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Der amerikanische Spediteur Malcom McLean erfand 1965 den Transportcontainer aus Stahl, der ab 1965 die Schifffahrts- und Hafenindustrie auch in Deutschland revolutionierte.

© BLG Logistics

Containerschiffe: Als der Container nach Deutschland kam

Vor 50 Jahren brachten Amerikaner die ersten Container nach Bremen – eine Revolution für die Schifffahrts- und Hafenindustrie.

Gleich beim zweiten Container passierte ein Malheur: Als er von Bord des US-Frachters „MS Fairland“ auf einen Lkw im Bremer Überseehafen gehievt werden sollte, stürzte er auf die nagelneue Zugmaschine. Der Fahrer erlitt nur leichte Blessuren, aber manch skeptischer Beobachter mag sich gedacht haben: Auf diesem neumodischen Kram liegt ein Fluch.

Hamburg war von der Erfindung zunächst nicht überzeugt

Es war ein Schnapsdatum, als der erste Containerfrachter am 5.5.1966 Stahlboxen nach Deutschland brachte. Bremen war nach Rotterdam die zweite Station eines neuen transatlantischen Liniendienstes der US-Reederei „Sea-Land“. Deren Chef Malcolm McLean hatte die revolutionäre Verpackung zehn Jahre zuvor in den Staaten eingeführt, und nun exportierte er seine Idee nach Europa. Doch nicht überall war man überzeugt, Hamburg stieg erst ein Jahr später mit ein.
Bei der Premiere in Bremen schaute auch ein sechsjähriger Knirps an der Hand seiner Mutter zu: Frank Dreeke. Er ist heute Vorstandschef der BLG, jenes halbkommunalen Unternehmens, das damals wie heute die Bremischen Häfen betreibt. 50 Jahre nach dem historischen Tag lobt Dreeke die „mutige Entscheidung“ seiner Vorgänger, den Container nach Deutschland zu holen.
Der Vorteil der genormten Transportbehälter: Egal, ob Kaffeesäcke, Maschinenteile oder Jeans - in den Häfen muss nicht jedes Teil einzeln angefasst und umgeladen werden. Das spart ungemein. Burkhard Lemper, Direktor des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL): „Der gesamte interkontinentale Warentransport ist durch den Container extrem effizienter geworden.“

Spätestens nach zwei, drei Tagen waren die Kähne wieder auf Tour

Der Umschlag geht schneller, braucht weniger Personal, und die Frachter sind spätestens nach ein, zwei Tagen wieder auf Tour. Früher lagen die Stückgutfrachter schon mal drei Wochen am Kai.

1965 wurden in den Häfen von Bremen und Bremerhaven neun Millionen Tonnen Stückgut umgeschlagen; zuletzt waren es hier gut 63 Millionen, davon 55 Millionen Tonnen in Containern. „Der Container war eine positive Revolution, ohne die die Globalisierung nicht möglich gewesen wäre“, sagt Lemper. Es dauerte allerdings Jahre, bis die neuen Kisten sich durchsetzten. Erst mussten die passenden Spezialkräne und Lkw-Auflieger konstruiert werden. Die „Fairland“ fasste gerade mal 226 Behälter. Unvorstellbar aus damaliger Sicht, was die größten Jumbos der Meere heute tragen können: ein Blechgebirge aus 19 000 TEU („Twenty Foot Equivalent Unit“, eine Maßeinheit, die einem 20-Fuß-Container entspricht, auch wenn die meisten Kisten 40 Fuß lang sind.

Auch die Häfen mussten modernisiert werden

Immer mehr, immer größere Schiffe: Da mussten auch die Häfen erweitert werden. Hamburg machte ein ganzes Dorf platt, um das Terminal Altenwerder zu bauen. Bremen verlagerte den Containerumschlag nach Bremerhaven, baute dort eine fast fünf Kilometer lange Kaianlage und schüttete später den eigenen Überseehafen zu – jenes Becken, wo einst der Container nach Deutschland kam. In Wilhelmshaven rangen die Ingenieure der Nordsee eine komplett neue Umschlagsfläche ab, den Jade-Weser-Port (JWP). Es ist Deutschlands erster Container-Tiefwasserhafen, ein Tribut an die immer riesiger werdenden Frachter. Aber auch Hamburg und Bremerhaven wollen weiterhin von den Mammutpötten angelaufen werden und kämpfen zurzeit vor Gericht darum, dass zum wiederholten Mal Elbe und Weser ausgebaggert werden dürfen.
Auch die Umschlagstechnik wird immer moderner. In Hamburg-Altenwerder bringen selbstfahrende Vehikel schon seit 2002 die Container von den Schiffen zu den Lagerplätzen, wie von Geisterhand gesteuert. Bald soll auch im JWP die Automatisierung erprobt werden. „Das birgt natürlich eine Riesengefahr für die Arbeitsplätze“, findet Verdi-Mann Torsten Gerdes. Wenn weitere Terminals in Bremerhaven und Hamburg nachziehen, wären nach seiner Schätzung insgesamt zwei- bis dreitausend Stellen bedroht.

Die Männer mit Schirmmütze und manchmal krummen Rücken wuselten durch die Häfen

Immerhin herrschen seit dem Siegeszug der Blechbox nicht mehr so mörderische Arbeitsbedingungen im Hafen. Beim Entladen von Kaffeefrachtern musste jeder Stauer 500 Säcke pro Schicht schleppen, wie Gerdes ausgerechnet hat. Die Männer mit Schirmmütze und manchmal krummem Rücken wuselten durch die Häfen, wuchteten ameisengleich Säcke, Kisten oder Fässer aus dem Bauch der Frachter auf den Kai und in die angrenzenden Schuppen, von wo das Stückgut dann auf Lastwagen oder Eisenbahnwaggons verteilt wurde. Überall Sackkarren, Gabelstapler, Schiffe in allen Größenklassen, ein Wald von Masten und Kranauslegern, dazu der Geruch von Kaffee und Tabak . Heute wirkt alles genormt, steril und fast menschenleer. Man muss schon genau hinschauen, bis man die Kranführer und die Fahrer der Portalhubwagen hoch oben in ihren Glaskabinen entdeckt.

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