschuldigt. Die streitbare Politikerin hatte den Brotaufstrich wegen seines Palmöl-Gehalts öffentlich kritisiert. Umweltschützer werfen Palmöl-Produzenten vor, für ihre Plantagen Wälder abzuholzen. Nutella-Hersteller Ferrero entgegnete, man habe sich schon lange verpflichtet, nur nachhaltiges Palmöl zu verwenden. Für die Plantagen würden keine Primärwälder gerodet, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage.

Im Fernsehen sagte Royal, die Franzosen sollten deshalb kein Nutella mehr essen. Damit löste sie Proteste sowohl in der französischen Palmöl-Industrie als auch in Italien aus, wo Nutella im Familienunternehmen Ferrero seinen Ursprung hat. "Tausendfach Entschuldigung für die Kontroverse über Nutella", twitterte die einstige Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten und ehemalige Lebensgefährtin von Präsident Francois Hollande. Fortschritte sollten anerkannt werden. Ferrero hatte erklärt, seit 2013 nur noch Palmöl aus nachhaltig bewirtschafteten Plantagen zu verwenden. Auch der Palmöl-Verband verwies auf Errungenschaften beim Umweltschutz.

Der italienische Umweltminister Gian Luca Galletti erklärte, er werde sich Nutella-Brote zum Abendessen gönnen. Agnese Renzi, die Frau von Ministerpräsident Matteo Renzi, wurde in italienischen Medien gezeigt, wie sie für ihre Tochter einen Nutella-Pfannkuchen bestellt. Erst kürzlich hatte sich Royal mit dem US-Konzern Monsanto angelegt und Frankreichs Gartencenter aufgefordert, das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Roundup aus den Regalen zu nehmen.

Die französische Umweltministerin Segolene Royal hat sich entschuldigt und ihren Aufruf zum Nutella-Boycott zurückgenommen.
Die französische Umweltministerin Segolene Royal hat sich entschuldigt und ihren Aufruf zum Nutella-Boycott zurückgenommen.

© REUTERS

Auch die Umweltorganisation Greenpeace genehmigte den Konsum des beliebten Schokoladen-Aufstrichs: Ein Boykott würde die Probleme in der Palmölproduktion nicht verändern. Ferrero sei auf einer gemeinsamen Liste mit anderen Unternehmen, die eine ambitionierte Strategie versprechen, ihre Palmöl-Anschaffung zu verbessern. Auch Verité, eine internationale NGO für gerechte Arbeitsrichtlinien, hält einen Boykott von Nutella für nicht sinnvoll: Konsumenten sollten sich bewusst sein, wie verbreitet Palmöl ist und wie zerstörerisch der Anbau sein kann. "Aber Ferrero scheint eine der wenigen Unternehmen zu sein, die einem höheren Standard bei der Produktion zugesagt haben."

In Italien spricht man sogar von einer "hässlichen und schweren Entgleisung Frankreichs". So wird ein namentlich nicht genannter Abgeordneter auf sueddeutsche.de zitiert. Auch die "Vereinigung für nachhaltiges Palmöl" kritisiert die Äußerungen der Umweltministerin. Die Bemühungen um den umweltverträglichen Anbau von Ölpalmen würden von der französischen Regierung nicht wertgeschätzt, beklagte die Vereinigung. Auch die Konsumenten taten ihren Unmut über den Hashtag #nutellagate auf Twitter kund. Kritik an einem der beliebtesten Brotaufstriche der Welt kommt einfach nicht gut an. Besonders in Italien, denn Royal übt Kritik an einem der wichtigsten Arbeitgeber und Global Player des Landes. Auf #nutellagate gibt es jedoch auch andere Meinungen. "Trotz #NutellaGate: Das Problem mit dem Palmöl bleibt. Wer braucht schon Urwald? (*Ironie*)", twittert etwa DRadio Wissen. "Nein zu Palmöl aus Regenwald-Zerstörung! #nutellagate greift zu kurz! Hier sind unsere Forderungen zum Thema Palmöl", schreibt die Grünen-Politikerin Nicole Maisch.

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Gesche Jürgens, Wald-Campaignerin bei Greenpeace Deutschland, sagte dem Tagesspiegel: "Unternehmen müssen sich an den Taten messen lassen, und bei Palmöl ist Ferrero auf einem guten Weg." Das Unternehmen ist Forderungen von Greenpeace nachgekommen, für eine nachhaltige Palmölproduktion zu sorgen - zumindest auf dem Papier: Ferrero gehört zu einer Liste von Palmölabnehmern, die versichern, ihre Produkte nicht auf Kosten der Regenwälder zu produzieren. Diesen Schritt erkennt Greenpeace an, auch wenn er nicht bedeutet, dass diese Firmen nun uneingeschränkt verantwortungsvoll handeln. Denn überprüft werden kann die Palmölproduktion der einzelnen Unternehmen kaum, und nicht einmal Ferrero selbst könne zu 100 Prozent garantieren, wie das verwendet Palmöl angebaut wird. Trotzdem seien die Versprechungen der Abnehmer von Palmöl ein wichtiger Schritt. Ferrero gibt an, das verwendete Palmöl aus Malaysia zu beziehen. Das pflanzliche Fett werde seit 2013 aus zu 100 Prozent zertifiziert nachhaltigem Anbau bezogen.

Klassisches Greenwashing?

Ferrero ist seit 2005 Mitglied des „Round Table on Sustainable Palm Oil“ (RSPO), der nachhaltige Produktion und Verwendung von Palmöl fördern will. Es ist jedoch fragwürdig, ob der monokulturelle Anbau von Palmöl in riesigen Plantagen überhaupt nachhaltig sein kann. In Malaysia und Indonesien ist die Palmölproduktion die wichtigste Ursache für die Entwaldung, wichtige Ökosysteme gingen für immer verloren, oftmals wurden Menschen von ihrem Land vertrieben und der Boden mit gesundheitsschädigenden Agrochemikalien verseucht. Der RSPO gibt viele zuversichtliche Versprechen - das Siegel schließt jedoch nicht einmal die Regenwaldrodung aus, sondern "verbietet" lediglich die Abholzung von Wäldern mit besonderem Schutzwert. Stammt das Palmöl von Waldflächen, die vor 2008 abgeholzt wurden, darf es das RSPO-Label tragen – damit könne die Rodung nachträglich legitimiert werden, schrieb Greenpeace im Februar 2015. Die Umweltorganisation sieht das Siegel in der Kritik, es ist vom klassischen "Greenwashing" die Rede, also der Versuch, ein "grünes Image" zu erlangen, ohne entsprechende Maßnahmen zu implementieren. Beim RSPO würden die angewandten Kriterien bei weitem nicht ausreichen, einen nachhaltigen Anbau zu gewährleisten.

Die Zugeständnisse der Umweltschützer zu Ferrero sind daher neu und ungewohnt. Palmöl sei kein Erzeugnis des Teufels, sagt Jürgens: Wenn man die selbe Menge an benötigtem Palmöl durch andere Öle ersetzen wolle, sei dies kein lohnenswerter Schritt. Raps- oder Sojaöl ist wenig ergiebig, und auch hier führt die Produktion zu Schäden für die Umwelt. „Ein Boykott von Palmöl wird das Problem nicht lösen“, meint auch WWF-Sprecherin Ilka Petersen. Denn die Substitute seien kaum besser: Für Kokosöl müssten Plantagen in den Philippinen und Indonesien geschaffen werden, für Soja in Lateinamerika. Und Sonnenblumen- oder Rapsöl benötige viel größere Flächen pro Liter Öl. „Da kommt man vom Regen in die Traufe.“ Wichtig sei ein kontrollierter Anbau - es bleibt abzuwarten, inwiefern die Unternehmen ihre Versprechen einhalten. Zunächst kann Nutella wohl wieder ohne schlechtes Gewissen aufs Brot geschmiert werden - nicht nur in Frankreich und Italien.

So lässt sich Palmöl vermeiden

Schokolade, Eis und Müsli - Palmöl ist in etlichen Lebensmittel enthalten. Es ist sehr billig, und die Hersteller setzen auf die guten Schmelzeigenschaften, wie Heidrun Schubert von der Verbraucherzentrale Bayern sagt. „Aber dafür gibt es einen wahnsinnigen Raubbau an der Natur.“ Außerdem gilt Palmöl als weniger gesund verglichen mit anderen Pflanzenölen. Experten raten daher, genau hinzuschauen und so oft wie möglich auf Produkte mit Palmöl zu verzichten. Seit vergangenem Dezember muss dieses ausdrücklich in der Zutatenliste aufgelistet sein. „Es gibt eigentlich immer Alternativen ohne Palmöl“, sagt Schubert. Eine Liste mit Produkten ohne Palmöl finden Sie auf umweltblick.de.

Sie rät dazu, sich einmal die Mühe zu machen und die Produkte zu vergleichen. Da andere Fette teurer sind, müssen Käufer dann gegebenenfalls ein bisschen mehr bezahlen. Selbst in Lebensmitteln wie Margarine oder Wurst ist manchmal Palmöl enthalten - gerade dazu gibt es aber etliche Alternativen. Beim Metzger sollte man im Zweifel danach fragen, ob und welche pflanzlichen Fette enthalten sind. Beispielsweise in Butter seien solche Zusätze nicht erlaubt, sagt Schubert. (mit AFP, dpa)

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