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Thyssen-Krupp hat derzeit nicht nur mit hohen Verlusten zu kämpfen.

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Update

Begünstigung: Thyssen-Krupp-Aufseher scheidet wegen Luxusreisen aus

Als Arbeitnehmervertreter lebte Bertin Eichler bei Thyssen-Krupp nicht schlecht: Der Konzern bezahlte ihm offenbar Luxusreisen. Nun findet Eichler selbst das nicht mehr richtig - und zieht die Konsequenzen.

Weil er als Aufsichtsratsmitglied von Thyssen-Krupp Flüge in der ersten statt der zweiten Klasse für den Stahlkonzern wahrgenommen hat, zieht sich IG-Metall-Vorstandsmitglied Bertin Eichler aus dem Aufsichtsgremium des Unternehmens zurück. Es sei „nicht alles richtig, was zulässig ist und üblich war“, sagte Eichler am Freitag in Frankfurt am Main. Er werde deshalb die Differenz des Flugpreises zu Flügen der zweiten Klasse erstatten.

Der sich in einer „zugespitzten Krise“ befindliche Konzern dürfe nicht durch die Vergangenheit belastet werden., erklärte der Gewerkschafter. „Aus diesem Grund werde ich bei der 2013 anstehenden Wahl der Arbeitnehmerseite in den Aufsichtsrat nicht mehr kandidieren.“

Eichler hat es weit gebracht. Vom Sachbearbeiter bei der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg ist der gelernte Industriekaufmann zum IG-Metall-Vorstand und stellvertretenden Aufsichtsratschef von Thyssen-Krupp aufgestiegen. Dort aber entfernte sich der heute 60-Jährige immer mehr vom Leben jener Mitarbeiter, deren Interessen er in dem Gremium vertreten soll. So ließ er sich vom Essener Stahlkonzern in den Jahren 2004 bis 2012 zu mehreren Luxusreisen einladen, wie das „Handelsblatt“ aus Konzernkreisen erfuhr.

Im Jahr 2004 flog er First Class zum Formel-1-Rennen nach Schanghai. Danach ging es nach Thailand und in die USA. 2011 besuchten Eichler, Personalchef Ralph Labonte und Technologievorstand Olaf Berlien Kuba. Die Reise hatte Eichler selbst angeregt, weil ein Bekannter von ihm auf der Karibikinsel geschäftlich aktiv war. Bezahlt hat der Konzern. Auf dem Rückflug nahm die Delegation dabei eigens einen Umweg über Mexiko-Stadt in Kauf, um von dort aus erste Klasse fliegen zu können.

Ein ähnlicher Vorgang hat vor wenigen Wochen bereits bei der Umbildung des Vorstands von Thyssen-Krupp eine Rolle gespielt: Jürgen Claassen hatte unter anderem wegen mehrerer Luxusreisen mit Journalisten – an einer hatte auch ein Tagesspiegel-Redakteur teilgenommen – gehen müssen.

Bei den Reisen mit Arbeitnehmervertretern nahmen oft auch Vorstände teil, und man ging auf Augenhöhe miteinander um. Nun steht der Verdacht im Raum, dass die Eingeladenen sich für so viel Großzügigkeit auch erkenntlich zeigten – und über die zahlreichen Missstände im Konzern hinwegsahen. So lobte Eichler auf einer Aufsichtsratssitzung am 11. August 2006 ausdrücklich das Management des Stahlkonzerns: „Herr Bertin Eichler führte aus, dass er die Glückwünsche an den Vorstand und an die gesamte Mannschaft zu dem guten Ergebnis nur bestätigen könne“, heißt es im Sitzungsprotokoll, das dem „Handelsblatt“ vorliegt.

Dabei zeichnete sich schon damals ab, dass die Kosten aus dem Ruder liefen. Sukzessive musste das Investitionsbudget aufgestockt werden. Mit zwölf Milliarden Euro haben sich die Gesamtkosten vervierfacht. In der Aufsichtsratssitzung am 26. November 2009 ging es um die Dividende von 0,30 Euro, die der Vorstand den Aktionären trotz eines Verlustes von 1,9 Milliarden Euro im Geschäftsjahr zahlen wollte. Laut Sitzungsprotokoll führte Eichler aus, „dass es für die Arbeitnehmervertreter angesichts des schlechten Ergebnisses eine hohe Hürde sei, dem Vorschlag zuzustimmen“. Weiter hieß es: „Nachvollziehbar seien aber auch für die Arbeitnehmervertreter die Gründe, die für eine kontinuierliche Dividendenzahlung sprechen, insbesondere die negativen Auswirkungen auf den Aktienkurs bei einem Dividendenausfall.“

Am 31. Januar 2012 bedauerte Eichler die Schließung zweier Stahlwerke, die der Verkauf der Edelstahlsparte an den finnischen Wettbewerber Outokumpu nach sich ziehen würde. „Die Arbeitnehmerseite respektiere die abweichende Auffassung einiger Arbeitnehmervertreter“, gibt ihn das Protokoll wider. Dies bedeute aber nicht, „dass die Arbeitnehmerseite nicht hinter den getroffenen Vereinbarungen stehe“. Die brisante Nähe zwischen Management und Aufsehern weckt Erinnerungen an Affären bei Volkswagen und Siemens.

Auch deshalb räumt Eichler inzwischen selbst sein Fehlverhalten ein. „Rückblickend muss ich sagen, dass die Reisen in der ersten Klasse unsensibel sind“, sagte er dem „Handelsblatt“. „Ich hätte auf einer niedrigeren Buchungsklasse bestehen müssen.“ Eichler betont aber auch, dass die Einladungsreisen keine Auswirkungen auf seine Arbeit als Aufsichtsrat gehabt hätten. (HB)

Martin Murphy

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