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Akademisch unbefriedigend: Türkische Studenten drehen Porno als Abschlussarbeit

Studenten-Porno wird zum Politikum: Die Abschlussarbeit eines Film-Studenten ist selbst für die liberale Istanbuler Bilgi-Universität zuviel.

Die Istanbuler Bilgi-Universität ist eine der liberalsten der Türkei, hier werden Tabus gebrochen, hier wurde schon über den Völkermord an den Armeniern diskutiert, als solche Debatten noch gewalttätige Proteste türkischer Nationalisten auslösten. All das hat der Hochschule bisher nie geschadet, sondern im Gegenteil ihren Ruhm gemehrt. Doch die Abschlussarbeit eines Film-Studenten war jetzt selbst für Bilgi zuviel: Der Student Deniz Özgün lieferte einen Porno-Streifen als Abschlusswerk ab. Als die Sache an die Öffentlichkeit kam, wurden die drei für die Zulassung des Projekts verantwortlichen Dozenten gefeuert. Nun gibt es Proteste.

Er habe mit seinem „Porno-Projekt“ die Grenzen der akademischen Freiheit austesten wollen, sagte der 24-jährige Özgün der türkischen Zeitschrift „Tempo“. Zumindest das ist ihm zweifellos gelungen, wie die inzwischen entbrannte Debatte zeigt. Mit dem akademischen Erfolg der Arbeit kann Özgün dagegen weniger zufrieden sein. Er wäre beinahe durchgefallen.

Nur mit Mühe konnte Özgün seine Dozenten überhaupt dazu überreden, die Arbeit zuzulassen. Die Professoren vermissten lange eine überzeugende akademische Aussage. Der Streifen sei zwar professionell gefilmt, solle aber aussehen wie die heimliche Aufnahme einer Sex-Szene, erläuterte der Jung-Regisseur sein Konzept. Nicht nur die Dozenten waren ein Problem. Es sei schwer gewesen, einen passenden männlichen Darsteller zu finden, sagte Özgün. Als weibliche Hauptdarstellerin verteidigte Ex-Studentin Elif Safak Urucu das Projekt. Zwar habe sie ihren Eltern nichts von dem Vorhaben erzählt, aber: „Wir haben nichts Verbotenes getan.“

Das sieht die Uni-Leitung anders und reichte Strafanzeige ein. Die drei Dozenten wurden kurzerhand vor die Tür gesetzt. Schließlich sei der Sex-Film auf dem Gelände der Universität gedreht worden. „So eine Schande können wir nicht zulassen“, erklärte die Universitätsleitung. Viele besorgte Eltern von Studenten wollten in Anrufen bei der Bilgi-Verwaltung wissen, ob auf dem Campus ihrer Kinder wirklich Pornos gedreht würden.

„Bin ich etwa bei der Sittenpolizeit?“ setzte sich einer der Gefeuerten, Professor Ihsan Derman, im Interview mit dem Internetportal dipnot.tv zur Wehr. Er bewerte die Arbeiten seiner Studenten immer nur nach fachlichen Kriterien. Um Inhalte kümmere er sich nicht. Mit Sprechchören wie „Freiheit an der Bilgi“ protestierte eine Gruppe von mehreren hundert Demonstranten am Montag gegen die Entlassungen.

Die Geserkschaft Sosyal-Is warf unterdessen die Frage auf, ob sich die Bilgi-Führung möglicherweise politischem Druck der Hochschulbehörde YÖK beugte. In der Behörde, die kürzlich die Aufhebung des Kopftuchverbots für Studentinnen durchsetzte, haben Anhänger der religiös-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan das Sagen.

Dass islamische Sittenwächter in Ankara eine der angesehensten Universitäten des Landes wegen eines Studenten-Filmchens gängeln, ist allerdings schwer vorstellbar. Schließlich würden sie riskieren, dass die Hochschule an die Öffentlichkeit geht und die Einmischung anprangert. Wahrscheinlicher ist, dass die Bilgi-Leitung aus Sorge um den Ruf der Universität überstürzt und ohne die nötige Abwägung handelte. Das wird auch von anderen Hochschulen kritisiert. Die akademische Freiheit biete Raum für alle möglichen Debatten, sagte Murat Cetin von der Universität Istanbul dem Nachrichtensender NTV. „Die Universitäten sind der einzige Ort, wo über wirklich alles geredet werden kann.“

Für einen Teil der Öffentlichkeit sind diese intellektuellen Debatten aber weniger spannend als eine andere ungeklärte Frage. Obwohl Skandal-Regisseur Özgün auf eine schriftliche Vereinbarung verwies, nach der das Werk nicht kommerziell gezeigt werden dürfe, hat die Jagd nach dem Original begonnen. Bisher ist es nicht aufgetaucht. Özgün selbst sowie die beteiligten Dozenten hätten jeweils eine Kopie, spekulierte die Internetseite Habershow.com, die Fotos von Özgün veröffentlichte. „Hier ist der Porno-Filmer Deniz Özgün“, lautete die Überschrift. „Aber wo ist der Film?“

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