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Macht Spaß. Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt sich von Alexander Wegner das Elektroauto erklären.

© dpa

Tag des Ausbildungsplatzes: Besuch bei einem Schatz

Angela Merkel und Siemens-Chef Peter Löscher loben in Spandau das gute deutsche Ausbildungssystem.

Patrick Sendel und Ricardo Krille haben schon ein bisschen Routine. Sie stehen da in blitzsauberen blauen Latzhosen und warten auf die Bundeskanzlerin. „Vergangene Woche war ein britischer Minister hier, da haben wir das sogar auf Englisch gemacht“, erzählt Patrick. Ricardo und Patrick sind im zweiten Ausbildungsjahr und lernen bei Siemens Zerspanungsmechaniker. An diesem Montag, am Tag des Ausbildungsplatzes, sollen sie Angela Merkel etwas über ihre Arbeit berichten.

Als dann der Siemens-Vorstandsvorsitzende Peter Löscher und die Regierungschefin kommen, sind beide doch ein bisschen aufgeregt. Sie zeigen Merkel eines ihrer Ausbildungsprojekte, einen Fernsehturm aus Aluminium mit Beleuchtung. Stolz stehen sie vor der computergesteuerten Fräsmaschine, die auch komplizierte Werkstücke bearbeiten kann. Die modernen Maschinen machen den Zerspanungsmechaniker zu einem teuren Beruf, etwa 100 000 Euro kostet Siemens die Ausbildung jedes jungen Zerspanungsmechanikers. Später arbeiten sie zum Beispiel im Gasturbinenwerk und fräsen Turbinenschaufeln.

Einen Ausbildungsplatz bei Siemens zu bekommen, das sei wie ein Sechser im Lotto, erzählt der 22-jährige Patrick. „Und wenn man dann auch noch übernommen wird, dann ist das ein Sechser mit Zusatzzahl.“ 40 000 junge Menschen bewerben sich in jedem Jahr für einen Ausbildungsplatz bei Siemens, rund 2300 bekommen einen Platz. Allein in Berlin nimmt Siemens jährlich 350 junge Menschen in die Ausbildung auf. Leider nur wenige Mädchen.

Eine ist Katharina Koch. Bei ihr erkundigt sich Angela Merkel interessiert nach der Computersprache, die hier verwendet wird. Heute, am Besuchstag, ist alles sauber und still in der Lehrwerkstatt. Normalerweise geht es hier schon etwas lauter zu, erklärt Ausbilder Andreas Grun. Aber die Arbeit sei keineswegs so schwer und schmutzig, wie viele Mädchen und auch Eltern fürchteten.

Im fünften Stock warten fünf Bachelor-Studenten in Jeans und weißen Polo- Hemden auf die Bundeskanzlerin. Sie zeigen ihr Smart-Grid-Projekt, also wie man in Zukunft Strom aus erneuerbaren Energien intelligent sammeln und dorthin verteilen kann, wo der Strom gerade gebraucht wird. Ohne intelligente Stromnetze wird die Energiewende nicht gelingen. Darum haben die fünf Elektroingenieursstudenten, alle Mitte 20, Merkels volle Aufmerksamkeit. Bestandteil des Ausbildungsprojekts ist ein rotes Auto aus Stahlrohren. In seinen Batterien lässt sich der Strom zwischenspeichern, wenn er nicht gebraucht wird. „Sie benutzen das Auto nur als Speicher? Aber damit will man doch auch fahren“, meint Merkel. Ja, versichern die Studenten, aber in ihrem Projektaufbau geht es halt vor allem um den mobilen Speicher. „Und woher kommen die Batterien“, will Merkel wissen. „Von Bosch?“ „Nein, aus China“, sagt der Student Alexander Wegner. Ihm scheint das ein bisschen peinlich zu sein, aber die Bundeskanzlerin lacht.

Nach der Besichtigung gibt es eine Podiumsdiskussion. Im Publikum sitzen Menschen, die am Thema Bildung interessiert sind, etwa Botschafter anderer Länder. Die duale Ausbildung in Deutschland, die Kombination aus Werkbank und Klassenzimmer, sei ein Vorbild für viele in Europa, sagt Siemens-Chef Löscher. Und er betont, dass Deutschland für Siemens ein Wissensstandort ist und dass auch beim Thema Ausbildung heute Pioniergeist gefragt sei – zum Beispiel wenn es darum gehe, junge Menschen für technische Berufe zu gewinnen. Im Herbst bietet Siemens zum ersten Mal für 30 junge Menschen aus 14 Ländern Europas ein neues Ausbildungsprogramm an.

Merkel erinnert daran, dass viele junge Menschen in Europa derzeit „keine Chance haben, im Beruf tätig zu sein oder eine Ausbildung zu machen“. In Spanien etwa liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei mehr als 50 Prozent. In Deutschland sei die Situation viel entspannter. Doch Merkel macht klar: „Wir können es uns nicht leisten, dass junge Talente verloren gehen. Sie sind der größte Schatz, den wir haben.“ Ihr liege viel daran, dass das deutsche Erfolgsmodell ein Beispiel für Europa werde.

Dabei wünscht sich die Bundeskanzlerin, dass mehr Mädchen so sind wie die 22-jährige Ivana Kosutic. Sie lernt seit September bei Siemens Industriemechanikerin. Und bei der Podiumsdiskussion kann Ivanas Vater berichten, dass sie schon als kleines Mädchen Kabel durchs Puppenhaus zog, um dort Licht zu installieren. Heute zeigt Ivana ihrer kleinen Tochter, wie man mit dem Schraubenzieher umgeht. „Viele haben mich gefragt, warum ich nicht Friseurin lerne“, erzählt Ivana. „Aber ich habe einen Beruf gesucht, nicht einen Job.“

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