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Mehr Ladesäulen würden zu höherer Sichtbarkeit von Elektromobilität führen - und zu höherer Bereitschaft, sie zu nutzen.

© dpa

Energiewende und Verkehr: "Elektromobilität braucht Anreize"

Wenn wir nicht umsteuern, droht eine Verkehrswende rückwärts, sagt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena). Sein Sieben-Punkte-Plan für die Elektromobilität - ein Gastbeitrag.

Halb zog sie ihn, halb sank er hin. So in etwa könnte man es beschreiben, das aktuelle Verhältnis zwischen der Energiewende und dem Verkehr. Dabei ist das Bedürfnis hoch, rasch zueinander zu finden. Die Energiewende ist auf den Verkehr angewiesen. Und der Verkehrssektor wird sich darauf einstellen müssen, dass das, was den Strommarkt nun schon seit Jahren durcheinander wirbelt, letztendlich auch vor dem Verkehrssektor nicht halt machen wird. Darin liegt schließlich auch großes wirtschaftliches Potenzial.

Einiges tut sich bereits: Es gibt zunehmend attraktive Fahrzeugmodelle für Elektro- und Erdgasmobilität. Es gibt etablierte Unternehmen und Startups, die mit klugen Ideen Ladepunkte entwickeln und den Verkehr von Morgen neu denken. Es gibt Unternehmen, die darüber nachdenken, wie mit der Zweitverwertung von Autobatterien der Energiewende an anderer Stelle weitergeholfen werden kann. Die Investitionen der Automobilwirtschaft in alternative Mobilitätskonzepte haben insgesamt deutlich zugenommen. Allein, es reicht bei weitem nicht. Der Status Quo wird weder den Zielen der Bundesregierung bei der Energiewende noch der Rolle der Automobilwirtschaft für den Wirtschaftsstandort Deutschland gerecht.

Der aktuelle politische Rahmen ist für das, was jetzt ansteht, nicht geeignet. In Zeiten niedriger Ölpreise wird das umso deutlicher. Er wurde für die Struktur geschaffen, die wir heute vorfinden. Auch diese ist also politisch motiviert. Wenn wir eine andere wollen und auch die technischen Möglichkeiten haben, dann sollten wir den Mut zum Umsteuern haben. Ein kompliziertes Thema, weil viele Interessen und Arbeitsplätze davon betroffen sind. Aber es wird ein Schwerpunktthema in den kommenden Jahren sein, davon bin ich überzeugt.

Kommunen, Bund und Länder brauchen mehr E-Autos in ihren Flotten

Auch kurzfristig lassen sich wichtige Akzente setzen. Sie sind sogar dringend erforderlich, damit das, was an vielen Stellen bereits auf den Weg gebracht wurde, nicht sang und klanglos wieder versinkt.

Erstens: Die Sonderabschreibung für elektrische Firmenwagen sollte zügig umgesetzt werden. Sie war im Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz bereits vorgesehen, doch Bund und Länder haben sich noch nicht einigen können. Eine solche Maßnahme wird die Sichtbarkeit der Elektromobilität erhöhen.

Andreas Kuhlmann leitet die Deutsche Energie-Agentur (dena).
Andreas Kuhlmann leitet die Deutsche Energie-Agentur (dena).

© dena

Zweitens: Ein 10 000-Ladepunkte-Programm, getragen von Wirtschaft und Politik, sollte rasch auf den Weg gebracht werden. Es ist viel Bewegung im Markt für Ladesäulen. Die Verfügbarkeit von Ladepunkten erhöht die Bereitschaft, sich auf Elektromobilität einzulassen.

Drittens: Öffentliche Einrichtungen in Bund, Ländern und vor allem auch in Kommunen sollten den Anteil an Elektro- und Erdgasfahrzeugen in ihren Fuhrparks schnell erhöhen. Ein Programm der Bundesregierung im Sinne einer Kaufprämie kann hier eine unterstützende Maßnahme sein. Als Bedingung dafür sollten die Ausschreibungsregularien verändert werden. Wer neue Fahrzeuge erwerben will, soll nachweisen, warum nicht Fahrzeuge mit alternativen Antrieben infrage kommen.

Ohne Kaufprämie wird es schwierig

Viertens: Schnellstmöglich sollten sich die beteiligten Bundesministerien bezüglich der bestmöglichen Einführung einer allgemeinen unterstützenden Kaufprämie für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zusammensetzen. Das ist keine einfache Entscheidung, aber sie muss jetzt geklärt werden. Aktuell herrscht eine Wartehaltung, die der Marktentwicklung sehr schadet. Mit einem klaren Ziel vor Augen macht eine Kaufprämie durchaus Sinn. Ohne sie wird es wohl schwierig, die gesetzten Ziele auch nur ansatzweise zu erreichen.

Fünftens: Erdgasmobilität bietet bereits heute eine nachhaltige Alternative. Aktuell verfügbare Modelle gehören bei Umwelttests regelmäßig zu den Spitzenreitern. Die versprochene Verlängerung der Energiesteuerermäßigung für Erdgas und Biomethan muss daher endlich kommen. Das Aufschieben der Entscheidung hat zu einem massiven Vertrauensverlust geführt. Im Jahr 2015 wird es erstmals einen Rückgang des Tankstellen- und Fahrzeugbestandes geben. Wenn es nicht bald zu einer Entscheidung kommt, könnte dies die Abschreibung von mehr als drei Milliarden Euro in Infrastruktur und Fahrzeugentwicklung bedeuten. Es droht eine Verkehrswende rückwärts.

Sechstens: Im Straßengüterverkehr besteht besonderer Handlungsbedarf. Im Segment der schweren Nutzfahrzeuge für längere Transportdistanzen wird Flüssigerdgas (kurz: LNG für Liquified Natural Gas) mittelfristig die einzige wettbewerbsfähige Alternative sein. LNG steht für weniger Lärm, weniger Emissionen und unbeschränkte Beimischung von erneuerbarem Methan (Biomethan, Power to Gas). Zusammen mit weiteren Kooperationspartnern ist die dena bereits im Auftrag des Verkehrsministeriums mit einer LNG-Taskforce aktiv, um eine zuverlässige Ausbauperspektive zu entwickeln.

Die Wende kostet - zögern auch

Siebtens: Die Öffentlichkeitsarbeit muss gestärkt werden. Ein wesentliches Instrument für das Umdenken in der Verkehrsnutzung und bei der Wahl der Fahrzeuge ist die Schaffung eines Bewusstseins für den Zusammenhang von individuellem Verhalten, Energieverbrauch und Klimaemissionen. Eine umfassende und langfristig angelegte „Energiewende-Kampagne im Verkehr“, die von den entscheidenden Akteuren getragen wird, wäre ein wichtiger Beitrag.

Das alles sind erste Schritte. Sie kosten Geld, aber der Markt so wie er jetzt ist, wird es nicht richten. Worum es am Ende allerdings wirklich geht, ist die Entwicklung langfristiger Mobilitätsstrategien, die Innovation und Nachhaltigkeit fördern und zu den energiepolitischen Zielen der Bundesregierung passen. Hier stehen schwierige Debatten und Entscheidungen an. Je länger wir aber darauf warten, desto größer ist die Gefahr, dass die Zukunft der Mobilität woanders entwickelt wird.

Andreas Kuhlmann

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