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Feminismus-Debatte: Was Frauen glücklich macht – oder nicht

Die Studie zweier Wirtschaftswissenschaftler löst in den USA eine neue Debatte zum Feminismus aus.

Eine neue Debatte über Feminismus? Was die Wirtschaftswissenschaftlerin Betsey Stevenson und ihr Kollege Justin Wolfers in der Fachzeitschrift „American Economic Journal“ berichten, erhitzt in den USA seit zwei Wochen die Gemüter. Vor allem die von Frauen, die jahrzehntelang um Gleichberechtigung der Geschlechter gekämpft haben.

Denn in „The Paradox of Declining Female Happiness“ zeigen die beiden Ökonomen, die an der University of Pennsylvania zusammen forschen und auch im Privatleben ein Paar sind: Anfang der 70er Jahre begann ein Trend, in dessen Verlauf die Frauen sich nach und nach unglücklicher fühlen: absolut und im Vergleich zu den Männern.

Stevenson und Wolfers haben Befragungen – auch solche aus Europa – ausgewertet und können eine beeindruckende Datenfülle präsentieren, um die Abnahme des gefühlten weiblichen Glücks zu belegen. Sie zeigen es für Junge und Alte, Singles und Verheiratete, Kinderlose und Kinderreiche – und nicht zuletzt auch gleichermaßen für Hausfrauen und für engagierte Karrierefrauen.

Spätestens hier liegt der Stein des Anstoßes. Hat denn die ganze feministische Bewegung, haben ihre Errungenschaften, die zusätzlichen Entfaltungsmöglichkeiten den Frauen eher geschadet als genützt? Genau das hätten die Autoren wohl beweisen wollen, ereifert sich die renommierte Journalistin Barbara Ehrenreich in der „Los Angeles Times“. Jedenfalls käme die Studie allen Reaktionären als Beleg für die eigenen Überzeugungen wohl nur allzu gelegen: „Nach dem Motto: Ich hab’s ja immer gesagt: Der Feminismus hat die Frauen unglücklich gemacht!“

Stevenson und Wolfers genießen derweil ein für sie völlig ungewohntes Medieninteresse. Die nüchternen Wirtschaftswissenschaftler werden von Talkshow zu Talkshow herumgereicht. Dabei haben sie eigentlich schon in ihrer Studie alles gesagt. Auch, dass sie sich selbst über die Ergebnisse wundern. Es ist ja auch schwer zu verstehen: Einerseits haben Studien gezeigt, dass Frauen sich in Ländern mit geringerer Geschlechterdiskriminierung wohler fühlen. Auch in den USA lebende Menschen mit schwarzer Hautfarbe geben heute an, glücklicher zu sein als vor 40 oder 50 Jahren – und zwar Männer wie Frauen. Da für die Frauen seit den 70er Jahren viele berufliche wie familiäre Beschränkungen weggefallen sind, sollte man meinen, dass auch sie sich wohler fühlen als ihre Mütter und Großmütter. Wie lässt sich erklären, dass das Gegenteil der Fall ist?

„Statt aus den Daten zu schließen, dass die Frauenbewegung gescheitert sei, suchen wir nach anderen Erklärungen“, betonen Stevenson und Wolfers. So wäre es möglich, dass Frauen heute schonungsloser antworten. Dass sie früher eher zu sozial erwünschten, „netten“ Antworten neigten – im Grunde aber „objektiv“ schlechter dran waren als ihre Geschlechtsgenossinnen heute. Dazu würde passen, dass weibliche Suizide heute seltener sind als in den 60er und 70er Jahren – der Zeit, in der Valium als „Mother’s little helper“ in den USA zur Hausfrauendroge geworden war. Fragt man sie nach ihrer Zufriedenheit, haben die Frauen sich damals zudem wahrscheinlich nur mit ihren Geschlechtsgenossinnen verglichen. Heute denken sie an mehrere Lebensbereiche. Und vergleichen sich mit Männern, die schneller Karriere und seltener Abstriche für die Familie machen.

„Mit steigender Bildung und wachsendem Einkommen wachsen auch die Erwartungen“, erklärt die Soziologin Hilke Brockmann, die sich an der Jacobs University in Bremen der Glücksforschung widmet. Das „gefühlte Glück“ stehe deshalb nicht unbedingt im direkten Verhältnis zu den äußeren Lebensumständen. „Unzufriedenheit ist aber immer auch ein Motor für Veränderungen“, sagt Brockmann, „die Frauenbewegung hat insofern noch viel Arbeit vor sich“.

Dass auch Stevenson und Wolfers selbst solche Deutungen in Betracht ziehen, spricht sie vom Verdacht der antifeministischen Voreingenommenheit frei. „Möglicherweise waren sie als Wirtschaftswissenschaftler sehr überrascht, dass sie auf derart vermintem Gelände gelandet sind“, vermutet Brockmann.

Was sie herausgefunden haben, passt allerdings gut zu den Ergebnissen anderer Studien, die ihrerseits von Wirtschaftswissenschaftlern stammen. So hat eine Auswertung repräsentativer Befragungen im vergangenen Jahr ergeben, dass jüngere Frauen sich glücklicher fühlen als gleichaltrige Männer, sich aber mit 48 Jahren das Blatt zugunsten der Männer wendet – und zwar vor allem, weil die in diesem Alter mit ihrer wirtschaftlichen Situation zufriedener sind.

Der Princeton-Ökonom Alan Krueger wiederum hat zusammen mit seinem „Time-Use-Research-Team“ herausgefunden, dass es den Männern seit den 60er Jahren sukzessive gelungen ist, im Alltag weniger Zeit mit Dingen zu verbringen, die sie ungern tun. Bei den Frauen haben sich die Aktivitäten in diesem Zeitraum zwar weit drastischer verschoben. Doch der Raum, den das als unangenehm Empfundene im Alltag einnimmt, ist den Befragungen zufolge dadurch nicht gesunken.

Was auf dem Fragebogen wie eine klar umschriebene Aktivität erscheint, kann sich dabei für Männer und Frauen im wirklichen Leben ganz verschieden ausnehmen. So geben Männer mehrheitlich an, sie verbrächten gern Zeit mit ihren Eltern, während die Frauen sich schon bei dem Gedanken gestresst fühlen und im Zweifelsfall sogar „lieber die Wäsche machen“. Krueger vermutet, hinter dem erstaunlichen Unterschied stehe vielleicht einfach die Tatsache, dass ein Mann beim Ausfüllen des Fragebogens daran denkt, wie nett es ist, mit seinem Vater ein Baseballspiel anzuschauen, eine Frau aber daran, dass sie vor dem Besuch ihrer Mutter noch die Wohnung aufräumen sollte. Wenn das stimmt, hätte sich seit den 70ern so viel nicht geändert.

Adelheid Müller-Lissner

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