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Instabile Schächte von bis zu 30 Metern Tiefe: Nach Recherchen von „Human Rights Watch“ riskieren in malischen Goldminen etliche Kinder ihr Leben.

© 2010 International Labour Organization / HRW

Kinderarbeit in Mali: Der Preis des Goldes

Hacken, sieben und mahlen in mühevoller Handarbeit: In den Goldminen Malis bauen mindestens 20.000 Kinder das begehrte Metall unter lebensgefährlichen Bedingungen ab. Die Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ hat einige von ihnen interviewt.

Von Maris Hubschmid

Wie in Sirup getaucht erstrecken sich die Stände entlang der Gänge auf dem Gold Souk in Dubai. Gelbbraun leuchtet es von den Regalen und auf den Tischen, mehr als 300 Geschäfte machen die „City of Gold“, wie der Basar inoffiziell genannt wird, zu einem der größten Touristenmagnete der Trendstadt. Armbänder, Ketten, Uhren, auf dem Gold Souk gibt es Goldschmuck in allen Variationen. Den bekommen die glanzhungrigen Europäer nach Gewicht, zu einem für ihre Begriffe unschlagbaren Preis.

Häufig jedoch haben andere einen hohen Preis dafür bezahlt. Mindestens 20.000 Minderjährige, so heißt es in einem am Dienstag von der unabhängigen Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ (HRW) veröffentlichten Bericht, fördern im westafrikanischen Mali Gold unter extremen Bedingen. „Alles tut weh“, wenn er abends von der Arbeit nach Hause kommt, erzählt der 14-Jährige Oumar aus der Region Kayes in einem von 33 Interviews, das die Organisation vor Ort geführt hat. Mali ist der drittgrößte Goldproduzent in Afrika, seine Hauptabnehmer sind die Vereinigten Arabischen Emirate, deren glitzernde Souvenirs bei Touristen so begehrt sind, und die Schweiz, die Adresse für Qualitätsuhren. Ein Großteil des Goldes, das Mali exportiert, wird in kleinen, nicht industriellen Minen gefördert.

Offiziell gibt es keine Kinderarbeit in den Goldminen

Offiziell ist Schwerstarbeit durch Kinder in Mali streng verboten. Und Bergbau in Mali ist Schwerstarbeit: Stundenlang hacken, sieben und mahlen Minenarbeiter das Gold mit der Hand in engen dunklen Gruben, die bis zu 30 Meter unter die Erde reichen. Um das Gold vom Erz zu trennen, wird Quecksilber erhitzt. Quecksilber zählt zu den giftigsten Substanzen der Erde.

4000 Kilo Gold werden im westafrikanischen Mali jährlich in kleinen, nicht industriellen Goldminen produziert.
4000 Kilo Gold werden im westafrikanischen Mali jährlich in kleinen, nicht industriellen Goldminen produziert.

© 2010 International Labour Organization / HRW

Nach Ansicht von Sachverständigen sind die Bedingungen des malischen Bergbaus selbst für Erwachsene grenzwertig. Etliche Schächte sind unzureichend abgesichert, Arbeitskleidung gibt es meist nicht. Darum, dass die strengen Gesetze eingehalten werden, kümmert sich niemand. „Das wäre Aufgabe der Bezirksverwaltungen“, sagt Juliane Kippenberg, die Mali in den vergangenen Monaten mehrfach im Zuge ihrer Recherchen für HRW bereist hat – „und die sind die größten Profiteure des Goldgeschäfts“.

Drei Viertel der Bevölkerung in Mali leben unterhalb der Armutsgrenze. Wer mit anpacken kann, wird genötigt anzupacken, um das dürftige Familieneinkommen aufzustocken. Weil Aids und Malaria die Region noch immer fest im Griff haben, gibt es in Mali zudem viele Waisenkinder. Manche von ihnen schlagen sich alleine durch, heuern auf eigene Initiative bei einer der zahlreichen kleinen Minen an, weil das „besser als Sexarbeit“ ist, wie sie sagen. Andere werden von Verwandten oder Stiefeltern zum Arbeiten gezwungen.

Mali ist nicht der einzige westafrikanische Staat, in dem Kinderarbeit ein bekanntes Problem ist. Kaum irgendwo aber gehen die Losungen der Regierung und die Realität so weit auseinander. Erst im Juli verabschiedete das malische Parlament einen Nationalen Handlungsplan, dessen erklärtes Ziel es ist, Kinderarbeit zu unterbinden. Über die schriftliche Erklärung hinaus ist bis dato aber noch nichts passiert. „Weder gibt es Sanktionen noch überhaupt auch nur Inspektionen in den unzähligen Kleinbergbaubetrieben des Landes“, sagt Menschenrechts-Expertin Kippenberg.

Mediziner warnen: Der direkte Umgang mit Quecksilber ist hoch gefährlich

4000 Kilo Gold produziert allein der malische Kleinbergbau im Jahr für ausländische Abnehmer. Das ist Gold im Wert von 218 Millionen Dollar, mehr als 160 Millionen Euro.

Im Gespräch mit Menschenrechtlern klagten Minen-Kinder in Mali über Schmerzen in Armen und Beinen und Husten.
Im Gespräch mit Menschenrechtlern klagten Minen-Kinder in Mali über Schmerzen in Armen und Beinen und Husten.

© 2010 International Labour Organization/IPEC

Auch Sechsjährige haben die Menschenrechtler bei der Minenarbeit beobachtet. „Die Gewichte, die die Kinder tragen, übersteigen ihr eigenes Körpergewicht mitunter bei Weitem“, heißt es in dem HRW-Bericht. 24 der 33 befragten Minen-Kinder klagten über Schmerzen im Rücken, in Armen und Beinen. Auch von Husten ist die Rede. Der direkte Umgang mit Quecksilber, warnen Mediziner, sei „hochgefährlich“ für das Nervensystem. Allerdings zeigten sich die Schäden oftmals erst nach Jahren.

Einige erste Reaktionen auf die Enthüllungen durch Human Rights Watch gibt es bereits: Einer der großen Goldfabrikanten der Vereinigten Arabischen Emirate, Kaloti Jewellery International, hat den Bezug von malischem Gold gestoppt.

Ein Boykott kann nach Ansicht der HRW-Experten aber nicht die Lösung sein. Mali ist auf seine Exporte angewiesen. „Viel gewonnen wäre, wenn ausländische Abnehmer mehr Interesse daran zeigten, wie das Gold, das sie verarbeiten, produziert wird“, heißt es bei der Organisation. Das würde den Druck auf die Regierung erhöhen.

Ein Schweizer Importeur von Gold indes erklärte, von der Organisation befragt, bei der Menge an Zwischenhändlern sei die eigentliche Bezugsquelle für ihn als Käufer leider nicht nachvollziehbar. „Die westlichen Konzerne, die von der Goldproduktion profitieren, könnten aber helfen, neue Abbautechnologien in den Produktionsländern zu installieren“, appelliert HRW. UN-Berichten zufolge können mit verbesserten Verfahren wesentliche Mengen an Quecksilber eingespart werden.

Die Lobbyarbeit vor Ort aber ist stark. Erst im April erklärte der Präsident des Minengewerbes von Mali, Abdoulaye Pona: „Es gibt keine Kinderarbeit in den kleinständischen Goldminen. Einige Arbeiter sehen wie Kinder aus, sind aber Erwachsene.“

Weitere Bilder aus Mali finden Sie auf der Internetseite von "Human Rights Watch".

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