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Reklame für Teldafax: Die Spieler von Bayer Leverkusen, darunter Sidney Sam, haben für Teldafax geworben, der Verein hat dafür viel Geld bekommen. Nun möchte Insolvenzverwalter Biner Bähr einen ordentlichen Batzen zurück und hat den Klub verklagt.

© picture alliance / dpa

Teldafax: Neue Hoffnung für Ex-Kunden

Insolvenzverwalter Biner Bähr macht Druck auf die früheren Kunden des Billiganbieters Teldafax und schaltet dazu das Inkassounternehmen Creditreform ein. Viele Verbraucher zahlen aus Angst – obwohl sie das nicht müssen, wie neue Urteile zeigen.

Eigentlich wollte Klaus Schubert nur ein paar Euro sparen. Deshalb kaufte der Angestellte aus Kleinmachnow seinen Strom und sein Gas bei Teldafax. Immerhin belegte der Billiganbieter aus Troisdorf in den Vergleichslisten der Internetportale stets einen der vorderen Plätze. Den Strom bezahlte der Familienvater, der in Wirklichkeit anders heißt, gleich für ein Jahr im Voraus, das drückte die Stromrechnung noch einmal beträchtlich.

Doch die Freude am vermeintlichen Stromschnäppchen währte nur kurz. Im Juni 2011 meldete Teldafax Insolvenz an. Der Energielieferant war zwar rasend schnell gewachsen, die Tarife waren aber nicht profitabel. 750 000 Kunden in ganz Deutschland mussten sich nicht nur über Nacht einen neuen Strom- und Gaslieferanten suchen, viele müssen sich auch noch mit dem Insolvenzverwalter Biner Bähr herumschlagen. Ein Streit, der bis heute andauert und Rechtsanwälte und Gerichte beschäftigt.

DIE MASSE MEHREN

„Der Insolvenzverwalter muss mit allen Mitteln die Insolvenzmasse mehren“, sagt Wolfgang Weber-Thedy, Sprecher des Insolvenzverwalters. Das bekommt etwa Bayer Leverkusen zu spüren. Der Bundesligaklub hatte sich die Werbung für Teldafax („Wechseln is ’n Klax. Mit Teldafax!“) auf den Trikots seiner Fußballprofis gut bezahlen lassen. Bähr will nun 17,5 Millionen Euro vom Werksverein und hat geklagt, weil der Klub seiner Meinung nach noch kassiert habe, als sich die Insolvenz bereits abgezeichnet hatte. Auch gegen die Ex-Teldafax-Vorstände Klaus Bath und Gernot Koch geht Bähr nach Informationen des „Handelsblatts“ vor, hier will er 1,5 Millionen Euro.

Für die früheren Chefs ist das nicht die einzige Baustelle. Auch Exkunden versuchen, sich an der einstigen Geschäftsleitung gütlich zu halten. Zudem müssen sich Bath, Koch und Teldafax-Gründer Michael Josten vor dem Bonner Landgericht wegen Insolvenzverschleppung, gewerbsmäßigen Betrugs sowie Bankrott verantworten. Der Prozess, der kürzlich mit großem Medienrummel eröffnet wurde, ist derzeit unterbrochen. Die Verteidiger hatten die Besetzung des Gerichts gerügt, nun ist eine neue Wirtschaftsstrafkammer eingerichtet worden, die sich mit dem Verfahren beschäftigt. Wann es weitergeht, ist noch unklar.

90 MILLIONEN VON DEN KUNDEN

Den größten Batzen verspricht sich Bähr jedoch von den früheren Kunden. Zwischen 80 und 90 Millionen Euro will sich der Insolvenzverwalter von der einstigen Kundschaft holen. Dabei schreckt er auch vor rustikalen Methoden nicht zurück. Im Auftrag Bährs versucht das Inkassounternehmen Creditreform bereits seit einiger Zeit, vermeintliche Außenstände einzutreiben. „Die Schreiben werden immer drohender“, sagt der Berliner Anwalt Jörg Schachschneider, der zahlreiche Ex-Teldafax-Kunden betreut. So droht Creditreform nicht nur damit, Informationen über die offene Forderung weiterzugeben, was die Bonität des Kunden verschlechtern würde, sondern auch mit Klage, falls sich der Angeschriebene weigert zu zahlen.

WAS KANN MAN VERRECHNEN?

Problematisch ist das in Fällen wie denen von Klaus Schubert. 268 Euro soll der Mann für seine noch offene Gasrechnung bezahlen. Dass er seinerseits noch 600 Euro vom Insolvenzverwalter für seinen vorab bezahlten Strom verlangen kann, lässt Creditreform nicht gelten. Eine Aufrechnung sei nicht möglich. Wie das?

Um das zu erklären, bemüht der Insolvenzverwalter eine juristische Konstruktion, die viele Laien überfordert und die sich die komplizierte Konzernstruktur von Teldafax zunutze macht. Geworben wurden die Verbraucher nämlich einst von der Teldafax Marketing, beliefert wurden sie von der Teldafax Energy, abgerechnet wurde von Teldafax Services. Teldafax Energy, so sagt der Insolvenzverwalter, habe seine Forderungen an die einstigen Kunden an die Servicesschwestergesellschaft abgetreten. Praktisch heißt das: Wer noch Geld zu bekommen hätte, wird weiter bei Energy geführt, wer zahlen soll, ist mit seinem Vertrag angeblich zu Services gewechselt. Eine Verrechnung sei nicht möglich, da es sich um zwei verschiedene Gesellschaften handelt. Das ist praktisch für den Insolvenzverwalter und schlecht für die Kunden. Denn ob ein Teldafax-Gläubiger aus der Insolvenzmasse jemals Geld sehen wird, ist zweifelhaft. Weber-Thedy will über eine Quote nicht spekulieren.

WIE DIE GERICHTE ENTSCHEIDEN

Bei einigen Gerichten hat sich Bähr mit dieser Argumentation durchsetzen können, doch in den meisten Fällen zieht der Anwalt den Kürzeren. „Wir haben über 20 Prozesserfolge“, berichtet Florian Dälken. Seine Kanzlei hat sich auf Teldafax spezialisiert. „Bei uns melden sich viele Kunden“, sagt der Insolvenzrechtsexperte aus Lingen im Emsland.

Dälken geht davon aus, dass die Kunden aufrechnen können. Eine Vertragsübernahme von Energy durch Services habe nicht stattgefunden, weil die dazu nötige, wirksame Zustimmung der Kunden fehle. Aber auch die Abtretung, die ohne Einverständnis der Verbraucher über die Bühne gehen kann, sei nicht wirksam. Der Factoring-Vertrag aus dem Jahr 2009, der die Abtretung regelt, sehe als Bedingung vor, dass über die Forderungen ein separater Kaufvertrag geschlossen worden ist. „Den kenne ich aber nicht“, sagt Dälken.

„Komplizierte Fragen“ seien das, räumt der Anwalt ein. „Ich bin deshalb überrascht, wie eindeutig die Gerichte das sehen.“ Quer durch die Republik haben Amtsgerichte nämlich inzwischen zugunsten der einstigen Kunden geurteilt, in einigen Prozessen hat der Insolvenzverwalter seine Gegenwehr sogar kampflos aufgegeben. Viele der Urteile sind rechtskräftig. Das hat Verfahrensgründe. Bis Streitwerten von 600 Euro ist der Amtsrichter König, eine Berufung gegen sein Urteil ist nicht möglich.

CREDITREFORM LENKT EIN

Häufig kommt es aber gar nicht erst zu einem Prozess, sagt der Berliner Anwalt Jörg Schachschneider. Er betreut 60 ehemalige Kunden, die Ärger mit Creditreform haben. „Nicht in einem einzigen dieser Fälle hat der Insolvenzverwalter Klage erhoben“, berichtet Schachschneider. Tatsächlich kann es Wunder wirken, wenn nicht der Kunde schreibt, sondern sein Anwalt. So habe Creditreform kürzlich ein Verfahren wenige Stunden, nachdem der Anwaltsbrief eingetroffen ist, wegen „Geringfügigkeit“ eingestellt. Obwohl die Forderung zwischen 300 und 400 Euro und damit im Bereich des Üblichen lag. Auch Insolvenzverwalter Bähr rudert gelegentlich zurück. Eine Klage vor dem Amtsgericht Schöneberg – in einem anderen Fall – habe Bähr zurückgenommen, berichtet Schachschneider. Klaus Schubert hilft das nicht. Er hat – mürbe nach den ganzen Querelen – gezahlt, will deshalb auch seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Könnte er sein Geld zurückfordern? Das sei „denkbar“, meint Dälken, allerdings habe er einen solchen Prozess bislang nicht geführt.

Bedenklich: Nach den Insolvenzen von Teldafax und Flexstrom sehen Verbraucherschützer Anzeichen, dass jetzt auch weitere Anbieter Probleme haben. „Rechnungen werden verspätet gestellt, es gibt windige Preiserhöhungen", sagt der Energierechtsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Jürgen Schröder. „Es wird nicht bei den Insolvenzen von Teldafax und Flexstrom bleiben.“

Weitere Artikel zu Stromanbietern, Tarifen und Stromspartipps finden Sie auf unserer Ratgeberseite: www.tagesspiegel.de/strom

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