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Mafia in Deutschland: Geldwäsche und Drogenhandel sind ihr Geschäft

Bis zu 3000 Mitglieder sollen den „harten Kern“ der Mafia in Deutschland bilden – mit Einfluss bis in die Politik.

Cosa Nostra, ’Ndrangheta, Camorra: Auch wenn sie lange aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden waren – die italienischen Mafia-Gruppen sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Der Mafia-Experte und Buchautor Jürgen Roth schätzt, dass hierzulande rund 2000-3000 Personen zum harten Kern der italienischen Mafiosi gehören, dazu kämen weitere Familienangehörige als Handlanger. Die kalabrische ’Ndrangheta, die für die Morde in Duisburg verantwortlich gemacht wird, schätzt Roth in Deutschland auf 1200 Mitglieder. In Nordrhein-Westfalen soll die ’Ndrangheta neben Duisburg auch in Essen und Dortmund aktiv sein. In Baden-Württemberg reicht der Einfluss der Mafiosi angeblich bis in hohe Politikerkreise. „Die starke Konzentration der Mafia in diesen Bundesländern hat damit zu tun, wie die Bundesrepublik seinerzeit die italienischen Gastarbeiter verteilt hat", sagte Roth dem Tagesspiegel. Heute sei die ’Ndrangheta vor allem in den Bereichen Geldwäsche und Drogenhandel aktiv.

Besonders der lukrative Kokain-Handel spült gewaltige Summen in die Kassen der Italiener. Im Jahr 2004 soll die ’Ndrangheta allein mit Kokain 22 Milliarden Euro umgesetzt haben, dazu rund fünf Milliarden mit Unternehmensbeteiligungen und vier Milliarden mit Schutzgelderpressungen. Investiert wird das Geld in den Bau von Restaurants und Hotels. In Ostdeutschland soll die ’Ndrangheta ganze Häuserblocks aufgekauft haben, wie der italienische Staatsanwalt Nicola Gratteri der „FAZ“ sagte.

Ein Schwerpunkt der ’Ndrangheta im Osten wird in Leipzig vermutet. Schon im Juli hatte der Tagesspiegel aus Akten des sächsischen Landesamts für Verfassungsschutz berichtet. Dokumentiert werden darin Aktivitäten der ’Ndrangheta in Leipzig in Sachen Drogenhandel und Geldwäsche. Mafia-Experte Jürgen Roth bestätigte diesen Verdacht gestern gegenüber dem Tagesspiegel: „In Leipzig betreiben die Clans Romeo und Nitra Immobiliengeschäfte und Restaurants, daneben ist übrigens auch Erfurt betroffen.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte eine mögliche Verbindung der ’Ndrangheta nach Leipzig gestern noch abgestritten. Trotzdem ist man auch bei der GdP besorgt über die Entwicklungen: „Wir wissen von einer ganzen Reihe von Auftragsmorden durch die italienische Mafia“, sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg dem Tagesspiegel. „Die Italiener tragen aber dafür Sorge, dass ihre Verbrechen nicht an die Öffentlichkeit kommen. Offene Schießereien sind selten“, sagte Freiberg. Auch Berlin sei ein wichtiges Zentrum der organisierten Kriminalität. Inwieweit dabei italienische Gruppen eine Rolle spielen, ist unklar.

Ein „gehäuftes Auftreten von Gewaltverbrechen durch die italienische Mafia“ bestätigt auch Holm Putzke, Kriminologe an der Universität Bochum. „Viele Mafiosi ziehen sich aus Italien zurück, weil dort der Verfolgungsdruck unglaublich hoch ist. Und da Deutschland ein traditionelles italienisches Einwanderungsland ist, kommen diese Leute gerne hierher“, sagte Putzke dem Tagesspiegel. Zudem sei Deutschland für die italienischen Mafiosi ein interessanter Markt, da sich hier viel Geld verdienen lasse. Ähnlich äußerte sich gestern Giorgio Basile, ein ehemaliger Auftragskiller der ’Ndrangheta gegenüber dem „Kölner Express“. Vor allem das Ruhrgebiet sei eine Hochburg der kalabrischen Mafia und ein Lieblingsversteck der ’Ndrangheta. „Wo es Pizza gibt, ist auch die Mafia zu Hause“, sagte Basile, der als Kronzeuge der italienischen Polizei zur Festnahme von rund 50 Mafiosi beigetragen haben soll.

Mafia-Experte Roth beklagt unterdessen, dass die deutschen Behörden gegen die Mafia in den letzten Jahren kaum noch ermittelt hätten: „Die Personaldecke der Polizei ist ausgedünnt worden, die Zusammenarbeit mit den italienischen Kollegen ist schlecht und beim Bundeskriminalamt hat man sogar die zentrale Untersuchungseinheit gegen die Mafia aufgelöst.“ Doch trotz der mangelhaften Ermittlungslage sieht Roth keine Gefahr für die deutsche Bevölkerung. Schließlich würden die Mafiosi ihre Konflikte meist nur untereinander austragen. „Der Deutsche bekommt im italienischen Restaurant eher eine Fischvergiftung als eine Kugel verpasst“, sagte Roth.

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