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Im Sommer 2015, ein paar Monate nach Aufhebung der Sanktionen, besuchte der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Iran. Heute ist er Außenminister - und in der Wirtschaft gibt es Kritik an der zähen Visa-Vergabe des Ministeriums.

© Kappeler/dpa

Deutsch-Iranischer Handel: Es ist mehr möglich

Deutsche Firmen schöpfen das Potenzial nicht aus und die Banken halten sich zurück - auch aus Angst vor Donald Trump.

Die IHK im nordhessischen Wetzlar lädt Mitte Februar zu einem „Roundtable für (Wieder-) Einsteiger in den iranischen Markt“. Informiert wird über Absatzchancen und Markteintrittsbedingungen. „Hier stehen vor allem die Themen Exportkontrolle sowie Zahlungsabwicklung und -absicherung auf der Tagesordnung“, heißt es in einer Beschreibung der Veranstaltung durch die Deutsch-Iranische Handelskammer.

Es geht kräftig aufwärts im Handel zwischen den beiden Ländern. Seitdem vor zwei Jahren die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben wurden, wächst der Warenaustausch zweistellig. In den ersten zehn Monaten 2017 ging es um rund ein Fünftel hoch. Und dennoch: „Wir haben uns vom iranisch-deutschen Handel wesentlich mehr versprochen“, sagt Ulrich Ackermann, für Außenwirtschaft beim Maschinenbauverband VDMA zuständig. Knapp ein Drittel der deutschen Ausfuhren in den Iran sind Maschinen. „Ein Exportvolumen von 1,5 bis zwei Milliarden ist für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau sicherlich möglich, doch 2017 sind wir schätzungsweise nur auf 900 Millionen Euro gekommen“, sagte Ackermann im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Viele Firmen, vor allem aus dem Mittelstand, hätten traditionell gute Kontakte in Teheran, „doch alles in allem bleiben wir unter den Möglichkeiten“.

Bloß nicht von den USA belangt werden

Das deckt sich mit der Einschätzung von Volker Treier, der beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) für die Außenwirtschaft zuständig ist; zum DIHK gehört auch die in Teheran ansässige Deutsch-Iranische Handelskammer mit rund 2000 Mitgliedern. Die Unsicherheit vor allem über den Kurs der US-Amerikaner unter Präsident Trump belasteten die Geschäfte, sagt Treier. Die 2015 beschlossene Aufhebung der Sanktionen müsse Mitte Januar von Trump bestätigt werden; deutsche Firmen begeben sich deshalb bei Iran-Geschäften wieder in Gefahr, von den USA belangt zu werden.

„Die haben einfach Schiss vor den Amerikanern“, sagt Michael Tockuss, Geschäftsführer der in Hamburg ansässigen deutsch-iranischen Handelskammer, die mit 160 Mitglieder deutlich kleiner ist als die DIHK-Organisation. Ohne Banken respektive deren Finanzierungsleistungen kämen größere Projekte mit einem zweistelligen Millionenvolumen nicht in Gang. Derzeit wolle der Iran in den Ausbau der Erneuerbaren Energien investieren, erzählt Tockuss, um weniger Gas und Öl selbst zu verbrauchen und exportieren zu können. Doch für größere Windparks oder Solarfarmen seien Investitionen von 30 Millionen Euro oder mehr erforderlich. Ohne Banken, „die sich aber extrem zurückhalten, ist das nicht möglich“, sagte Tockuss dem Tagesspiegel.

Es gibt Finanzierungsprobleme im Iran

Ulrich Ackermann vom VDMA sieht drei Gründe für das wachsende, aber unbefriedigende Geschäft mit dem Iran. „Zu wenig Banken, die für Finanzierungsthemen zur Verfügung stehen, die Sorge mancher Unternehmen, sich mit Iran-Geschäften ein Problem in den USA einzubrocken, sowie schließlich die Situation im Iran, wo es Anzeichen ernstzunehmender Finanzprobleme gibt.“

Für die deutsche Industrie und ihre Stärke auf dem Weltmarkt ist das bedauerlich, zumal „der Iran ja das einzige Land in der Region mit einer breiten Industriebasis und einer gut ausgebildeten Bevölkerung ist“, wie Ackermann sagt. Der Iran mit mehr als 80 Millionen Einwohnern und „einer relativ breit diversifizierten Volkswirtschaft“ (DIHK-Mann Treier) könnte ein attraktiver Wirtschaftspartner werden - sofern es außenpolitisch keine Irritation mehr gebe und innenpolitisch Bürokratie und Korruption angegangen würden. Danach sieht es aber derzeit nicht aus, sodass viel deutsche Firmen auch schlicht die Lust an den mühsamen und unter Umständen riskanten Geschäften verlieren. Maschinenbauer zum Beispiel, bei denen der US- Markt häufig auf einen Exportanteil von mehr als zehn Prozent kommt, halten sich lieber in Teheran zurück.

Ohne Ölsektor ist das Wachstum bescheiden

Die iranische Wirtschaft wuchs nach Angaben der Teheraner Zentralbank zuletzt um 12,5 Prozent – ohne den Ölsektor aber nur um 3,3 Prozent. Der im März 2017 vom Parlament verabschiedete Fünfjahresplan sieht bis 2022 ein jährliches reales Wachstum um acht Prozent vor. Das ist extrem optimistisch. „Die Realisierung der Wachstumsziele erfordert eine starke Belebung der Investitionstätigkeit“, heißt es in einer Studie der Germany Trade & Invest (GTAI) über die Perspektiven des Irans in diesem und in den kommenden Jahren. Dabei wird auf Angaben der Teheraner Regierung verwiesen, wonach bis 2022 rund 250 Milliarden Dollar in die Modernisierung von Wirtschaft und Infrastruktur investiert werden müssten, davon ein Fünftel ausländische Direktinvestitionen.

Die Preise steigen um zehn Prozent

„Diese Zielmarke wäre leicht zu erreichen, wenn ein Großteil der mit ausländischen Unternehmen unterzeichneten Absichtserklärungen umgesetzt werden könnten, was allerdings derzeit zweifelhaft ist“, schreibt das GTAI, ohne explizit auf die Finanzierungsproblematik einzugehen. Alles in allem „dürften die Wachstumsperspektiven erheblich durch die Washingtoner Iran-Politik beeinflusst werden.“ Mit entsprechenden Folgen für Arbeitsplätze, Einkommen und Wohlstand. Der Lebensstandard hat sich seit Inkrafttreten des Atomabkommens vor zwei Jahren nicht verbessert. Die Inflationsrate lag 2017 bei gut zehn Prozent, Lebensmittel wie Fleisch oder Butter sind so teuer wie in Westeuropa,der Benzinpreis ist kräftig gestiegen. Und die Arbeitslosenquote ist seit Jahren mit rund 12,5 Prozent nahezu unverändert.

In dieser volkswirtschaftlichen Kulisse machen sich Enttäuschungen und Zorn der Bevölkerung auf der Straße Luft. Auf die aktuellen deutsch-iranischen Geschäfte wirkt sich das nach Einschätzung der Kammervertreter derzeit noch nicht aus. Das könnte sich aber schnell ändern, wenn Trump aus dem Atomabkommen aussteigt.

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